Stefan Raab geht auf die 60 zu – und boxt im Fernsehen. Ob dahinter ein genialer Comeback-Plan oder gar ein Kampf hinter den Kulissen steht, das wissen nur Eingeweihte. Noch.
Kommt Stefan Raab zurück ins deutsche Fernsehen? Während sich ganz junge Leute vielleicht fragen, wer das überhaupt ist, rastet eine andere Altersgruppe seit Wochen aus. Raab stand über Jahrzehnte für neues, lustiges Fernsehen. Als Moderator und Produzent setzte er Standards für das, was wir als Entertainment definieren. Ob beim Musiksender Viva, bei seiner Comedyshow „TV total“, als Mastermind hinter ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut oder bei seiner Wok-WM. 2015 ging der 57-Jährige in die Bildschirm-Rente – und kommt jetzt mit einem Schlag zurück.
Am Samstag (14. September, 20.15 Uhr) – davon muss man ausgehen, auch wenn es noch unwirklich klingt – steigt Raab in Düsseldorf in einen Ring und boxt gegen Regina Halmich (47). Der Düsseldorfer PSD Bank Dome ist mit 14.000 Zuschauern restlos ausverkauft. Zweimal schon flogen die Fäuste zwischen Raab und der einstigen Boxweltmeisterin, 2001 und 2007, also vor gefühlten Ewigkeiten.
Ist das hier, was der Kölner Privatsender RTL live ausstrahlt, eine Art „Wetten, dass..?“-Revival-Gefühl für die Entertainment-Generation der 90er und Nullerjahre? Funktioniert das? RTL nennt es „Das größte Box-Event des Jahrzehnts“.
Die Aufmerksamkeit wird groß sein. Seit dem „Raabschied“ vor fast einem Jahrzehnt („Machen Sie’s gut, vielen Dank, ich hoffe, Sie hatten ein bisschen Spaß.“) war der einstige Metzger-Lehrling aus Köln-Sülz zu einer Art Phantom geworden. Man wusste, dass es ihn noch gibt – aber man sah ihn nicht mehr. Sein Nichterscheinen machte Raab zugleich Jahr für Jahr noch größer – man kennt solche Phänomene aus Religionen. Im Hintergrund produzierte er weiter Shows. Da hatte einer den perfekten Absprung geschafft. Dachte man.
Man dachte an einen Aprilscherz
Als rund um Ostern dann Videos auftauchten, die ein Comeback der „Killerplauze“ andeuteten, dachten viele Beobachter an einen Aprilscherz. Raab saß in einem Clip bräsig und betont dick dargestellt in einem Stuhl an einem malerischen See, gab den Aussteiger, kündigte dann aber den Kampf an. Für die These vom Aprilscherz sprach damals das Datum. Dagegen, dass die Pointe – seine vermeintliche körperliche Veränderung – durchaus nach Raab-Kosmos klang und so auch in einer früheren „TV Total“-Ausgabe hätte vorkommen können.
Nun, wenige Tage vor dem Kampf, griff Raab diesen PR-Gag erneut auf. Auf Instagram inszenierte er sich in einem Clip mit dem Hinweis „Noch 8 Tage…“ erneut als schwitzender, träger, viel zu schwerer Typ. Keuchend präsentierte er sich beim Boxsack-Training und betonte, dass er nicht mehr könne. Das Drehbuch für den Knalleffekt eines durchtrainierten Raabs im Boxring in wenigen Tagen schreibt sich beim Anschauen des Clips wie von selbst.
Da das Comeback als solches also wohl kein Witz ist, stellt sich seitdem die Frage, welches höhere Ziel der „Raabinator“ verfolgen mag. Sich noch einmal von Halmich vermöbeln zu lassen und dann wieder zu verschwinden? Dafür wird Raab zu viel genialische Kraft und Ehrgeiz zugesprochen.
Dass es bei einer einmaligen TV-Aktion bleiben könnte, davon geht die Gerüchteküche daher längst nicht mehr aus. RTL gibt sich nach außen zugeknöpft – kein Kommentar.
Die „Bild“ aber etwa will von Plänen für eine Raab-Show bei RTL erfahren haben, bei der es darum gehe, einen „Show-Erben“ zu suchen, der in „Raabs Fernsehfußstapfen“ tritt – und das bereits am Mittwoch nach dem Kampf um 20.15 Uhr. Das wäre sehr brisant, weil der Mittwochabend mittlerweile der Sendeplatz von „TV total“ bei ProSieben ist – Raabs alter Show, nun moderiert von Sebastian Pufpaff. Seit einiger Zeit ist Raab dort nun aber in jeder Hinsicht unbeteiligt, wie die Produktionsfirma Brainpool bestätigte. Er ist mit einer neuen Firma (Raab Entertainment) am Markt.
Ein Hauch von „Game of Thrones“ im deutschen Fernsehen
In der Branche wird viel gemunkelt. Der Ur-Vater, der sich gegen sein eigenes Show-Baby richtet – das hätte etwas von „Game of Thrones“. Ob es so kommt? Eigentlich hat RTL für den Mittwochabend nach dem Kampf den Start seiner neuen Staffel „Deutschland sucht den Superstar“ angekündigt.
Dass es zwischen RTL und ProSieben milde gesagt einen angespannten Konkurrenzdruck gibt, ist ebenso offenkundig. Kürzlich wurde Raabs treuer Weggefährte Elton bei der ProSieben-Show „Schlag den Star“ durch Matthias Opdenhövel ersetzt. Der Moderatoren-Tausch ging nicht gerade lautlos vonstatten, Elton beschwerte sich bitterlich in aller Öffentlichkeit. Hintergrund waren offensichtlich Konflikte um seine Auftritte in Shows bei RTL.
In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte ProSieben-Chef Hannes Hiller vor einigen Tagen die Sätze: „Raab ist herausragende ProSieben-Geschichte. Ein Denkmal. Aber unsere Zukunft sieht anders aus. ProSieben steht für innovatives, modernes Fernsehen.“ Ein vergiftetes Lob?
„Es kann auch Blut fließen“
Auch Marcus S. Kleiner, Professor für Medienwissenschaft an der SRH Berlin University of Applied Sciences, ist durchaus skeptisch, was Raabs Comeback angeht. Klar, früher habe der Moderator eine junge Zielgruppe erreicht. „Da war er der junge Wilde“, sagt Kleiner der Deutschen Presse-Agentur. „Aber das ist sehr lange her.“ Nun frage man sich, was Raab nun sein werde. „Der wilde Alte?“, fragt Kleiner. „Was will er anbieten, was man noch nicht gesehen hat?“ Womöglich reiche es Raab aber auch, einfach nur die Zielgruppe abzuholen, die mit ihm einst groß geworden ist.
Während der Meister selbst – bis auf die Instagram-Posts – weiterhin in der Öffentlichkeit ein Phantom und somit im Gespräch bleibt, steht Gegnerin Regina Halmich für Fragen und Antworten bereit – wobei auch sie erkennbar noch ein paar Fragen hat. Angesprochen auf Raabs erwartete Verfassung, tastet auch sie sich an eine Antwort heran. „Stefan will nach der langen Pause sicherlich einen Wow-Effekt erzielen. Daher glaube ich, dass ich auf den fittesten Stefan Raab treffen werde, den ich je gesehen habe“, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur.
Sie selbst sieht sich für das Boxerische zuständig – und Raab für das Entertainment. Und womöglich verspüre an dieser Stelle sogar das alte TV-Schlachtross Raab so etwas wie Druck. „Er wird mit Sicherheit schon auf dem Weg zum Boxring abliefern müssen. Und ich würde mal tippen, dass ihm da auch ein bisschen die Routine fehlt, denn er ist es ja nun auch nicht mehr gewohnt, in der Öffentlichkeit zu stehen“, sagt Halmich.
Zurückhalten will sich die Boxerin jedenfalls nicht. „Es wird nichts abgesprochen und wir werden beide voll durchziehen“, sagt sie. „Es kann auch Blut fließen.“
Sollte Raab wirklich planen, sein Gesicht künftig wieder häufiger vor TV-Kameras zu zeigen, kann man nur hoffen, dass es nicht ganz so schlimm kommt.