Kaum hat Andrè S. eine Freundin, plagt ihn die Eifersucht. Pornoartige Visionen, sie würde ihn betrügen, tauchen in seinem Kopf auf. Wie kann er dagegen angehen?
Sehr geehrte Frau Dr. Peirano,
ich bin ein krankhaft eifersüchtiger Mann. Inzwischen bin ich vierzig und zahlreiche Beziehungen mit Frauen sind aufgrund meiner Eifersucht gescheitert. Ich möchte vorausschicken, dass ich in den meisten Fällen nicht den Frauen die Schuld gebe, sondern das Problem bei mir sehe.
Ich betrachte es als krankhaft, weil eine Beziehung mit einer Frau enormen Stress in mir auslöst: überhöhter Zigarettenkonsum, Angstzustände, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten bei der Arbeit. Kurzum: Ich genieße eine Liebesbeziehung nicht. Mein Verhalten ist der Frau und mir gegenüber ungesund.
Ich möchte die Art der Eifersucht beschreiben: Sie ist rein körperlich sexuell und hochgradig visuell. Nur in Beziehungen habe ich die Fantasie, dass mich meine Frau heimlich mit einem anderen Mann sexuell betrügt. Die Fantasien sind hochgradig pornografisch, aber ich schaue kaum Pornos an. Ich kann mir vorstellen, dass es eine sehr männliche Form der Eifersucht ist, nur kann ich sie nicht kontrollieren. Ich finde keinen Weg heraus. Ich empfinde keine Eifersucht im Job oder im Freundeskreis. Dort werde ich eher als gesellig, humorvoll, erfolgreich und intelligent angesehen.
Ich wurde zum ersten Mal im Alter von 15 mit dem Gefühl konfrontiert: Damals hatte ich meine erste Freundin kennengelernt und war plötzlich mit einem Gefühl konfrontiert, dass ich bisher nicht gekannt hatte. Dies ist mir bis zum Studium mehrmals passiert. Ich wusste, dass ich auf Mädchen eine positive Wirkung aufgrund von Attraktivität etc. hatte, konnte aber aufgrund meiner Eifersucht nie eine Beziehung halten. Ich wurde fast immer verlassen. In den Zwanzigern hatte ich den Spieß umgedreht. Ich habe meine Gefühle unterdrückt. Mit dieser Verweigerung wurde ich aber am Schluss extrem beziehungsunfähig.
Mit Eifersucht zu leben ist nichts Schönes. Ich kann mich keinem mitteilen. Männer lachen mich aus und halten mich für sehr gestört, was ja auch stimmt. Bei Frauen ist es noch schlimmer: Einer guten Freundin habe ich von meinem Problem erzählt. Sie hat mich angeschrien, ob mir klar wäre, wie viele „Femizide“ es aufgrund von männlicher Eifersucht gibt. Und überhaupt gehöre es zur Freiheit der Emanzipation, dass Frauen selbstbestimmt entscheiden könnten usw. usf. All dies ist mir oft passiert.
Ich bitte um Hilfe, werde aber im Gegenzug kriminalisiert. Ich habe meine letzte Beziehung beendet, obwohl ich für diese Frau starke Gefühle hatte. Aber wegen meiner Eifersucht konnte ich vor lauter Angst am Ende nicht einmal mehr ins Büro gehen. Verzeihen Sie diesen politischen Kommentar, aber dass Männer über ihre Gefühle reden sollen, halte ich seitdem für eine gefährliche Lüge unserer Gesellschaft.
Zwei Dinge noch:
Ich bin in meinem ganzen Leben nie fremdgegangen. Vielleicht hängt das alles zusammen?Ich stalke und spioniere nicht. Diese Grenze habe ich nie überschritten, weil ich weiß, dass das keine Lösung ist.
Wissen Sie einen Rat?
Viele Grüße
Andrè S.
Lieber Andrè S.,
es hört sich sehr belastend an, dass Sie unter so starker Eifersucht leiden und dass Sie anscheinend in einem Umfeld leben, in dem Sie dafür auch noch stigmatisiert werden! Ich kann gut verstehen, dass Sie sich unverstanden und einsam fühlen.
Ich konnte mir bei Ihrer Schilderung noch kein vollständiges Bild von der Problematik machen. Das ist übrigens in Therapien auch oft so, dass es erst einmal darum geht, gemeinsam mit dem/der Betroffenen das Problem überhaupt zu verstehen. Und dazu stellt man viele Fragen.
Ich habe bei Ihnen verstanden, dass Sie seit dem 15. Lebensjahr mit allen Partnerinnen starke Eifersucht empfinden und sich fast zwanghaft vorstellen, wie Ihre Partnerin heimlich mit einem anderen Mann Sex „wie im Porno“ hat. Wovon ich mir kein Bild machen kann, ist, wie Sie mit dieser Angst in Ihren Beziehung umgehen.
Eine Sache ist es ja, bestimmte Vorstellungen, Gedanken oder Gefühle zu haben und sich das einzugestehen, auch wenn das manchmal unangenehm oder tabuisiert ist. Zum Beispiel: Ich bin ungewollt kinderlos und könnte vor Neid platzen, dass meine unsympathische Nachbarin gerade ihr drittes gesundes Kind bekommen hat und das überall herumposaunt.
Für unsere Gedanken und Gefühle sind wir nicht verantwortlich und wir können sie auch nicht direkt steuern oder unterdrücken. Das ist völlig normal. Im Gegenteil: Je stärker wir bestimmte Gedanken unterdrücken wollen, desto häufiger treten sie auf. Ich hatte eine Patientin, die den Zwangsgedanken hatte, dass sie kleine Kinder sexuell belästigen würde. Sie hatte so etwas noch nie getan und hatte auch keine Neigung dazu und verurteilte Pädophilie. Aber je stärker sie versuchte, diesen „schrecklichen“ Gedanken bloß nicht zu äußern, desto obsessiver wurde er. Bitte denken Sie jetzt einmal auf keinen Fall an einen rosa Elefanten, der auf einem Einrad fahrend Trompete spielt … (falls Sie doch daran gedacht haben: Willkommen im Club. Ich auch.)
Und hier sind wir bei der anderen Sache, nämlich unseren Handlungen. Für die sind wir sehr wohl verantwortlich und müssen irgendwie den Impuls unterdrücken, Dinge zu tun oder zu sagen, die für uns oder andere schädlich sind. Das heißt: Ich darf traurig, wütend, neidisch etc. darüber sein, dass meine blöde Nachbarin im Gegensatz zu mir Kinder bekommt. Ihr deswegen an den Haaren ziehen oder ihren Kindern etwas antun, darf ich natürlich nicht.
Nun ist meine Frage, wie Sie mit der Eifersucht in Ihren Beziehungen umgegangen sind. Vielleicht finden Sie sich in einer oder mehrerer Verhaltensweisen wieder: Ich habe Patienten und Patientinnen, die unter krankhafter Eifersucht leiden und in Endlosschleife den Partner/die Partnerin in eine Art Kreuzverhör nehmen. „Was hast du gemacht, mit wem, wieso, woher kommt der Zettel in deinem Mantel usw.“ Oder die meistens heimlich die Nachrichten auf dem Handy lesen, heimlich die Partnerin oder das Auto tracken (was eine Straftat ist) oder bestimmte Kontakte verhindern oder verbieten.
Teilweise gibt es in Beziehungen, in denen eine Teil sehr eifersüchtig ist, viel Streit und mitunter auch Tätlichkeiten oder Freiheitsberaubung. Sie schreiben nicht, wie genau Ihre Eifersucht sich in Beziehungen äußert, außer in starkem Stress für Sie selbst und letztendlich in einer Trennung. Aber was sagen Sie, was machen Sie, was machen Sie nicht? Stellen Sie sich das einmal von außen vor, so als würden Sie es im Kino sehen.
Ich kann mir vorstellen, dass die gute Freundin, der Sie das erzählt haben, selbst schlechte Erfahrungen als Opfer eines eifersüchtigen Partners gemacht hat (entweder selbst oder in ihrer Familie) und deswegen so heftig reagiert hat. Es ist sehr traurig, dass das passiert ist, denn Sie haben offensichtlich Probleme, sich anzuvertrauen, sowohl Ihrer Partnerin als auch Ihrer Familie oder Freunden, und da ist Wertschätzung und Vertrauenswürdigkeit natürlich extrem wichtig auf der Zuhörerseite!
Hier ziehe ich übrigens eine klare Unterscheidung zwischen Eifersucht, die mit dem Verhalten oder den Werten des/der Partner…in zu tun hat und Eifersucht, die ausschließlich mit mir selbst zu tun hat. Und das erfrage ich auch genau in Therapien, bei denen es um Eifersucht geht.
Grob gesagt hat meine Eifersucht nichts mit dem Verhalten meines Partners zu tun, wenn er bisher in Beziehungen immer treu war, mir gegenüber treu und loyal ist und sich an die abgesprochenen „Standards“ hält. Ein paar Beispiele: Wenn wir vereinbart haben, dass wir z.B. auch nicht schriftlich mit anderen Menschen flirten oder uns Bescheid sagen, wenn der/die Ex sich noch mal meldet, oder die Dating-App auch wirklich gelöscht haben, dann sollte das auch so praktiziert werden.
Wenn allerdings der/die Partner:in gegen die abgesprochenen Regeln verstößt oder sich gar nicht erst darauf einlässt, Regeln zu definieren („ach, das kann man alles nicht so sagen, das hängt von der Situation ab“. Oder „wenn ich Gefühle für jemanden habe, bin ich auch treu“), dann erzeugt das erst einmal Unsicherheiten beim Partner (was ist denn, wenn er nicht mehr so große Gefühle für mich hat?). Das finde ich absolut verständlich. Vergleichen Sie es mal mit einer Mietwohnung, in der der Vermieter Ihnen keinen Vertrag gibt oder sagt: Ach, vielleicht melde ich irgendwann mal Eigenbedarf an und werfe Sie raus, das habe ich schon öfter gemacht, aber ist ja halb so wild.“
Wenn solche Regelverstöße erst einmal passiert sind, fragt sich der betroffene Partner meistens, was noch alles im Busch ist und was in der Zukunft passieren wird. Meistens kommt das Gefühl dazu, nicht respektiert worden zu sein, den/die Partner:in nicht wirklich zu kennen oder auch „verarscht“ worden zu sein.
Scheinbar grundlose Eifersucht – es lohnt ein Blick dahinter
Es hört sich bei Ihrer Schilderung so an, als wenn Ihre Eifersucht grundlos wäre. Das wertet Sie aber ab, weil grundlose Probleme ja ein Zeichen dafür sind, dass man eine Schwäche hat, verrückt ist oder sich nicht im Griff hat. Ich würde eher dafür plädieren, nach den Ursachen zu suchen, denn meistens wird Verhalten als grundlos abgestempelt, wenn man die tieferliegenden Gründe noch nicht kennt. Wenn zum Beispiel in der Familiengeschichte traumatische Situationen durch Untreue oder Betrug entstanden sind, könnte das ein Grund sein, Beziehungen nicht mehr zu vertrauen. Zum Beispiel der Vater, dessen Affären totgeschwiegen wurden.
Möglicherweise ist auch Ihnen in den ersten Beziehungen etwas passiert, was Ihr Vertrauen beschädigt hat. Gerade in der Pubertät sind die Jugendlichen unsicher, sprunghaft und können ihre Gefühle oft nicht einschätzen. An einem Tag ist man verliebt, am nächsten ist es vorbei, oder man knutscht noch einmal heimlich mit einem anderen, um sich auszuprobieren.
Ich würde Ihnen raten, den Gründen für Ihre Eifersucht mit therapeutischer Hilfe auf die Schliche zu kommen, bevor Sie sich wieder auf eine Beziehung einlassen. Sie haben es oft genug erlebt, was passiert, wenn Sie dieses Problem nicht vorher klären, sondern in eine Beziehung tragen: Die Beziehung scheitert. Und das verstärkt wieder Ihren Glaubenssatz, dass Sie nicht beziehungsfähig sind, dass Beziehungen Stress sind und Sie darunter leiden müssen, und dass Sie am Ende die Partnerin wieder verlieren.
Dadurch verstärkt sich dann auch die Eifersucht, die ja eigentlich die Funktion haben soll, eine Beziehung zu schützen und zu bewahren. Gesunde Eifersucht kann ja auch den Sinn haben, problematisches und beziehungsgefährdendes Verhalten schnell zu erkennen (plötzlich zieht er sich so schick an, wenn er zur Arbeit fährt und ist stundenlang am Handy) und möglichst im Keim zu ersticken.
Ich würde Ihnen in erster Linie wünschen, dass Sie sich nicht mehr abwerten oder als Beziehungsversager (die Vorlage kam von Ihnen!) sehen. Es wäre hilfreicher, wenn Sie sich eingestehen, dass Sie professionelle Hilfe brauchen, um den Ursachen auf den Grund zu gehen, sie zu heilen und neues Verhalten und Vertrauen in Beziehungen aufzubauen.
Das ist im Rahmen einer vertrauensvollen Verhaltenstherapie gut möglich!
Herzliche Grüße
Julia Peirano