Dokumentation: Petra Kellys Erbe – was die Grünen-Gründerin der Gen Z zu sagen hat

Sie war anders, besonders, großartig – und vor allen Dingen echt: Petra Kelly. Ein neuer Film über das Leben der früh gestorbenen Ikone der Friedensbewegung kommt jetzt ins Kino.

Als Petra Kelly 1983 das erste Mal vor dem Bundestag sprach, hockte vor ihr eine Versammlung bauchiger Anzugträger. Da zitterte ihre Stimme, so fremd fühlte sie sich. Für die Grünen-Mitbegründerin mit den stets müden Augen – die reden konnte wie wenige – blieb die Straße der Ort, an dem Geschichte gemacht wurde. Sie war Aktivistin, als es das Wort noch nicht gab. Eine Ikone der Friedens- und Frauen- und Anti-Atomkraft-Bewegung. Die Regisseurin Doris Metz, die Kelly schon in den Achtzigerjahren bewunderte, hat nun einen Film über sie gedreht. „Act Now!“ kommt diese Woche ins Kino.

Ein Roadtrip in die Achtziger

Wer auf eine kritische Auseinandersetzung hofft, wird trotz der klugen Interviews mit vielen Wegbegleitern enttäuscht werden. Wer die Stimmung aufsaugen will, in der viele der inzwischen ergrauten Boomer geprägt wurden, der ist bei „Act Now!“ genau richtig. Es geht um Protest, Ungehorsam gegenüber den Mächtigen, um ein anderes Leben. „Die Mächtigen müssen spüren, dass wir untereinander loyal sind und nicht den Militärblöcken gegenüber“, sagt Kelly 1981 vor Hunderttausenden auf der großen Demo im Bonner Hofgarten. Da ist sie schon ein Star, über Deutschland hinaus. 

Petra Kelly verliebt sich in den kreuzbürgerlichen Ex-General Gert Bastian, der inzwischen grünalternativ denkt, aber weiter unglaubliche Krawatten trägt. Unangepasst ist sie in alle Richtungen – auch in die der Otto Schilys und Joschka Fischers, die in der neuen Partei „Die Grünen“ große Macker sind. 

Petra Kelly allein gegen die Macht-Männer

Eine Frau stellt die Machtfrage. Das löst damals wie heute Aggressionen aus, wie im Film die selbst betroffene Luisa Neubauer erklärt. Die Klimaaktivistin fühlt sich der fast ein halbes Jahrhundert älteren Kelly nah. Was die wohl heute tun würde? Wäre sie bei Fridays for Future? Bei der letzten Generation? Würde sie der Zivilgesellschaft Beine machen gegen neue Nazis? 

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Metz hat wunderbares Material zusammengetragen, das auch Kellys Jugendjahre in den USA zeigt, ihr Engagement für Robert Kennedy im Wahlkampf 1968 und gegen den Vietnamkrieg. Als Teenager war sie mit ihrer Mutter, die einen amerikanischen Soldaten geheiratet hatte, in die USA gekommen. Schon auf den alten Bildern und im Interview mit ihrem Halbbruder John ist Kelly als Kämpferin zu erkennen, die nichts mehr fürchtet als Kompromisse. In Brüssel, wo sie später bei der Europäischen Gemeinschaft gearbeitet hat, bleibt sie eine Außenseiterin – mit dieser Art von Macht will sie nichts zu tun haben. Kelly erzählt, wie frauenfeindlich der männerdominierte Laden sei. 

Gewaltfreier Kampf mit Kopf und Herz

Petra Kelly wäre heute 76 Jahre alt. Sie starb mit 44 – erschossen von ihrem Lebensgefährten Bastian, der anschließend sich selbst tötete. Ob es Mord war oder sie auch sterben wollte, bleibt ungewiss. Ihre politischen Urteile scheinen gelegentlich diffus und zweifelhaft – etwa, wenn sie bei ihrer tiefen Verbeugung vor den DDR-Bürgerrechtlern sagt, sie glaube nicht, dass die Bewegung im Westen schaffen würde, was im Osten gelungen sei: „Ihr seid ein Stück voraus.“ Aber „Act Now!“ zeigt, was diese außergewöhnliche Frau hinterlassen hat: Eine Aufforderung, sich zu wehren. Kämpfen, das konnte sie. Sie nutzte dazu, wie Metz zeigt, den Kopf und das Herz, aber niemals Gewalt.