Schweigegeldprozess: Jury spricht Donald Trump in allen 34 Anklagepunkten schuldig

Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten wird ein ehemaliger US-Präsident strafrechtlich verurteilt. Ob das historische Urteil Trump bei der Wahl im November schadet, bleibt offen.

Im historischen Schweigegeldprozess gegen Donald Trump ist der frühere US-Präsident in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. „Sie haben diesem Fall die Aufmerksamkeit geschenkt, die er verdient“, sagte am Donnerstag der Richter Juan Merchan zu den Geschworenen. Trump ist damit der erste strafrechtlich verurteilte ehemalige US-Präsident der Geschichte. Vor dem Gerichtssaal nannte er das Urteil in einem kurzen Statement „eine Schande“. STERN PAID 22_24 Trump Prozess 6:16

Donald Trump für schuldig befunden: Berufung des Ex-US-Präsidenten erwartet

Trump nahm den Schuldspruch ohne Emotionen und mit geschlossenen Augen auf. Das Strafmaß soll am 11. Juli bekanntgegeben werden. Dem 77-jährigen Trump drohen theoretisch eine bis zu vier Jahre lange Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. 

Es wird erwartet, dass er Berufung einlegen wird. Trump war vorgeworfen worden, vor der Wahl 2016 Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen in Höhe von 130.000 Dollar an den Pornostar Stormy Daniels gefälscht zu haben. Sein persönlicher Anwalt Michael Cohen hatte Daniels das Geld gegeben, um eine Enthüllung über eine mutmaßliche sexuelle Affäre 2006 zu verhindern. Trump hat eingeräumt, Cohen das Geld zurückgezahlt zu haben. Der Präsidentschaftsbewerber hat aber die Vorwürfe in dem Prozess zurückgewiesen und von einem politisch motivierten Verfahren gesprochen. Eine Affäre mit Daniels dementiert er. 

Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dadurch habe er sich der illegalen Wahlkampf-Finanzierung in 34 Fällen schuldig gemacht. Trumps Anwälte hatten argumentiert, es habe sich um gewöhnliche Anwaltshonorare gehandelt.

Dazu hatten die sieben Männer und fünf Frauen der Jury seit Mitte April die Aussagen von mehr als 20 Zeuginnen und Zeugen angehört – die Beratungen der Geschworenen liefen seit Mittwoch. Donald Trump Prozess in Gerichtszeichnungen 22.26

Urteil mit Einfluss auf den Wahlkampf

Das Urteil dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken – die Frage dabei ist aber: wie stark und zu wessen Vorteil? Trump versucht den Fall in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert. Die erste strafrechtliche Verurteilung eines ehemaligen US-Präsidenten dürften viele Wähler jedoch als Schande verstehen. 

Amtsinhaber Joe Biden wiederum, der im November wiedergewählt werden möchte, scheint von der Prozessarie gegen seinen Herausforderer bislang nicht erkennbar zu profitieren. Neueste Umfragen deuten eher darauf hin, dass das Urteil für viele Amerikaner wenig an ihrer Wahlentscheidung für den 5. November ändern dürfte. Einfluss könnte aber das Strafmaß haben – vor allem für den eher unwahrscheinlichen Fall einer Haftstrafe.

Der Prozess fand unter beispiellosem medialem Interesse und strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Downtown Manhattan statt. US-Medien hatten das Ereignis in Manhattan begleitet wie ein großes Sportereignis und aus dem Gerichtssaal, in dem keine TV-Aufnahmen erlaubt waren, im Minutentakt zitiert. Dabei wurde auch jede Regung Trumps kommentiert, der bei den Sitzungen stets anwesend war und eigentlich nur die Farbe seiner Krawatte von Tag zu Tag variierte.

Politisches Schaulaufen im Gerichtssaal 1530

Für den kurzen Fototermin zu Beginn der Sitzung setzte Trump regelmäßig ein grimmiges Gesicht auf. Einige Zeugen-Befragungen schien Trump interessiert zu verfolgen, an anderen Tagen waren sich US-Medien sicher, dass er die Augen über längere Zeit geschlossen hielt, weil er eingedöst war. Er nutzte den Prozess und den Medienauflauf dabei für den Wahlkampf und monologisierte vor Gerichtssaal 1530 häufig wütend über das seiner Meinung nach politisch motivierte Verfahren. 

Zudem verwandelte Trump den Prozess in einen Loyalitätstest für seine republikanische Gefolgschaft. Neben dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson kamen auch Bewerber für das Amt des Vize-Präsidenten wie Senator J.D. Vance und Geschäftsmann Vivek Ramaswamy angereist. Auch Trumps Kinder Eric, Donald Junior und Tiffany waren im Gerichtssaal. Neben der Abwesenheit von Tochter Ivanka fiel aber vor allem auf, dass Ehefrau Melania Trump ihre öffentliche Unterstützung verweigerte.

„Verschwörung“ im Trump-Tower

Die Anklage stellte den Fall, bei dem es im Kern eigentlich um gefälschte Rechnungen und Schecks ging, als eine „Verschwörung“ zur illegalen Beeinflussung der US-Präsidentenwahl 2016 dar. Trumps Anwalt Michael Cohen und der Herausgeber eines Boulevardblattes, David Pecker, sollen bei einem Treffen mit dem damaligen Präsidentschaftsbewerber damit beauftragt worden sein, unvorteilhaften Gerüchten über angebliche Seitensprünge Trumps nachzugehen – und Medienberichte darüber zu unterdrücken. Dies sollte seine Chancen bei der Wahl verbessern.

In der Folge des Treffens im Trump-Tower floss Geld für die Rechte an mehreren Geschichten, bei denen es um außerehelichen Sex Trumps ging. Zudem kam es zur Schweigegeld-Zahlung an Daniels. Staatsanwalt Joshua Steinglass sagte, dieses „Komplott“ könnte „durchaus dazu geführt haben, dass Präsident Trump gewählt wurde“.So arbeitet die Jury im Trump-Prozess 17:06

Lügner als entscheidender Zeuge – Pornostar mit Details

Trumps Verteidigung beteuerte derweil dessen Unschuld und säte Zweifel an dem Narrativ der Staatsanwaltschaft. Dabei griff sie die Glaubwürdigkeit von Kronzeuge Cohen scharf an. Der 57-Jährige war gleichzeitig auch die größte Schwachstelle der Staatsanwaltschaft – wegen seiner langen Historie öffentlich verbreiteter Unwahrheiten und Falschaussagen. Trump-Anwalt Todd Blanche bezeichnete Cohen in seinem Schlussplädoyer als „größten Lügner aller Zeiten“. Die Anklage wiederum setzte alles daran, die Aussagen ihres wichtigsten Zeugen so weit wie möglich mit Dokumenten, Schecks, Telefondaten oder andere Aussagen zu stützen.

Zum Ende des Verfahrens sorgte Richter Merchan für Aufsehen: Er verlor die Fassung, als er sich durch einen Trump-nahen Entlastungszeugen in seiner Autorität untergraben fühlte. Merchan ließ den Saal vorübergehend räumen und drohte damit, den Mann aus dem Zeugenstand zu entfernen. Ein weiterer Höhepunkt des etwa sechs Wochen dauernden Prozesses war die Aussage von Pornostar Daniels selbst, die bis in peinliche Details vom angeblichen Sex mit Trump erzählte – was den ehemaligen Präsidenten nicht besonders gut aussehen ließ und Experten zufolge Chancen für eine Berufung verbessern könnte. 

Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert und um weitere Informationen ergänzt.