Vor der Sturmflutsaison wird traditionell kontrolliert, ob die Deiche an der Westküste wehrhaft sind. Dieses Jahr werden auch noch einige an der Ostsee überprüft.
Der Landesschutzdeich in Nieby-Falshöft (Kreis Schleswig-Flensburg) an der Ostsee ist in Ordnung: Stellenweise müssen noch einige Disteln entfernt, das Gras gekürzt werden. Doch gravierende Mängel konnten die Fachleute des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN) bei der Deichschau nicht feststellen.
„Wir gehen guten Mutes in die neue Saison rein“, sagte der zuständige Geschäftsbereichsleiter Fabian Lücht vom LKN. Es gebe keine großen Punkte zu beanstanden.
Die Deichschau in Falshöft ist die erste in diesem Herbst. Bei den traditionellen Kontrollgängen bewerten die Behörden noch bis Mitte November die Sicherheit von Deichen an Nord- und Ostsee. Jetzt stehe die Sturmflutsaison an, da müsse natürlich sichergestellt sein, dass die Deiche in einem guten und wehrhaften Zustand seien, sagte Lücht.
330.000 Menschen wohnen in potenziell gefährdeten Küstenniederungen
In den knapp 4.000 Quadratkilometer großen potenziell überflutungsgefährdeten Küstenniederungen an Nord- und Ostsee sowie an der Tideelbe wohnen 333.000 Menschen, und es sind Sachwerte in Höhe von 60 Milliarden Euro vorhanden.
Anders als sonst üblich werden diesen Herbst nicht nur die Deiche an der Westküste kontrolliert, sondern auch die an der Ostseeküste. Diese werden in der Regel nur im Frühjahr überprüft, die an der Westküste zweimal im Jahr. Wegen personeller Engpässe konnten nach LKN-Angaben im Frühjahr nicht alle Landesdeiche an der Ostseeküste überprüft werden. Die Kontrolle wird daher nun fortgesetzt.
Behörde: Landesdeiche an der Ostsee bis auf eine Ausnahme nach Sturmflut fit
Im vergangenen Oktober richtete eine schwere Sturmflut an der Ostseeküste des Landes verheerende Schäden an. Für die Deiche, die an der Ostsee in der Zuständigkeit des LKN sind, lasse sich aber sagen, dass alle, bis auf eine Ausnahme, wieder in einem wehrhaften Zustand seien, teilte die Behörde mit. Das bedeute, sie seien wieder auf dem Schutzniveau, das sie vor der Flut hatten.
Die Ausnahme ist der Landesschutzdeich in Presen auf Fehmarn. Dort wurde das Deckwerk auf einer Länge von 400 Metern teilweise sehr schwer beschädigt. Die Arbeiten dort laufen dem LKN zufolge seit Monaten unter Hochdruck und werden Mitte Oktober abgeschlossen sein.
„Die Sturmflutsicherheit stellen wir allerdings schon zum Ende des Monats September her, also vor dem offiziellen Start der Sturmflutsaison“, teilte ein Sprecher des Landesbetriebs mit.
Land ist nicht für alle Deiche im Land zuständig
An der einschließlich Tideelbe rund 570 Kilometer langen Nordseeküste Schleswig-Holsteins erstrecken sich nach Angaben des Landesbetriebs mehr als 360 Kilometer Deiche unter Landesschutz. Der LKN ist neben den Landesschutzdeichen der Westküste und weiteren 70 Kilometern an der Ostseeküste auch für rund 50 Kilometer Regionaldeiche auf den Halligen und Inseln zuständig.
Für den Bau, die Verstärkung und die Unterhaltung der Regionaldeiche, die nicht in Landeszuständigkeit liegen, sind die Wasser- und Bodenverbände beziehungsweise die jeweiligen Gemeinden verantwortlich. Sie legen auch den Sicherheitsstandard dieser Anlagen fest.
Küstenschutz an Nord- und Ostsee unterscheidet sich zum Teil
An der Westküste, von der dänischen Grenze bis nach Wedel sind Niederungsgebiete vorherrschend, für die das Landeswassergesetz (LWG) einen Schutz vorschreibt. Hier gibt es nach LKN-Angaben fast nur Landesdeiche.
An der Ostseeküste wechseln sich Steilküsten, höhergelegene Gebiete und Niederungen ab. Daraus ergebe sich dann die entsprechende Schutzwürdigkeit aus dem LWG, teilte das LKN mit.
Vom Aufbau her sind die Deiche an Nord- und Ostsee gleich. An der Westküste sind sie allerdings deutlich massiver und höher, weil hier die Sturmfluten auch viel höher und häufiger auflaufen, wie das LKN mitteilte.
Regionaldeiche von Sturmflut stärker betroffen
Anders als die Landesdeiche haben nicht alle Regionaldeiche an der Ostsee den Gewalten des Meeres im vergangenen Oktober standgehalten. „Land, Gemeinden und Wasser- und Bodenverbände arbeiten mit vollem Einsatz daran, unsere Ostseeküste bereit für die nächste Sturmflutsaison zu machen“, sagte Umweltminister Tobias Goldschmidt der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Die Sturmflut vor einem Jahr hat gezeigt, dass mehr Kraft in die Instandhaltung unserer Regionaldeiche fließen muss.“
Das Land hatte nach der Sturmflut entschieden, einmalig 100 Prozent der Wiederherstellungskosten zu übernehmen. Insgesamt lagen 49 Anträge zur Wiederherstellung von Küstenschutzanlagen mit einem Gesamtvolumen von 35,8 Millionen Euro vor, wie eine Ministeriumssprecherin mitteilte. 35 davon wurden bewilligt.
Zwei Anträge wurden vom Antragsteller zurückgezogen und drei Anträge abgelehnt, da es sich nicht um Küstenschutzmaßnahmen handelte. Neun Anträge sind aktuell in der Bearbeitung.
Zudem liegen dem Umweltministerium den Angaben zufolge im Kreis Schleswig-Flensburg Anträge der Wasser- und Bodenverbände Grödersby und Oehe-Maasholm sowie der Stadt Kappeln zur Übernahme von Regionaldeichen in Landeshand vor. Die ersten Gespräche zu einer möglichen Übernahme seien erfolgt. Im nächsten Schritt werden demnach individuelle Hochwasserschutzkonzepte entwickelt.
Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort
Goldschmidt betonte, dass der Meeresspiegel steigen werde „und wir uns jetzt Gedanken machen müssen, wo wir mit Landesschutzdeichen Leben, Hab und Gut schützen müssen – und wo ein natürlicher Küstenschutz sinnvoller wäre, etwa in Form von Überflutungsgebieten und anderen Formen des Küstenschutzes“.
Jede Entscheidung sei individuell und müsse in Zusammenarbeit mit den Kommunen, den Wasser- und Bodenverbänden und Menschen vor Ort erarbeitet werden.