Künstliche Intelligenz: Über Grenzen – Luxemburg baut an Gesundheitswesen von morgen

Künstliche Intelligenz und digitale Techniken: Das Gesundheitswesen ist im Umbruch. Das kleine Luxemburg möchte große Herausforderungen grenzüberschreitend angehen. Und Vorreiter sein.

Es gibt bereits konkrete Projekte und große Ideen: Luxemburg will mit Partnern in seinen Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Belgien das Gesundheitswesen grenzüberschreitend voranbringen. „Wir sehen uns als kleines europäisches Labor von Gesundheitssystemen“, sagte der Präsident der luxemburgischen Krankenhausvereinigung FHL, Philippe Turk, in Strassen der Deutschen Presse-Agentur. 

Die vier verschiedenen nationalen Systeme, die in der Großregion mit rund zwölf Millionen Einwohnern aufeinandertreffen, stünden vor ähnlichen Herausforderungen: Diese reichten vom zunehmenden Einzug der Künstlichen Intelligenz (KI) im Klinikalltag über die Entwicklung von immer weiter personalisierter Medizin mit maßgeschneiderten Therapien bis hin zum Mangel an Pflegekräften und Ärzten.

Anfang Oktober kommen in Luxemburg Gesundheitsexperten aus Europa zu der Healthcare Week Luxembourg zusammen, um sich auszutauschen. „Wir haben nicht die Ambition, die großen nationalen Regelwerke in sechs Monaten umzuwandeln“, sagte Turk mit Blick auf die Großregion. Es gehe um Ideen, wie man etwa gemeinsame Forschungsprojekte anstoßen könne. Oder internationale Ausbildungen für Pflegekräfte auf den Weg bringen: „Mit einem Jahr Saarbrücken, einem Jahr Nancy und einem Jahr Lüttich“, sagte er als Beispiel.

Einzigartiges Forschungsprojekt

„Man muss jetzt wirklich anfangen, grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten“, sagte der Direktor des Luxemburger Gesundheitsinstituts, Ulf Nehrbass. Die meisten Initiativen in der Forschung bewegten sich nach wie vor auf nationaler Ebene. „Wir sind hier in der Region weiter als in anderen Ländern Europas.“ Derzeit laufe von Luxemburg aus ein großes Projekt zur Vernetzung von Datenräumen in der Großregion.

Dabei würden zig Daten von Patienten in den Kliniken in Reims, Nancy, Straßburg, Saarbrücken, Freiburg und Basel zu frequenten Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis und Multipler Sklerose erhoben. Die Daten würden standardisiert, damit sie in den verschiedenen Zentren abgeglichen und genutzt werden könnten. Mit KI sei es auf dieser Grundlage dann möglich, für Patienten jeweils bestmögliche Medikamente zu verschreiben.

Das Daten-Projekt sei in Europa einzigartig, sagte Nehrbass. „Es ist ein Leuchtturmprojekt in der Region, wo wir in Europa zum ersten Mal das Potenzial der Präzisionsmedizin tatsächlich abschöpfen.“ Die Präzisionsmedizin ist eine Form der personalisierten Medizin, bei der berücksichtigt wird, dass bei Menschen mit derselben Erkrankung unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen können. Die Daten werden genutzt, um individuell zu behandeln.

Das Projekt „Clinnova“ solle, wenn möglich, auch auf Rheinland-Pfalz und Belgien ausgeweitet werden, sagte Nehrbass. Es werde auch auf andere Krankheiten anwendbar sein. „Und es wird Patienten und Ärzten zugutekommen.“ 

Zusammenarbeit zwischen Kliniken 

Bisher gebe es zwischen den Krankenhäusern in der Großregion eine „punktuelle und nicht systematisierte Zusammenarbeit“, sagte Turk. Es gebe keinen Verbund, keine gemeinsamen Strukturen des Austauschs. „Ich glaube, das ist auch eine Diskussion, die man auf der Healthcare Week ankurbeln könnte.“ Auch bei der Frage, wie man möglicherweise gemeinsam Fachkräfte ausbilden könnte, müssten die Kliniken mitreden.

Laut Nehrbass könnte es sinnvoll sein, aufwendige und teure Anwendungen wie die Protonentherapie bei Krebserkrankungen nach Abstimmung in der Großregion an einem Ort zu platzieren. „Davon könnten dann alle Patienten in der Region profitieren.“ Denkbar sei eine regionale Lösung auch bei der einer Krebsimmuntherapie, der T-Zell-Therapie.

KI-Anwendungen

Hightech- und KI-Anwendungen seien in den Krankenhäusern bereits auf dem Vormarsch, sagte Turk. „Die werden überall einziehen. Am Bett des Patienten oder als administrative Erleichterungen für Pfleger und Ärzte bei der Erstellung von Berichten über natürliche Sprachverarbeitung oder KI zur Datenerfassung.“ KI gebe es schon, wenn sie auch noch nicht systematisch eingesetzt werde, sagte der Internist. Ziel sei es, mit diesen Anwendungen den Fachkräften die Arbeit zu erleichtern.

„Es gibt eine Menge Potenzial, dass über Anwendungen gewisse Arbeitsschritte übernommen werden“, sagte Nehrbass. Es sei nicht so, dass man Pflegekräfte einsparen wolle. „Wir haben sie nicht.“ 66 Prozent der Pflegekräfte in Luxemburg sind Grenzpendler, die Hälfte von ihnen kommt täglich aus Frankreich zur Arbeit. Ziel sei, auch mit weniger Ärzten, eine gute Versorgung für Patienten sicherzustellen. 

Dopaminpumpe am Zahn

Neue digitale Techniken könnten auch bei Parkinson helfen, sagte Nehrbass. In Luxemburg gebe es ein Projekt, wo der Patient zu Hause versorgt werden könne. Ein Schrittzähler in den Schuhen überwache, wie er sich bewege. Über eine am Zahn angebrachte Pumpe könne dann Dopamin ausgeschüttet werden, wenn der Patient es brauche. Bei Parkinson-Patienten werden, wenn Dopamin fehle, die Schritte immer kleiner.

Auch die Stimme könne mit einem digitalen Modul gemessen werden. „Damit sind wir auch am Telefon in der Lage, über Stimmanalysen genau zu sagen, wie es dem Patienten geht.“