Gericht: Erster Prozesstag gegen Zverev: Brenda Patea hat „keine Angst“

Tennisstar Alexander Zverev ist wegen Körperverletzung angeklagt. Zum Auftakt schießt sich die Verteidigung auf das angebliche Opfer ein.  

Die Frau, um die es an diesem Freitag gehen soll, bekommt die Öffentlichkeit nur kurz zu Gesicht. Brenda Patea huscht kurz vor Beginn des Verhandlungstages durch einen Gang des Berliner Gerichtsgebäudes. Gerader Blick, aufrechter Gang, Patea wirkt gefasst.  

Die 30-Jährige tritt in diesem Prozess als Nebenklägerin auf. Hier, im schmucklosen Saal B129 des Amtsgerichts Tiergarten, soll es in den nächsten Verhandlungstagen darum gehen, was in der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 2020 geschah. 

Patea wirft ihrem Ex-Freund, dem bekannten deutschen Tennisspieler Alexander Zverev, häusliche Gewalt vor. Er bestreitet das vehement. Wie so oft in solchen Fällen steht Aussage gegen Aussage. Die Tat liegt mittlerweile mehr als vier Jahre zurück. Es wird maßgeblich darauf ankommen, ob das Gericht Pateas Aussagen für glaubwürdig hält.

Zverev erscheint nicht selbst vor Gericht

Zverev, 27, muss nicht selbst vor Gericht erscheinen, er spielt derzeit bei den French Open in Paris und lässt sich an diesem Tag von seinen Anwälten vertreten. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel. Für Zverev geht es um seinen Ruf, um sportliche und finanzielle Zwangsmaßnahmen im Falle einer Verurteilung.  

Für Patea dürfte dieser Prozess ebenfalls schmerzhaft werden. Und der erste Prozesstag gibt gleich einen Vorgeschmack darauf, wie vehement Zverevs Anwälte versuchen, Pateas Aussagen zu diskreditieren und vermeintliche Widersprüche zu markieren. 

Patea war ab Oktober 2019 mit Zverev liiert. Öffentlich führten das Model und der Tennisstar eine scheinbar glückliche Beziehung. Hinter den Kulissen soll sie, angeblich geprägt von heftigen Auseinandersetzungen, schnell zerrüttet gewesen sein.

STERN PAID 48_23 Alexander Zverev häusliche Gewalt 20:15

Der Andrang ist groß an diesem Tag in Berlin, mehr als 15 Journalisten sitzen im Saal, außerdem einige Zuhörer. Der Staatsanwalt verliest jetzt den Strafbefehl, der die Grundlage für diesen Prozess bildet. In der Nacht vom 20. auf den 21. Mai zwischen 0.00 Uhr und 2.30 Uhr soll Zverev seine Lebensgefährtin im Treppenflur einer Berliner Airbnb-Wohnung nach einem „vorangegangenen heftigen Streit zwischen beiden“ gegen die Wand des Treppenflurs vor dem Appartment gedrückt haben. Dann soll er laut Strafantrag mit beiden Händen Pateas Hals umfasst und sie „kräftig“ gewürgt haben, „sodass sie Luftnot hatte und erhebliche Schmerzen erlitt“. Nach kurzer Zeit soll er von Patea abgelassen haben. Die habe daraufhin fluchtartig das Haus verlassen. Patea schilderte später bei der Polizei, sie habe „aufgrund des Drückens und Würgens anschließend Schmerzen im Hals-Nacken-Bereich und mehrere Tage lang Schluckbeschwerden“ gehabt. 

Zverev bestreitet die Vorwürfe. Für ihn gilt bis zu einer wirksamen Verurteilung die Unschuldsvermutung. 

Der Prozess wird schmutzig

Dieser erste Verhandlungstag vor dem Berliner Amtsgericht liefert vor allem eine Erkenntnis: Die Verteidigung hat keine Kosten und Mühen gescheut. Zverevs Anwälte beauftragten mehrere Gutachter, machten zahlreiche eigene Zeugen ausfindig und wollen neue Beweismittel wie Chats, Videoaufnahmen oder Kreditkartenabrechnungen in das Verfahren einbringen. Dabei zeichnet sich schon jetzt ab: Der Prozess wird schmutzig werden. 

In einer Eröffnungserklärung skizziert Zverevs Verteidiger Alfred Dierlamm seine Sicht der Dinge. Er habe im Vorfeld des Prozesses die Zeit genutzt, um mit Menschen zu sprechen, die mit dem Paar damals in Kontakt gestanden hätten, erzählt der Anwalt vor Gericht. Das Bild, das sich dabei gezeichnet habe: Patea sei es vor allem darum gegangen, „ihre Follower-Zahlen bei Instagram und TikTok“ zu steigern – um ein Jetset-Leben, Jacht-Ausflüge in Monaco, Shopping „ohne Limit“.  

Damit ist der Ton gesetzt. Die Nebenklägerin soll als berechnend und geldgierig hingestellt werden. Und als eine Person, die es mit der Wahrheit nicht immer so genau nehme. Zeugen könnten bestätigen, erklärt Dierlamm weiter, dass Patea in Zverevs Umfeld falsche Angaben zu ihrem Beruf gemacht habe. So habe sie etwa angegeben, eine ehemalige Profi-Basketballspielerin und eine vielbeschäftigte Finanzberaterin zu sein.

Zverevs Verteidiger bringen sich mit Experten in Stellung

Und so geht es weiter. „Die Beweisaufnahme wird ergeben“, sagt Zverevs Verteidiger, „dass sie gar nicht gewürgt worden sein kann.“ Mehrere Gutachten und Beweismittel würden dies im Laufe des Prozesses zeigen, kündigt er an. So existiere zum Beispiel eine Videoaufnahme, die Patea und Zverev nur wenige Tage nach der angeblichen Tat während einer gemeinsamen Autofahrt bei „lustiger Stimmung und Radiomusik“ zeigten. Auf dem Video seien keinerlei Verletzungen an Pateas Hals erkennbar. 

Die Staatsanwaltschaft hatte bei der renommierten Psychologin Renate Volbert ein so genanntes Glaubwürdigkeitsgutachten in Auftrag gegeben. Es soll klären, ob Patea Teile des Hergangs – ob absichtlich oder irrtümlich – erfunden oder zumindest dramatisiert haben könnte. Durch dieses Gutachten sieht sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage bestärkt. Volbert war am ersten Tag im Gerichtssaal anwesend, kam jedoch noch nicht zu Wort. 

Gerichtsprozess Zverev 07.17

Die Verteidigung bringt sich ihrerseits mit Experten in Stellung. Sie rüstete sich mit einem Gutachten des früheren Leiters der Charité-Rechtsmedizin, Michael Tsokos. Der sitzt an diesem ersten Tag auf der Zuschauertribüne. In dem Gutachten kommt Tsokos laut Informationen des stern zu dem Schluss, ein „Würgen“ wie von Patea geschildert hätte aus medizinischer Sicht deutliche Spuren am Hals des Opfers hinterlassen müssen: „Es ist praktisch unmöglich, dass sich der Sachverhalt wie von der Anzeigenerstatterin behauptet zugetragen hat“, heißt es in dem Gutachten. Auch Tsokos wird voraussichtlich erst im Laufe des Prozesses vor Gericht Angaben machen.  

Brenda Patea kommt nicht zu Wort 

Prozessbeobachter lernen in diesem Verfahren schon jetzt viel über Gerichts-Taktik. Zverevs Anwälte haben neben Tsokos weitere Experten beauftragt. So soll etwa ein sogenanntes forensisch-phonetisches Gutachten der Professorin Angelika Braun zeigen, dass sich Patea bei ihrer Aussage in Unstimmigkeiten verheddert haben soll. Braun analysierte unter anderem Sprachnachrichten und Tonaufnahmen eines Interviews von Patea kurz nach der mutmaßlichen Tat und verglich diese mit früheren Sprachaufnahmen des Models. Wie die Verteidigung im Gerichtssaal deutlich machte, soll die Gutachterin dabei zu dem Schluss gekommen sein, dass sich die einzelnen Werte wie Stimmhöhe, Atmung, Sprechgeschwindigkeit nach dem mutmaßlichen Würgen nicht von denen vor dem betreffenden Zeitpunkt unterscheiden.

Außerdem heuerten Zverevs Anwälte den Sprachwissenschaftler Raimund Drommel an. Er verglich Pateas Schilderungen mit denen der Tennisspielerin Olga Sharypova, die 2020 ähnliche Vorwürfe gegen ihren damaligen Partner Zverev erhoben hatte. Handelt es sich bei der Darstellung nun schlicht um eine Kopie? Zverev hatte damals auch die Vorwürfe von Sharypova vehement bestritten. Drommels Gutachten soll im Lauf des Prozesses ebenfalls Teil der Verteidigungs-Strategie sein.

Der erste Prozesstag in Berlin endet ohne einen Auftritt von Brenda Patea, sie kommt gar nicht zu Wort, dafür gibt es aber einen weiteren Antrag: Zverevs Anwälte wollen bei Pateas Zeugenaussage die Öffentlichkeit ausschließen. Sie begründen das mit dem Schutz von Persönlichkeitsrechten und der Intimsphäre ihres Mandanten und der gemeinsamen dreijährigen Tochter. Ein bisschen klingt es nach einem Verfahrenstrick: Die Verteidigung schießt öffentlichkeitswirksam gegen die Nebenklägerin. Wenn es aber um ihre Sicht geht, dann soll das besser ohne Publikum erfolgen. In den kommenden Tagen wird das Gericht darüber entscheiden. 

Vor dem Verhandlungsaal stellt sich Pateas Anwalt, Michael Nitschke, vor die Reporterkameras. „Was wir heute gehört haben, ist der Versuch, meiner Mandantin zu drohen und sie zu zermürben“, sagt er. Derartiges habe er noch nie erlebt. Nitschke sagt: „Aber sie hat keine Angst.“ 

Der Prozess soll am Montag fortgesetzt werden.