Christian Lindner versprach Steuererleichterungen, doch Gutverdiener könnten durch steigende Sozialabgaben im nächsten Jahr mehr zahlen.
Der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag sollen erhöht, die sogenannte „kalte Progression“ ausgeglichen werden. Mit diesen Ankündigungen hatte Christian Lindner bereits Mitte des Jahres Steuerzahlern Hoffnung auf spürbare Entlastungen gemacht. Insgesamt 23 Mrd. Euro sollten sie bis 2026 weniger an den Staat abdrücken müssen. Nun könnte sich für obere Einkommensgruppen diese Ankündigungen als obsolet herausstellen.
Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, geht aus einem Verordnungsentwurf des Arbeitsministeriums hervor, dass im kommenden Jahr die Sozialversicherungsbeiträge für Gutverdiener durch eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze erheblich steigen sollen. Wie üblich wird diese Grenze jedes Jahr in Hinblick auf die Entwicklung der Einkommen in Deutschland angepasst – dieses Jahr fällt die Steigerung allerdings besonders hoch aus. Ein Ministeriumssprecher führte die Höhe der Anpassungen laut „Bild“ auf die „sehr gute Lohnentwicklung von deutschlandweit 6,44 Prozent im vergangenen Jahr“ zurück. Dadurch stiegen die Beitragsbemessungsgrenzen im Jahr 2025 „vergleichsweise stark“.
Gutverdiener werden zur Kasse gebeten
Dem Bericht zur Folge sollen in der gesetzlichen Rentenversicherung bis zu einem Monatseinkommen von 8050 Euro künftig Beiträge fällig werden. Aktuell liegt der Wert deutlich niedriger. Außerdem wird zurzeit noch zwischen alten und neuen Bundesländern differenziert: Im Westen beträgt die Beitragsbemessungsgrenze 7550 Euro, während sie im Osten bei 7450 Euro im Monat liegt. Diese Unterscheidung soll nun wegfallen. Wer mehr verdient, zahlt nur bis zu dieser Grenze Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung – auf das darüber liegende Einkommen werden keine Beiträge fällig.
Die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung soll ebenfalls auf 5512,50 Euro steigen. Aktuell müssen Gutverdiener Beiträge auf das Einkommen bis 5175 Euro im Monat bezahlen. Nach Angaben des Arbeitsministeriums ist der Entwurf innerhalb der Regierung in die Ressortabstimmung gegangen.
STERN PAID 20_24 Titel Hartmut Walz IV 1605
Für das „Handelsblatt“ legt Finanzwissenschaftler Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg dar, auf welche Einkommensgruppen im kommenden Jahr höhere Sozialabgaben zukommen werden. Menschen mit einem Einkommen von 5200 Euro im Monat müssen sich lediglich auf 31 Euro mehr im Jahr einstellen. Bei höheren Gehältern wie 5500 oder 8100+ Euro im Monat sind die zusätzlichen Abgaben von 408 bzw. 1059 Euro im Jahr schon wesentlich deutlicher zu spüren.
Steuerentlastung ade?
Wer sich eben noch beispielsweise über die Anhebung des Grundfreibetrags der Einkommensteuer, bis zu dem das Einkommen steuerfrei bleibt, gefreut hat, könnte in Anbetracht der höheren Sozialausgaben ins Rechnen kommen. Schließlich könnten gerade Top-Verdiener, auf die eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze abzielt, am Ende des Monats weniger Geld zur Verfügung haben.
Auch zu dieser Frage stellt Prof. Dr. Frank Hechtner Rechnungen auf. Ausgehend von einem Single ohne Kinder stellt der Wissenschaftler fest, dass man sich bei einem Einkommen von 5000 Euro im Monat noch über eine Entlastung von 163 Euro freuen darf. Anders sieht es wiederum bereits bei einem Gehalt von 5500 Euro aus. In diesem Fall sind im Monat 79 Euro weniger auf dem Konto als vor den Erhöhungen. Entgegen der Intuition nach den ersten beiden Rechenbeispielen, werden Personen mit einem Einkommen von 7500 Euro im Monat um ganze 225 Euro entlastet. Grund dafür ist, dass zunächst bei höherem Einkommen die steuerlichen Vorteile dominieren. Dieser Effekt kommt allerdings ab 8000 Euro im Monat an seine Grenzen. Dann sind bereits unter dem Strich 111 Euro pro Monat weniger in der Tasche. Ab 15.000 Euro sind es ganze 349 Euro.
Sozialabgaben könnten weiter steigen
Schon die jüngsten Ankündigungen, die Sozialbeiträge zu erhöhen, treffen auf gemischte Meinungen. Dem „Handelsblatt“ sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, dass dies für viele Menschen einer Steuererhöhung durch die Hintertür gleiche. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßt hingegen die Pläne der Bundesregierung. Die jährliche Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze sei ein notwendiger Schritt zur Stabilisierung der beitragsfinanzierten Sozialversicherungen, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Denn höhere Beitragsbemessungsgrenzen bedeuten, dass höhere Einkommen stärker an der Finanzierung beteiligt werden, um die Lasten gerechter zu verteilen und untere und mittlere Einkommen zu entlasten.“
Erst im Juni hatte eine Studie gezeigt, dass auch in Zukunft Angestellten und Arbeitgebern stark steigende Sozialbeiträge drohen könnten. Bis zum Jahr 2035 könnten die Beiträge der verschiedenen Versicherungszweige insgesamt um 7,5 Punkte auf 48,6 Prozent steigen. Das Berliner IGES-Instituts hatte im Auftrag der DAK-Gesundheit die Beitragsentwicklung bei der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung berechnet, wie sie aus heutiger Sicht naheliegend erscheint.