Der DFB will jedem deutschen Nationalspieler 400.000 Euro zahlen, wenn die Mannschaft die EM gewinnt. Mit dem Geld ließe sich Sinnvolleres anstellen, findet unsere Autorin
Profi-Fußballer verdienen viel Geld, sehr viel Geld. Das wissen schon die Kleinsten. Ich bekomme das mit, weil ich jedes Wochenende auf teilweise sehr miserablen Kunstrasenplätzen irgendwo in Berlin stehe. Bei Punktspielen der E-Jugend. Mein Kind spielt Fußball. In einem Verein, der sehr viel auf Integration, Miteinander und Fairness setzt. Ich liebe diesen Verein sehr, weil so unterschiedliche Menschen dort zusammenkommen. Auch wir als Eltern. Wir müssen manchmal lachen, wenn die Zehnjährigen nach einem Tor euphorisch jubeln wie Ronaldo oder Mbappé.
Die Kinder reden viel über ihre Fußballstars: Wenn ich ihren Gesprächen lausche, höre ich, wie sie ihr Wissen über die unterschiedlichen Villen und Lamborghinis ihrer Vorbilder austauschen. Meistens enden die Ausführungen damit, dass sie genau das auch haben wollen. Die Autos, die Villen, den Swimmingpool.
Der DFB befeuert jetzt diese Träumereien. 400.000 Euro pro Nationalspieler, wenn sie den EM-Sieg schaffen. Was für eine Rekordprämie! Ausgehandelt hat das der Spielerrat mit dem DFB. Braucht es tatsächlich so einen finanziellen Anreiz, damit die Mannschaft um den Sieg kämpft? Ein Freund versuchte mich zu beschwichtigen: „Du musst wissen, die Spieler müssen vier Wochen alles geben, haben eine kürzere Regenerationszeit, können sich verletzen, tragen auch ein gesundheitliches Risiko, ich würde das als Profi auch so machen.“
Das Gefühl einer ungleichen Verteilung
Gut, dachte ich. Und dann schweiften meine Gedanken zu den deutschen Fußballfrauen: Folge ich der Logik meines Freundes, bleibt die Frage, warum nicht auch sie derart hohe Prämien bekommen. Bei der WM in Katar hätten die Frauen bei einem Sieg 270.000 Euro erhalten, die Männer 400.000, direkt von der Fifa gezahlt. Eine Extra-Zahlung vom DFB sollte es für sie nicht geben.
Die US-amerikanische Frauen-Nationalmannschaft hat lange für Equal Pay gekämpft. 2022 erstritten sie, dass sie die gleichen Prämienzahlungen bei Großturnieren erhalten wie ihre männlichen Kollegen. Immerhin etwas.
Es ist nicht so, dass ich das Geld den Spielern und Spielerinnen nicht gönne. Trotzdem bleibt das Gefühl einer ungleichen Verteilung.
Ein unbezahlter Fulltime-Job
Ich stelle mir vor, was man mit diesen insgesamt 10,4 Millionen Euro vom DFB alles machen könnte. Und denke da vor allem an die Jugendtrainer hier im Kiez, die müde nach ihrer Arbeit ein Gewusel von wilden Jungs auf dem Fußballplatz bändigen. Die versuchen, ihnen das Passen beizubringen. Nebenher noch Tränen wegwischen, wenn einer der Schützlinge eine miese Note im Ranzen hat. Oder wenn mal wieder einer nicht nach Hause will, weil es Stress mit den Eltern gibt.
Harsche Kritik an DFB-Reform im Kinder- und Jugendfußball 18.50
Um all diese Kinder kümmern sich die Jugendtrainer. Mehrmals in der Woche. Die Trainer meines Kindes machen das komplett unentgeltlich. Keiner bekommt einen Cent. Hätten sie das Training nicht übernommen, wäre das Team wahrscheinlich aufgelöst worden. Einen der beiden Trainer meines Kindes kenne ich sehr gut, wir sind dicke Freunde. Ich bekomme mit, dass das Coaching einer Kindermannschaft ein Full-Time Job ist. Wieviel Gedanken er sich um die Kinder macht! Er und viele anderen tun das, weil sie Fußball lieben und weil sie daran glauben, dass ihre Arbeit viele Kinder von der Straße holt, Kinder zusammenbringt, Teamfähigkeit schult.
Ein Vermögen von 60 Millionen Euro
Alles so Dinge, die unsere Gesellschaft wichtig findet, ich auch. Ich bin unseren Trainern dafür sehr dankbar. Doch allein in unserem Verein gibt es viel zu wenige Trainer. Hunderte Kinder stehen auf der Warteliste und warten sehnlichst darauf, auch Fußball in dem Verein spielen zu dürfen. Sie wünschen sich, dem Traum eines Fußballprofis näher zu kommen. Keine Chance. Denn wo kein Geld ist, fehlt das Personal. Die Verantwortlichen des Vereins sind deswegen ziemlich verzweifelt.
Angeblich haben die Spieler der deutschen Nationalmannschaft versprochen, dass ein Teil ihrer Prämie in die Jugendarbeit zurückfließen soll. Ich denke an Thomas Müller. Sein Vermögen wird auf 60 Millionen Euro geschätzt. Plus vielleicht noch die 400.000 Euro bei einem EM-Sieg. Was wäre es für eine Geste, wenn Spieler wie er tatsächlich ihr Versprechen halten und in die Jugendarbeit investieren! Es wäre ein wahres Vorbild.