Seit Montagfrüh wird an den deutschen Landgrenzen im Norden und Westen des Landes wieder kontrolliert. Begleitet wurde dies neben Forderungen aus der Union nach noch schärferen Maßnahmen zunehmend auch von Stimmen, die vor überzogener Härte und Pauschalisierungen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik warnen.
Eine Rückkehr zu sozialdemokratischen Inhalten forderte im Berliner „Tagesspiegel“ der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration, Aziz Bozkurt. „Mauern werden keinen einzigen Kita-Platz, keine bezahlbare Wohnung und keine bessere Gesundheitsversorgung schaffen“, gab er zu bedenken. In einem Positionspapier wendet sich die AG Migration auch gegen Bezahlkarten für Geflüchtete und Leistungskürzungen für Asylbewerber.
Grundsätzlich gegen die zusätzlichen Kontrollen wandte sich die Linkspartei. „Die bundesweiten Grenzkontrollen lösen kein einziges Problem und verhindern keine einzige Gewalttat. Stattdessen führen sie zu einem massiven Anstieg von Racial Profiling, verursachen Chaos in Grenzregionen und verstoßen glasklar gegen EU-Recht“, erklärte die Linken-Migrationsexpertin Clara Bünger. Die Linke sprach von einer „wahnhaften Problematisierung von Migration“.
Zur Differenzierung mahnte Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. Gegen islamistische Straftäter müsse es null Toleranz geben, der Schutz von Menschen, die beispielsweise vor Islamisten fliehen, sei jedoch weiterhin wichtig. Lang warnte davor, bei Einreisen und Abschiebungen „nur auf die Zahlen“ zu blicken. In der Frage der Grenzkontrollen wandte sich die Grünen-Vorsitzende gegen „nationale Alleingänge“ und pochte auf den freien Reiseverkehr in der EU. Daher dürften die aktuellen Kontrollen „auf keinen Fall ein Dauerzustand sein“.
Zuvor waren Vorbehalte gegen die Kontrollen auch aus den betroffenen Regionen laut geworden. Dort werden Nachteile für grenzüberschreitende Pendlerinnen und Pendler sowie den freien Warenverkehr befürchtet.
Das Bundesinnenministerium versuchte, den Einwänden zu begegnen. „Es ist uns sehr wichtig – und auch das hat die Ministerin immer wieder betont -, dass dabei der Reise- und Pendlerverkehr, Wirtschaft und Handel so wenig wie möglich beeinträchtigt werden“, sagte eine Ministeriumssprecherin zu den neuen Kontrollen. Diese fänden „flexibel statt und je nach aktueller Lage und Sicherheitsanforderungen“.
Auch Befürchtungen eines Racial Profiling bei den Grenzkontrollen wies das Ministerium zurück – also Kontrollen etwa wegen eines fremdländischen Aussehens von Reisenden. Eine Ministeriumssprecherin betonte am Montag in Berlin, „dass eine rassistisch motivierte Durchführung von Polizeimaßnahmen überhaupt nicht akzeptabel und auch rechtswidrig“ wäre. Dies gelte auch bei Verdacht auf irreguläre Grenzübertritte.
Unionspolitiker bekräftigten unterdessen ihre Forderungen nach noch mehr Maßnahmen, um unerlaubte Einreisen zu verhindern. Allein die Kontrollen würden „nicht den Durchbruch bringen“, sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei den Sendern RTL und ntv. „Es muss eben auch zu Zurückweisungen derer kommen, die in einem anderen europäischen Land längst einen Asylantrag hätten stellen können.“
„Die dringend erforderliche Wende in der Asylpolitik wird es nur mit umfassenden Zurückweisungen geben“, erklärte auch Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU). Nur dann würden die Asylzahlen „spürbar und rasch sinken“.
Die neuen Kontrollen betreffen die Grenzen zu Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande und Luxemburg, wobei an der deutsch-französischen Grenze zuletzt bereits wegen der Olympischen Spiele verstärkt kontrolliert worden war. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums betonte aber, es gebe weiterhin „keine flächendeckenden Kontrollen“ und erst recht „keine geschlossenen Grenzen“. „Es steht nicht an jedem Grenzübergang ein Bundespolizist und hält den kompletten Verkehr an“, stellte sie klar.
An den Grenzen im Osten und Süden hatte es schon seit Herbst 2023 stationäre Grenzkontrollen gegeben, im Fall der deutsch-österreichischen Grenze sogar bereits seit 2015. Ziel der Kontrollen ist es, unerlaubte Grenzübertritte besonders von Migrantinnen und Migranten möglichst zu verhindern.