Auch temporäre Grenzkontrollen schaden einer Studie zufolge der Wirtschaft. Die Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt könnten einen zweistelligen Milliardenbetrag erreichen.
Die temporären Kontrollen an deutschen Grenzen werden die Wirtschaft nach einer Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade voraussichtlich weiter schwächen. „Die zusätzlichen Wartezeiten an den Grenzen dürfte die Transport- und Warenkosten für Importe um rund 1,7 Prozent erhöhen und damit sowohl das Handelsvolumen insgesamt als auch die Wettbewerbsfähigkeit verringern, die bei deutschen Herstellern aktuell bereits auf einem niedrigen Niveau liegt“, sagte Senior Volkswirtin Jasmin Gröschl. So zögen die Kontrollen eine Kettenreaktion nach sich: „Der Handel könnte bis zu 1,1 Milliarden Euro pro Jahr verlieren.“ Das wiederum könnte Rezessionsrisiken verstärken und zu Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt von bis zu 11,5 Milliarden Euro führen.
Deutschland hat die bereits laufenden Grenzkontrollen im Osten und Süden des Landes am Montag auf alle Landgrenzen ausgeweitet. Die Kontrollen sollen unerwünschte Migration und Kriminalität eindämmen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte versprochen, dass Pendler nicht mit größeren Verkehrsstörungen rechnen müssen.
Grenzübertritt könnte sich um 20 Minuten verlängern
Unter normalen Umständen dauert ein typischer Grenzübertritt innerhalb des Schengen-Raums nach Angaben von Allianz Trade durchschnittlich 3,34 Minuten. Mit den Kontrollen sei davon auszugehen, dass die Situation künftig ähnlich wie an den Schengen-Außengrenzen sein werde, wo ein Grenzübertritt mit stichprobenartigen Kontrollen die Reisezeit auf einer Transitroute um 20 Minuten verlängern könne.
„Durch die Verzögerungen an den Grenzen rechnen wir nicht nur mit steigenden Kosten, sondern auch mit Lieferkettenstörungen sowie mit einem Rückgang der Importe nach Deutschland um möglicherweise rund acht Prozent“, sagte Gröschl. Da etwa zwei Drittel der deutschen Importe über die Landgrenzen erfolgten, bedeute dies einen jährlichen Rückgang von bis zu 1,1 Milliarden Euro. „Mit Wegfall dieser Importe können teilweise weniger Endprodukte hergestellt werden oder die Unternehmen müssen mehr und teure Lagerhaltung betreiben, weil die Just-in-Time-Produktion der Industrie eingeschränkt ist.“
Lebensmittelbranche droht Importverlust von 62 Millionen Euro
Nach Branchen aufgeteilt dürfte der Lebensmittelbereich der Analyse zufolge mit einem Anstieg der Handelskosten von 2,6 Prozent und mit einem Importverlust von 62 Millionen Euro konfrontiert sein. Bei den Handelsdienstleistungen seien es 2,4 Prozent und Importverluste von 55 Millionen Euro sowie bei den Transportdienstleistungen ein Kostenplus von 1,8 Prozent und Importverluste von 51 Millionen Euro.
Beim Maschinenbau sowie in der Chemie- und Pharmaindustrie sei der Kostenanstieg mit 1,2 und 2,3 Prozent zwar geringer, aber durch die hohen Handelsvolumina ergebe sich dort ein erheblicher Rückgang der Importe um 147 Millionen beziehungsweise 142,1 Millionen Euro. Sehr stark betroffen sei auch der Bildungs- und Freizeitsektor. Durch die Einschränkungen im Personenverkehr mit zu erwartenden Staus würden weniger Freizeitdienstleistungen wahrgenommen, die mit einem Grenzübertritt verbunden sind, etwa Tagesausflüge oder Wochenendtrips.