Für manche Frauen geht es in der Hochzeitsnacht nicht um Liebe, sondern vor allem ums erste Mal. Die Sorge, nicht zu bluten, geht oft auf falsche Vorstellungen zurück. Beratungsstellen spüren das.
Mit Kampagnen und Broschüren versuchen Beratungsstellen über den „Mythos Jungfernhäutchen“ aufzuklären. Selbst in manchen aktuellen Biologiebüchern würden veraltete Darstellungen vermittelt, sagte etwa Gianna Gentili vom Stuttgarter Mädchen*gesundheitsladen. Wichtig sei ihnen, in Workshops den aktuellen Stand der Wissenschaft zu vermitteln und dass verschiedene Lebensentwürfe okay sind, solange die Betroffenen selbst so leben wollen. „Es geht um Selbstbestimmung.“
Auch die Beratungsstelle Yasemin, die sich um Mädchen und Frauen kümmert, die von Zwangsheirat und Gewalt im Namen der sogenannten Ehre bedroht sind, berichtete nach Angaben der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart: „Das Thema Jungfräulichkeit begegnet uns in Beratungen und Präventionsveranstaltungen immer wieder.“
Aufräumen mit Missverständnissen
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat festgestellt, dass der Bedarf an Aufklärungsmaterialien groß ist. „Wir bekommen momentan wieder sehr viele Anfragen von Schulen, gynäkologischen Praxen und Beratungseinrichtungen, die unsere Flyer und Broschüren zum Mythos Jungfernhäutchen anfragen“, berichtete Lena Henke, Referentin für sexuelle und reproduktive Rechte. Der Verein hat jüngst eine neue Aufklärungsbroschüre mit dem Titel „Es gibt kein Jungfern-Häutchen: Informationen zum Hymen“ veröffentlicht.
Diese räumt mit grundlegenden Missverständnissen auf: „Das Hymen hat nichts mit Jungfrau sein zu tun“, heißt es da. Es gebe kein Stück Haut, das die Vagina verschließe und reiße, wenn ein Penis eindringt. Das Hymen sei eine Art Haut-Kranz, könne unterschiedlich aussehen, manche Frauen hätten gar keines. Und: Nicht immer blute es beim ersten Sex.
„Die anatomischen Fakten sind oft nicht klar“
Dinge, die auch Jutta Pliefke von Pro Familia in Berlin immer wieder erklärt. „Die anatomischen Fakten sind oft nicht klar.“ Unter den Frauen und Mädchen seien welche aus muslimischen, aber auch streng katholischen Familien und aus unterschiedlichen Ländern. „Das ist ein Dauerthema bei uns“, sagte die Gynäkologin. Ähnlich äußerte sich Valentina Sbahi vom Familienplanungszentrum Balance in Berlin. Zu ihr kämen Mädchen und Frauen auch aus anderen Bundesländern. Viele seien in Deutschland geboren und groß geworden.