Im Alter von 25 Jahren: Männer sabotierten sie, trotzdem wurde Melli Beese Deutschlands erste Pilotin

Als Amelie Hedwig Beese beschloss, Pilotin zu werden, bekam sie Gegenwind von männlichen Kameraden. Trotz vieler Widerstände wurde sie die erste Frau in Deutschland mit Fluglizenz.

Amelie Hedwig Beese wird am 13. September 1886 in Dresden-Laubegast als Kind wohlhabender Eltern geboren. Ihre Mutter ist die Tochter eines Radeberger Stadtrates und Bäckereibesitzers, ihr Vater ein namhafter Architekt. Die beiden ermöglichen ihrem einzigen Kind ab Herbst 1906 ein Studium der Bildhauerei an der Königlichen Akademie der Freien Künste in Stockholm, da es in Deutschland zu jener Zeit für Frauen noch keine Ausbildung in diesem Fach gibt. 

Nach ihrer Rückkehr belegt sie ab 1910 am Technikum Dresden (heute „Technische Universität“) als externe Hörerin Vorlesungen in Mathematik, Mechanik, Schiffbau und Flugmechanik. Mit heißem Interesse liest sie Presseberichte über Flugexperimente und ihr wird klar: Sie will Pilotin werden.

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Ihr Vater unterstützt sie auch in diesem Wunsch und finanziert ihr eine Flugausbildung. Doch die Suche nach einer passenden Schule gestaltet sich schwierig: Zwei Flugschulen schicken sie weg, erst die dritte – die „Ad Astra Flug G.m.b.H.“ – nimmt sie 1910 auf. Ihr Fluglehrer Robert Thelen ist allerdings höchst skeptisch. Er erfindet Vorwände, um den Unterricht mit ihr zu verhindern. Als bei einem Übungsflug am 12. Dezember eine Antriebskette von der Motorwelle springt und der Flieger abstürzt, ist das für ihn ein willkommener Anlass, um die Ausbildung zu beenden. Beese zieht sich bei der Bruchlandung einen fünffachen Beinbruch und mehrere Rippenbrüche zu. Es braucht Monate, bis sie sich wieder erholt.

Melli Beese kämpft mit dem Missgunst männlicher Konkurrenz

Doch Beese gibt nicht auf und sie sucht sich eine neue Flugschule. Die findet sie Anfang Juli 1911 in der Schule der Rumpler-Werke in Berlin Johannisthal. Der Flugplatzdirektor erhofft sich durch die erste fliegende Frau, die er bei seinen Shows präsentieren könnte, einen großen Zuschaueransturm. Doch auch ihr neuer Fluglehrer Hellmuth Hirth hat seine Bedenken. Er glaubt nicht, dass Frauen in Flugzeugen „etwas Großes leisten“ können, wie er in seinem Buch „20.000 Kilometer im Luftmeer“ schreibt. „Die ganze Sache wird von ihnen lediglich als Sensation aufgefasst und dient dem Publikum nur zur Belustigung.“

Ihr zu Ehren heißt die Straße zum Flughafen BER in Schönefeld heute „Melli-Beese-Ring“

Und so zieht sich Beeses Ausbildung hin. Immer wieder sitzen plötzlich Männer auf dem Pilotensitz, obwohl sie für die Flugstunde eingetragen ist. Alle männlichen Schüler werden ihr vorgezogen und schafft sie es doch einmal hinters Steuer, hat das Flugzeug meist einen Defekt. „Bald waren ein paar Zündkerzen gegen verrußte ausgetauscht, bald das Benzin bis auf einen geringen Rest abgelassen worden, sodass ich (…) schleunigst notlanden musste“, notiert Beese später in ihren Erinnerungen. Auch erinnert sie sich, dass sie für fünf kurze Schulflüge anderthalb Monate braucht.

Am 13. September 1911, ihrem 25. Geburtstag, organisiert Beese externe Zeugen und nutzt die Abwesenheit ihrer missgünstigen Mitschüler, um unbemerkt in den frühen Morgenstunden ihre Pilotenscheinprüfung abzulegen. Als erste Frau in Deutschland erhält sie schließlich ihren Pilotenschein mit der Lizenznummer 115 und ist damit der 115. Mensch, der in Deutschland offiziell ein Flugzeug fliegen darf. Ab da fliegt sie regelmäßig bei Wettbewerben und Flugschauen, stellt verschiedene Langflug- und Höhenrekorde für Frauen ein. Bis zum Ersten Weltkrieg bleibt sie eine von weltweit 34 Pilotinnen mit Flugberechtigung. Bei den Johannisthaler Herbstflugwochen stellt sie schon zwei Wochen nach Erhalt ihrer Pilotenlizenz einen neuen Rekord in Höhen- und Dauerflug für weibliche Piloten mit Passagier auf: Sie steigt auf 825 Meter bleibt zweieinhalb Stunden in der Luft.

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Der Krieg und das Flugverbot stürzt sie in den finanziellen Ruin

1912 gründet sie zusammen mit ihrem französischen Mann, ihrem ersten Flugschüler und späteren Piloten Charles Boutard, die „Flugschule Melli Beese GmbH“. Dort ermöglicht sie erstmals Schülerinnen theoretische und praktische Arbeit (Reparatur am Flugzeug) und eine schnelle Ausbildung. Zudem konstruiert und baut sie selbst Flugzeuge, die sie für 12.000 Mark zum Kauf anbietet. Und sie meldet mehrere Patente an für verschiedene Flugzeugtypen. 

Während ab dem 1. April 1913 einige Flugschulen militärdiensttaugliche Schüler ausbilden dürfen, bemüht sich Beese vergebens um diese Einnahmequelle. Bei Kriegsausbruch muss sie dann ihre Flugzeugfabrik und Schule schließen und darf den Flugplatz nicht mehr betreten. Beese, die nach der Heirat die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, gilt nämlich wie ihr Ehemann fortan als „feindliche Ausländer“. Fliegen dürfen zudem nur noch Männer im Kriegseinsatz.

Nach dem Krieg ist das Ehepaar finanziell ruiniert, wird von Beeses Mutter unterstützt, da der Bau und Betrieb von Flugzeugen in Deutschland nach dem Versailler Vertrag 1919 verboten ist. Eine Klage wegen Entschädigungskosten in Höhe von 80.000 Mark gegen die Regierung zieht sich über Jahre. Durch die Inflation geht jedoch ein Teil der ausgezahlten Schadensersatzsumme verloren, weiteres Geld verliert das Paar durch die Investition in ein betrügerisches Automobilunternehmen. Ein Plan der beiden, mit zwei Flugzeugen um die Welt zu fliegen, scheitert an fehlenden Geldgebern.

1925 zerbricht die Ehe. Beese erkrankt schließlich an Depressionen und wird schwer morphiumabhängig. Weil sie den Anschluss als Pilotin verloren hat und sich die Flugtechnik während des Krieges rasant weiterentwickelte, versucht sie vergeblich, ihre Fluglizenz zu erneuern. Aller Lebensmut schwindet. Am 21. Dezember 1925 begeht Melli Beese im Alter von 39 Jahren Suizid.

Suizid-Disclaimer

Sehen Sie im Video: Ferry-Pilotin Margrit Waltz fliegt regelmäßig ganz alleine tausende Kilometer über den Atlantik. Und das in einer Propellermaschine mit nur einem Motor. Ihr Job ist es, mehrere Millionen Euro teure Kleinflugzeuge zu Kunden in aller Welt zu fliegen.

Quellen: Deutsches Patent- und Markenamt, TH Lübeck, Deutsches Museum