In der Schweiz sind zwei Deutsche zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Sie haben ihre schwer behinderte, dreijährige Tochter vergiftet und erstickt.
Es ist der Abend des 6. Mai 2020. Im schweizerischen Hägglingen mischen die Eltern ihrer dreijährigen Tochter Sophie Ecstasy und Schlafmittel in den Erdbeerbrei. Sie füllen das giftige Gemisch in eine Trinkflasche und füttern ihr Kind. Das Mädchen ist schwerbehindert. Sophie schluckt, speit den Brei aus, rudert mit Armen und Beinen. Daraufhin legt der Vater seinem Kind ein Geschirrtuch über das Gesicht und drückt ihm Mund und Nase zu. Die Mutter hält ihre Tochter unterdessen im Arm und legt ihre Hand auf die des Vaters. Eine Stunde dauerte der Todeskampf. So steht es in der Anklage der Schweizer Staatsanwaltschaft Bremgarten.
Warum holten sich die Eltern keine Hilfe?
Das Bezirksgericht Bremgarten hat die Eltern, zwei Deutsche, die aus Baden-Württemberg stammen, heute wegen vorsätzlicher Tötung zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Schicksal des Kindes sei traurig, die Eltern durch die Betreuung schwer belastet gewesen, sagte die Richterin. „Es ist für das Gericht nachvollziehbar, das sie am Ende waren.“ Nicht nachvollziehbar sei jedoch, dass sie ihre Tochter umgebracht hätten. Die Eltern hätten sich Hilfe holen sollen. Warum sie das nicht getan hätten, bleibe ein Rätsel.
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Auch die Großmutter war angeklagt. Sie war angeblich in die Pläne der Eltern eingeweiht. Die Frau betritt das. Tatsächlich sprach das Gericht sie frei. Dem Urteil war ein emotionaler Prozess vorangegangen. „Ich würde heute genauso entscheiden wie damals“, sagte die 32-jährige Mutter im Prozess laut NZZ. Die Neue Zürcher Zeitung hat ausführlich über den Prozess berichtet. „Ich habe meine Tochter nicht ermordet, ich habe ihr geholfen.“
Eltern zeigten keine Reue
Auch der 34-jährige Vater des Kindes sagte: „Ich fühle mich weder skrupellos noch als Mörder.“ Tochter Sophie litt unter einer Zerebralparese, das ist eine Fehlbildung des Gehirns. Das Kind konnte nicht sprechen, nicht gehen, nicht schlucken. Sie hatte starke Schmerzen, war kaum in der Lage zu essen, litt unter spastischen Anfällen. Vor Gericht zeichneten die Eltern das Bild einer zwar von Schicksal gebeutelten, aber glücklichen Familie. Sie hätten alles versucht, um ihrer Tochter das Leben erträglicher zu machen. Doch irgendwann, so verteidigten sich die Eltern vor Gericht, hätten sie das Leid ihrer Tochter nicht mehr mitansehen können.
Staatsanwaltschaft in der Schweiz spricht von skrupellosem Mord
Die Staatsanwaltschaft glaubte Vater und Mutter nicht. Sie forderte 18 Jahre Haft. Die Strafverfolgungsbehörde wertete die Tat als grausamen, heimtückischen Mord. Die Eltern seien genervt und gestresst gewesen. Sie hätten ihre behinderte Tochter loswerden wollen. Dafür spreche, dass sie sich nicht um das Wohl ihrer Tochter gekümmert hätten. Sie hätten dem Kind, obwohl die Operation dafür angesetzt gewesen sei, keine Magensonde einsetzen lassen. Auch eine Fremdbetreuung hätten sie abgelehnt. Die Eltern seien „besonders skrupellos“ vorgegangen. Die Tat sei von „extremer Geringschätzung des Lebens des Opfers“ geprägt gewesen. „Die grausame und heimtückische Ausführung“ der Tat sei „besonders verwerflich“ gewesen. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Eltern schon vorher versucht haben, ihr Kind umzubringen.
Am Morgen nach der Tat riefen die Eltern den Notruf. Ihr Kind liege leblos im Kinderbett. Hofften sie, dass die Behörden den Tod des behinderten Mädchens nicht untersuchen würden? Bei der Vernehmung gestanden die Eltern, ihre Tochter getötet zu haben. Vor Gericht beteuerten sie, die Tat sei zwar das Beste fürs Kind, nicht aber für sie gewesen. Sie hätten ihre Tochter über alles geliebt und würden sie vermissen.
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Die Anwälte der Eltern hatten eine Verurteilung von drei Jahren wegen Totschlags gefordert. Sie betonten, dass die Eltern die Tat in einem seelischen Ausnahmezustand begangen hätten. Das Urteil des Gerichts liegt deutlich über der Forderung der Verteidigung, aber weit unter der der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.