Die Migrationsgespräche sind gescheitert. Im Bundestag machen sich beide Seiten gegenseitige Vorwürfe. Es gibt aber auch eine ausgestreckte Hand.
Nach den gescheiterten Migrationsgesprächen zwischen Regierung und Opposition haben sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Union im Bundestag gegenseitig schwere Vorwürfe gemacht. In der Generaldebatte der Haushaltswoche warf der Kanzler CDU und CSU „Sprücheklopfen“ und „Theateraufführungen“ in der Migrationspolitik vor. Gleichzeitig machte er ihr aber das Angebot, die Gespräche doch noch fortzusetzen. „Die Tür ist nicht zu.“
Zuvor hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt für die Union Scholz und dessen Ampel-Regierung vorgeworfen, mit ihrer Migrationspolitik den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland zu gefährden. Mit der Weigerung, eine umfassende Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen zu ermöglichen, handelten Scholz und die Ampel respektlos vor den Sorgen der Bürger. „Diese Verweigerungshaltung ist eine Kapitulation gegenüber der Überforderung unserer Kommunen, unserer Schulen, der Sicherheitslage in unserem Land“, rief der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten.
Die Ampel-Regierung hatte in der vergangenen Woche und am gestrigen Dienstag Gespräche mit Union und Ländern über ein mögliches gemeinsames Vorgehen in der Migrationspolitik geführt. CDU-Chef Friedrich Merz hatte sie nach der zweiten Runde für gescheitert erklärt. Die Koalition sehe sich offensichtlich nicht zu umfassenden Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Staatsgrenzen in der Lage, sagte er. „Damit ist der Versuch gescheitert, einen gemeinsamen Weg zu gehen.
Scholz: „Sie haben sich in die Büsche geschlagen“
Scholz kritisierte den Abbruch der Gespräch scharf. „Sie haben sich in die Büsche geschlagen“, rief er in seiner kämpferischen Rede und griff Merz persönlich an. „Sie sind der Typ von Politiker, der glaubt, mit einem Interview in der „Bild am Sonntag“ hätte er schon die Migrationsfrage gelöst“, tobte der SPD-Politiker am Podium des Parlaments. Kaum habe Merz die Redaktionsräume verlassen, habe er aber schon vergessen, was er vorgeschlagen habe. „Weil Sie niemals vorhatten, sich darum zu kümmern.“
Seine Ampel-Koalition habe dagegen die „größte Wende im Umgang mit irregulärer Migration“ vollbracht. Unter anderem verwies Scholz auf die Beschleunigung von Abschiebungen, das Sicherheitspaket der Bundesregierung, das an diesem Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird, sowie auf das geplante gemeinsame europäische Asylsystem. „Nicht motzen, sondern handeln und anpacken. Das ist die Devise“, sagte Scholz.
Dobrindt redet zuerst: „Koalition des Abstiegs“
Die Generaldebatte wurde überraschenderweise von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eröffnet. Die größte Oppositionspartei hat traditionell das erste Rederecht. Merz ließ Dobrindt den Vortritt und verschaffte sich so die Möglichkeit, auf Scholz reagieren zu können. In früheren Generaldebatten redete Scholz nach Merz und nutzte das, den Oppositionsführer hart zu attackieren, ohne dass der dann noch darauf antworten konnte.
Dobrindt nutze seine Rede zur Generalabrechnung mit der Ampel. Sie sei „keine Koalition des Fortschritts, sondern eine Koalition des Abstiegs in diesem Land“, sagte er. „Die Menschen haben diese Ampel-Ausreden satt“, kritisierte der CSU-Landesgruppenchef und ergänzte, die Menschen hätten „verstanden, wer bei Ihnen Führung bestellt, der wird nur Ausreden bekommen. Aber das gefährdet die Sicherheit und die gesellschaftlichen Frieden in unserem Land.“
Weidel nennt Scholz „Kanzler des Niedergangs“
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel nannte Scholz „Kanzler des Niedergangs“. Die Bürger würden mit Alibipolitik und Migrationsgipfeln beschwichtigt, kritisierte Weidel, die direkt nach Scholz redete. Sie forderte, „illegale Migranten gar nicht erst ins Land zu lassen“, sondern die Grenzen zu schließen und jeden zurückzuweisen, der ohne Rechtsanspruch und ohne Papiere nach Deutschland wolle.
Lindner fordert Migrationsgipfel auf Spitzenebene
Wie es in der Migrationspolitik nun weitergeht, ist offen. FDP-Chef Christian Lindner fordert einen neuen Anlauf auf höchster Ebene. Unionsfraktionschef Friedrich Merz sollte mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und ihm selbst persönlich verhandeln, schrieb Lindner auf der Plattform X. „Die Absage der Union an den Asylgipfel darf nicht das letzte Wort sein.“ Er fügte hinzu: „Wir werden gemeinsam das Problem lösen.“ Deutschland brauche Kontrolle und Konsequenz bei der Migration.
Scholz bekräftigt Aufruf zu weiterer Friedenskonferenz
Die Generaldebatte über den Kanzleretat ist der Höhepunkt der ersten Beratungen über den Etat 2025, der am Dienstag in den Bundestag eingebracht wurde. Migration war das bestimmende Thema in der Debatte, die traditionell zur Aussprache über die Regierungspolitik insgesamt genutzt wird. Es ging aber auch um Außenpolitik. Scholz wiederholte seinen Aufruf, eine weitere Friedenskonferenz für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine abzuhalten – mit Moskau am Tisch. „Jetzt ist der Moment, jetzt ist die Zeit, wo wir ausloten müssen, welche Möglichkeiten sich ergeben“, sagte der SPD-Politiker.