Einen Tag vor der Landtagswahl in Brandenburg fährt Regierungschef Woidke an die Oder. Dort füllen Anwohner und Feuerwehren weiter Sandsäcke. Die Hochwasserlage verschärft sich – nach dem Wahlsonntag.
Mit der erwarteten Hochwasserwelle in wenigen Tagen wächst die Anspannung bei den Menschen an der Oder in Brandenburg. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) machte sich in Frankfurt (Oder) ein Bild von den Vorbereitungen auf die Flut. Einen Tag vor der Landtagswahl besuchte er Anwohner und Feuerwehrkräfte, die Sandsäcke füllten – in einem Gebiet, das bereits beim Hochwasser 1997 und 2010 überflutet wurde. An der Uferpromenade stieg Woidke auf eine Leiter, damit er über eine installierte Schutzwand auf das Wasser schauen konnte.
„Es liegt eine Spannung in der Luft, weil der Wasserspiegel der Oder in den nächsten Tagen deutlich ansteigen wird“, sagte Woidke. „Das wird das schwerste Hochwasser wahrscheinlich seit 2010.“ Es sei nötig, mit allen zur Verfügung stehenden Kräften die Menschen und ihr Hab und Gut zu schützen.
Vorbereitungen für höchste Alarmstufe gehen weiter
Ab Montag rechnen die Krisenstäbe an der Oder mit einer ernsteren Hochwasserlage, sehen sich aber gut vorbereitet. In den darauffolgenden Tagen wird die höchste Alarmstufe 4 erwartet, sodass größere Überflutungen möglich sind.
Helfer bereiten weiter Sandsäcke vor, Schutzwände in Ufernähe sind installiert. Außerdem stehen die Wachdienste für die Kontrolle der Schutzdeiche parat. Dabei sollen vor allem auch Hochwasser-Touristen ferngehalten werden.
Woidke appelliert an Zusammenhalt und Solidarität
„Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und Solidarität wird uns auch durch diese schwierigen Tage bringen“, sagte Woidke. Brandenburg habe auch eine lange Erfahrung mit Hochwasser-Einsätzen. Zudem sei fast eine Milliarde Euro in den vergangenen Jahrzehnten in den Deichbau investiert worden.
Der Regierungschef wollte am Nachmittag noch an die Uferpromenade gehen und mit Vertretern aus der polnischen Nachbarstadt Slubice sprechen. Auch Umweltminister Axel Vogel (Grüne) war bei dem Besuch in Frankfurt (Oder) dabei.
Dort soll laut Pegelportal des Landes voraussichtlich am Dienstag die Alarmstufe 3 ausgerufen werden. Der Wasserstand soll noch weiter steigen, sodass zum späten Mittwochnachmittag hin der Richtwert von sechs Metern (Alarmstufe 4) überschritten wird.
Bei Alarmstufe 3 können einzelne Grundstücke, Straßen und Keller überflutet werden. Deichläufer sind dann im Dauereinsatz, um die kilometerlangen Schutzanlagen zu kontrollieren und Schäden zu melden. Bei der höchsten Stufe 4 geht es um die Katastrophenabwehr, dazu gehört auch die Vorbereitung von Evakuierungen. Es können größere Flächen überflutet werden – auch in bebauten Gebieten.
Landkreis Oder-Spree bereitet sich auf Höchststände über sechs Meter vor
Der Landkreis Oder-Spree verschärft zu Beginn der kommenden Woche seine Vorkehrungen gegen das Hochwasser. Landrat Frank Steffen (SPD) sagte dem Rbb-Inforadio: „Ich habe gestern auch schon angeordnet, dass wir ab Montagmorgen unter den Bedingungen der Alarmstufe 3 arbeiten.“ Dann könne bei Ratzdorf ein Pegelstand von 5,50 Meter erreicht werden. Höchststände um die 6,20 Meter – das wäre die höchste Alarmstufe 4 – erwarte er im Laufe des Dienstags. „Das ist dann schon eine ordentliche Höhe“, so der Landrat.
„Aber ich denke, dass wir solche Bilder, wie wir sie 1997 hatten, das werden wir nicht erleben.“ Es werde sicher Sickerstellen am Deich und einen Anstieg des Grundwassers hinter den Deichen geben. Aber er sei optimistisch, dass der Landkreis das gut in den Griff bekomme. Zudem sei nach der Hochwasserkatastrophe 1997 viel Geld in die Deichanlagen investiert worden. „Also ich denke, wir sind da deutlich sicherer, als das noch vor über 25 Jahren der Fall war.“
Hochwasser bedrohte 1997 das Dorf Ratzdorf
1997 drohte das Örtchen Ratzdorf bei einem Oder-Hochwasser unterzugehen. Das Dorf am Zusammenfluss von Oder und Neiße war damals nicht durch einen Deich geschützt. Das Pegelhäuschen auf einem Sockel am Oderufer, das plötzlich mitten in den Fluten stand, ist seitdem deutschlandweit bekannt. Im Juli 1997 war dort ein Stand von fast 6,90 Metern gemessen worden. Als „Deichgraf“ ist aus dieser Zeit der damalige Umweltminister und spätere Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck, in Erinnerung. Der SPD-Mann machte sich mit seiner zupackenden Art als Krisenmanager einen Namen.
An der Oder müssen sich die Menschen auf Verkehrseinschränkungen einstellen. In der Grenzregion Frankfurt (Oder) und dem benachbarten Slubice in Polen dürften Beschränkungen etwa auch an der Stadtbrücke zu spüren sein. Slubice schränkt ab Sonntagmorgen die Zufahrten für ortsfremde Menschen ein, wie die Stadt am Freitag ankündigte. Der Transitverkehr über Slubice nach Deutschland werde nicht möglich sein.
„An vielen Orten in der Gemeinde wird es Polizeistreifen geben. Die Beamten prüfen, wer die Stadt betreten darf“, hieß es. Einwohner der Gemeinde und des Kreises, die in Deutschland arbeiten wollten, könnten aber in die Stadt einreisen und die Brücke Slubice-Frankfurt überqueren. Frankfurt (Oder) und das polnische Slubice sind eng miteinander verflochten und über eine 250 Meter lange Oderbrücke miteinander verbunden.
Für die Schifffahrt ist die Oder wegen der erwarteten Hochwasserwelle in Brandenburg auf einem bestimmten Abschnitt seit Tagen gesperrt. Das geht aus einer Mittelung des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Oder-Havel hervor.