Vor 70 Jahren traf Wien eines der schlimmsten Hochwasser in der österreichischen Geschichte. Doch heute ist die Stadt sehr viel besser vor den Fluten geschützt als andere.
Es ist nicht der berühmte Stephansdom, der auf diesem Foto aus dem Juli 1954 aus den Fluten der Donau ragt, aber echte Wiener erkennen auch dieses Gotteshaus sofort. Die Franz-von-Assisi-Kirche steht in der Leopoldstadt, nur ein paar Gehminuten vom Prater entfernt. Dass sie im Sommer 1954 nasse Füße bekommt, liegt an einer der größten Flutkatastrophen, die Österreich im 20. Jahrhundert getroffen haben. Disclaimer GEO Bild
„Die schöne blaue Donau hat uns eine böse Überraschung bereitet“, kommentiert der damalige Bürgermeister Franz Jonas das historische Hochwasser. Verursacht wird die Flut durch eine Wetterlage, die sich auch 70 Jahre später als verhängnisvoll erweisen wird: Ein sogenanntes Vb-Tief zieht vom Mittelmeer nach Nordosten – und bringt tagelangen Dauerregen (am stärksten betroffen ist Bayern, wo pro Quadratmeter mehr als 400 Millimeter Niederschlag fallen). Verstärkt wird die Flut durch ein anderes Phänomen, das wir ebenfalls aus den Nachrichten kennen: Der durchnässte Erdboden kann die Regenmassen nicht mehr aufnehmen.
Wien kommt im Juli 1954 glücklicherweise recht glimpflich davon. Nur einige Bereiche am Donau-Ufer werden überschwemmt, immerhin 1000 Bürgerinnnen und Bürger müssen von den Behörden evakuiert werden. Trotzdem löst die Naturkatastrophe eine Debatte aus, die das Wien von heute prägen wird. Denn nach der Flut ist vor der Flut. Wie kann sich die österreichische Hauptstadt für das nächste große Hochwasser wappnen? Das ist die Frage, die in den folgenden Jahren viele Menschen bewegt.
Die Lösung: Eine neue Insel
Im September 1969 findet der Gemeinderat die Antwort. Das Gremium genehmigt ein gewaltiges Projekt: den Bau eines zweiten Flussbetts, parallel zur Donau, über das bei extremen Wetterlagen die Wassermassen abfließen können, ohne Schaden anzurichten. Drei Jahre später beginnen die Arbeiten, 1987 sind sie abgeschlossen. Seither erstreckt sich eine mehr als 20 Kilometer lange künstliche Insel zwischen der alten und der neuen Donau.
Schon ein paar Jahre zuvor hat einer der berühmtesten Wiener eine neue große Flut prophezeit. In seinem Hit „Ganz Wien“ singt Falco: „Einmal wird der Tag kommen, die Donau außer Rand und Band, im U4 (einem bekannten Club, Anm. d. Red.) geigen die Goldfisch (…) dann lernen wir Schwimmen.“ Es kommt anders.
Denn als im September 2024 erneut ein katastrophaler Dauerregen über Österreich niedergeht, wird Wien vor dem Schlimmsten verschont. Und das liegt auch daran, dass die Verantwortlichen vor einem halben Jahrhundert die richtigen Lehren aus dem Hochwasser des Sommers 1954 gezogen haben. Im Zeitalter des Klimawandels, der immer häufigere Starkregenereignisse mit sich bringen wird, tun andere Städte gut daran, sich an Wien ein Beispiel zu nehmen.
(jote)