Dauerregen lässt in Bayern die Pegelstände steigen. In sieben Landkreisen gilt der Katastrophenfall, teilweise wurde ein Jahrhunderthochwasser erreicht. Hunderte Helfer sind im Einsatz.
Wasser, Wasser, Wasser: Menschen werden mit Schlauchbooten und Helikoptern aus vom Wasser eingeschlossenen Häusern gerettet. Autodächer ragen aus braunen Fluten. Hunderte Rettungskräfte sind im Dauereinsatz. Es regnet wie aus Eimern, Teile Bayerns versinken in den Fluten. In sieben Landkreisen galt am Samstag der Katastrophenfall. An manchen Pegeln im westlichen Bayern wurde die höchste Hochwasserwarnstufe vier erreicht, an anderen wurde sie noch erwartet.
Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann reisten in das schwäbische Hochwassergebiet. Die beiden CSU-Politiker machten sich im schwer betroffenen Diedorf ein Bild von der Lage.
Für die Bürger sei die Situation eine „extreme Belastung“, sagte der Ministerpräsident. „Das ist noch nicht vorbei. Es geht jetzt erst richtig los.“ Der Schwerpunkt des Unwetters liege aktuell in Schwaben, deshalb würden dort die Ressourcen zusammengezogen.
„Ohne die Helferinnen und Helfer hätten wir gar keine Chance“, wandte sich Söder an die Rettungsdienste. Sie alle zeigten einen vorbildlichen Einsatz. An die Bürgerinnen und Bürger appellierte er: „Bitte die Regeln befolgen.“
In dem Ort mussten die Bewohner bestimmter Straßenzüge umgehend ihre Häuser verlassen. Die Fluten stiegen. „Es ist nicht mehr ausreichend, sich in höhere Stockwerke zu begeben“, warnte eine Sprecherin des Landratsamtes Augsburg.
Zuvor war ein Deich am Anhauser Weiher gebrochen, wenig später gab in Burgwalden ein Damm nach. Die Behörden riefen die Menschen auch auf, sich von Bahnunterführungen fernzuhalten. Teils könnten Fluten dort abfließen. Es bestehe Lebensgefahr. In Fischach im Landkreis Augsburg wurden Menschen mit dem Hubschrauber von ihren Häusern geholt – anders konnte die Retter nicht mehr zu ihnen gelangen.
Angesichts der sich zuspitzenden Unwetterlage richtete das Umweltministerium einen Arbeitsstab Hochwasser ein, der bayernweit Maßnahmen koordiniert. Insbesondere die staatlichen Talsperren seien auf das Hochwasser vorbereitet. „Die Lage ist vor allem in weiten Teilen Schwabens sehr ernst. Die Warndienste sind dauerhaft in Alarmbereitschaft und haben die Lage im Blick“, sagte Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler).
Hunderte Helfer waren bayernweit im Einsatz. Unter Hochdruck hatten sie teils über Nacht Sandsäcke gefüllt und sie dann zum Schutz von Wohngebieten oder zur Absicherung von Dämmen aufgeschichtet. Mit Hochleistungspumpen wurde versucht, Wasser abzupumpen und Dämme so zu entlasten.
Bundeswehrsoldaten halfen im Kampf gegen das Hochwasser. „Die Bundeswehr unterstützt die beiden Landkreise Günzburg und Aichach-Friedberg, nachdem beide Landkreise einen offiziellen Antrag gestellt hatten“, sagte eine Bundeswehr-Sprecherin des Landeskommandos Bayern dem Sender Antenne Bayern. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte bei einem Besuch im stark betroffenen Diedorf im Landkreis Augsburg angekündigt, die Bundeswehr werde die Einsatzkräfte unterstützen.
Auch der ADAC beteiligte sich an Rettungsaktionen. „Wir sind mit allen Rettungshubschraubern Süddeutschlands im Einsatz“, sagte der Sprecher der ADAC-Luftrettung, Jochen Oesterle. Die Besatzungen hätten erste Menschen aus bedrohten Gebieten ausgeflogen. „Wir werden weitere Windenhubschrauber nach Bayern verlegen“, sagte Oesterle. Dabei würden auch erfahrene Crews eingesetzt, die schon im Ahrtal geholfen hätten.
Laut Hochwassernachrichtendienst Bayern wurden mancherorts bereits Werte eines Jahrhunderthochwassers und darüber erreicht. Ein hundertjährliches Hochwasser (HQ100) ist eine rechnerische Größe und bezeichnet ein Hochwasser, das im statistischen Mittel einmal in hundert Jahren erreicht oder überschritten wird.
Dabei steigen die Wasserstände vielerorts weiter an. Angesichts des extremen Dauerregens und der erwarteten Hochwasserlage riefen die Landkreise Günzburg, Augsburg, Aichach-Friedberg, Neu-Ulm, Pfaffenhofen an der Ilm, Donau-Ries und Unterallgäu den Katastrophenfall aus.
In Babenhausen im Unterallgäu fiel teilweise das Handynetz aus. Wer Hilfe brauche und keinen Notruf absetzen könne, solle ein weißes Laken oder Tuch zum Fenster heraushängen oder – wenn möglich – sich am Fenster bemerkbar machen, gab das Landratsamt Anweisung. In Babenhausen waren Menschen bereits mit Schlauchbooten und einem Hubschrauber aus ihren Häusern geholt worden. „Es wurde immer mehr, und wir hatten keine Chance mehr“, berichtete ein Anwohner. Die Menschen hätten im höchsten Tempo das Haus verlassen müssen.
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) im bayerischen Memmingen ist wegen des Hochwassers geräumt worden. Rund 100 Häftlinge – darunter etwa 20 Frauen – wurden auf die Gefängnisse in Landsberg, Kempten und Aichach verteilt, wie die Leiterin der JVA Memmingen und Kempten, Anja Ellinger, am Samstag auf Anfrage mitteilte. „Wir haben alle Häftlinge verlegt.“ Mehrere Medien hatten darüber berichtet.
Im Landkreis Donaus-Ries wird laut Wetterprognose weiter mit Regenfällen gerechnet, der Scheitelpunkt mit den höchsten prognostizierten Pegelständen wird für den Montag erwartet, wie das Landratsamt in Donauwörth erläuterte. Vor allem das Wasser der Donau werde in den nächsten Stunden stark steigen. Weitere Maßnahmen wie etwa voraussichtlich erforderlich werdende Evakuierungsmaßnahmen könnten nötig werden, hieß es. Darüber werde rechtzeitig informiert.
Teils fielen Regenmengen von 130 Litern und mehr pro Quadratmeter. Von Freitagmorgen an kamen etwa im bayerischen Sigmarszell-Zeisertsweiler im Landkreis Lindau nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach 135 Liter pro Quadratmeter binnen 24 Stunden vom Himmel. Während aus der Region Lindau am Samstag leichte Entspannung gemeldet wurde, richteten sich die Behörden an der Donau abwärts auf steigende Pegelstände ein. Etwa wurde für die Donaupegel bei Kelheim mit einem Überschreiten der Meldestufe vier als höchste Stufe gerechnet.
Bis Sonntag ist für weite Teile Bayerns Dauerregen angekündigt, die höchsten Pegelstände könnten je nach Gebiet sogar erst in der Nacht zum Montag erreicht werden. Der DWD warnte vor weiteren Unwettern mit großen Regenmengen, im Südwesten Bayerns gebietsweise 100 bis 150 Litern pro Quadratmeter, im südlichen Schwaben könnten es teils auch noch höhere Mengen sein. Durch massive Überflutungen und hohe Pegelstände, unpassierbare oder von Wassermassen eingeschlossene Gebiete sowie mögliche Erdrutsche bestehe „große Gefahr für Leib und Leben“.
In Südbayern rechnet der DWD auch für Montag tagsüber zum Teil noch mit andauerndem Niederschlag. Auch in Niederbayern und der Oberpfalz steigen die Wasserstände.
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