Eine Schülerin verschwindet – und wird kurz darauf tot aufgefunden. Mithilfe von „Aktenzeichen XY … ungelöst“ will die Polizei den jahrzehntealten Mordfall jetzt aufklären.
Eigentlich will sich der Mann nur die Beine vertreten, als er mit seinem Auto am Wanderparkplatz „Wolkenbruch“ hält. Es ist der 30. März 1979, ein Freitag. Der Parkplatz liegt in der Grenzregion von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz an einer Landstraße zwischen Scheuren und Bad Münstereifel. Sie führt kilometerlang durch tiefe Wälder, nur hier und da gibt es ein paar Gehöfte am Straßenrand. Der Mann steigt aus seinem Auto, spaziert los – und macht einen schockierenden Fund: die Leiche einer Jugendlichen.
Am Mittwochabend davor wartet Claudia Wilbert in der Nähe ihrer Schule am Stadtpark nach einer Feier auf ihren Bruder. Die Schülerin ist 17 Jahre alt, wird in wenigen Wochen volljährig. Blonde, wellige Haare, rundes Gesicht, eine Brille mit rotbraunem Gestell, die Buchstaben O und F auf dem rechten Brillenbügel eingraviert. Die Jugendliche aus der Gemeinde Berg im Landkreis Ahrweiler geht auf eine Internatsschule in Rheinbach bei Bonn. Um 22.10 Uhr steigt sie zu einem jungen Mann in ein helles Auto. Aber hinter dem Lenkrad sitzt nicht ihr Bruder. Zwei Tage später findet der Autofahrer aus Bad Godesberg rund zehn Kilometer von der Schule entfernt am Parkplatz „Wolkenbruch“ die Leiche von Claudia Wilbert.
Mordfall Claudia Wilbert bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“
Die alarmierte Polizei beginnt ihre Arbeit. Spuren sichern, Leichnam untersuchen, Zeugen befragen. Schnell steht fest: Das Mädchen wurde durch „stumpfe Gewaltanwendung auf Kopf und Halsbereich“ getötet, wie Zeitungen seinerzeit notieren. Die Tote ist komplett bekleidet. An ihren Handgelenken finden sich Spuren einer Fesselung. Hinweise auf ein Sexualdelikt gibt es nicht.
Und es kommt heraus: Nur 30 Minuten bevor die Getötete am Stadtpark von Rheinbach zum letzten Mal von Zeugen gesehen wurde, bemerkte eine Mitschülerin einen verdächtigen Mann. Er habe ihr nachgestellt, sei mehrmals an ihr vorbeigefahren und ihr sogar bis an die Haustür gefolgt. Andere Zeugen bestätigen das. War der Mann auf der Suche nach einem Opfer? Ist das die heiße Spur, die zum Mörder von Claudia Wilbert führt?
Die Polizei ermittelt. Tagelang. Wochenlang. Monatelang. Aber die Beamten finden keine entscheidenden Hinweise. Auch eine Belohnung für die Ergreifung des Täters bringt keinen Durchbruch. Es werden immerhin 3000 D-Mark ausgesetzt, was einem heutigen Geldwert von 4.000 Euro entspricht.
Irgendwann finden sich keine neuen Spuren mehr, keine neuen Ansätze, denen die Ermittler nachgehen könnten. Der Fall kommt zu den Akten. Aber: Mord verjährt nie. Routinemäßig werden die Akten von Mordfällen immer wieder hervorgeholt und abgeklopft. Gibt es neue Spuren oder neue technische Möglichkeiten? Die DNA-Analyse ist so eine neue Möglichkeit. Unzählige, teils jahrzehntealte Taten konnten durch sie schon aufgeklärt werden. Aber im Fall von Claudia Wilbert hilft auch sie nicht weiter. Der Täter ist weiter auf freiem Fuß. Bis heute.
Erneut wird eine Belohnung ausgesetzt
Nun, 45 Jahre später, unternehmen die Mordermittler der Bonner Polizei einen neuen Anlauf. Sie haben wieder Hoffnung, den Tod des Mädchens doch noch aufzuklären – und den Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Und sie nutzen die neuen Möglichkeiten der Öffentlichkeitsfahndung, wollen Millionen Menschen erreichen. Der Fall Claudia Wilbert wird am Mittwochabend um 20.15 Uhr in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ präsentiert.
Die Beamten stützen ihre Hoffnung vor allem darauf, dass weitere Personen Ende der 1970er- oder Anfang der 1980er-Jahre in der Tatregion negative Erfahrungen mit einem Autofahrer gemacht haben. Dass sie angesprochen, verfolgt, bedroht, vielleicht sogar angegriffen wurden.
Zentral sind für die Ermittler auch Angaben zu dem hellen Auto und dessen Fahrer: Das Kennzeichen soll mit den Buchstaben „EU“ (Kreis Euskirchen) angefangen haben. Der Wagen habe Ähnlichkeiten mit einem Renault 6 gehabt. Möglicherweise handelte es sich aber auch um einen Peugeot 104, einen VW Golf, einen Opel Kadett oder einen anderen Kleinwagen. Der Tatverdächtige soll etwa 1,75 Meter groß und damals zwischen 20 und 30 Jahre alt gewesen sein. Inzwischen wäre er demnach etwa Mitte 60 bis Mitte 70.
So oder so ähnlich soll das Auto des Mörders von Claudia Wilbert ausgesehen haben
© Renault Deutschland / Bundeskriminalamt
Für die Aufklärung des Falles und die Festnahme eines Täters haben die Behörden eine Belohnung von 2000 Euro ausgesetzt. Hinweise nimmt das Polizeipräsidium Bonn unter der Telefonnummer (0228) 73451 entgegen – zur Not aber auch jede andere Polizeidienststelle. Während und nach der Sendung ist außerdem ein ZDF-Hinweistelefon unter (089) 950195 geschaltet.
„Aktenzeichen XY … ungelöst“, ZDF, Mittwoch, 11. September, 20.15 Uhr
Quellen: Bundeskriminalamt, Polizeipräsidium Bonn, „Rhein-Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“ vom 2. April 1979, Nachrichtenagentur DPA