Nach Leistenbruch- oder Bandscheiben-OP noch am selben Tag wieder nach Hause? Das ginge weit öfter als praktiziert, sagt die Krankenkasse Barmer. Sie nennt aber auch wichtige Voraussetzungen dafür.
Jede fünfte stationär in einem Hamburger Krankenhaus durchgeführte Operation könnte laut einer Untersuchung der Barmer auch ambulant durchgeführt werden. Das Ambulantisierungspotenzial in der Stadt liege bei 21,4 Prozent, sagte die Landesgeschäftsführerin der Krankenkasse, Susanne Klein, der Deutschen Presse-Agentur. Grundlage sei eine Analyse des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (BIFG), das in seinem Versorgungskompass die Hamburger Daten für das vierte Quartal 2022 ausgewertet habe.
Mehr ambulante Behandlungen seien nicht nur im Sinne der Patienten, sondern auch ressourcenschonend für das Gesundheitssystem, sagte Klein. „Krankenhausaufenthalte sind für manche Patientinnen und Patienten mit großen Belastungen verbunden.“ Zudem belegten Studien, „dass sich Patienten im eigenen Zuhause oftmals schneller und komplikationsloser erholen.“ Das seien gute Gründe für mehr ambulante Operationen.
Mehr als 270.000 Krankenhausbehandlungen in Hamburg im Jahr
Was dafür infrage kommt, ist im Katalog ambulant durchführbarer Operationen (AOP-Katalog) aufgelistet, auf den sich Kassenärztliche Bundesvereinigung, die gesetzlichen Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft verständigt haben. Dort finden sich etwa Leistenbruch-OPs oder die Entfernung der Rachenmandeln. Insgesamt sind in dem Katalog aktuell 3.312 Leistungen verzeichnet, die ambulant in Krankenhäusern oder bei niedergelassenen Ärzten erfolgen könnten. In einem Gutachten kam das IGES-Institut sogar auf insgesamt mögliche 5.355 Leistungen.
„Basis der BIFG-Analyse bilden alle somatischen Krankenhausfälle in Hamburg mit Ausnahme von Geburten, da hier Wahlfreiheit herrscht“, sagte Klein. Demnach gab es in Hamburg 2022 rund 272.000 Krankenhausbehandlungen. Der Anteil der Fälle, die entweder im AOP-Katalog oder IGES-Gutachten zu finden sind und bei denen keine ersichtlichen Risikofaktoren wie hohes Patientenalter oder eine Begleiterkrankung einen stationären Aufenthalt erforderlich gemacht hätten, habe bei 20 Prozent gelegen.
50.000 Eingriffe in Hamburg hätten auch ambulant erfolgen können
Das bedeute, dass allein in Hamburg mindestens 50.000 stationäre Eingriffe auch ambulant hätten erfolgen können – bei Frauen im Alter von 40 bis 59 Jahren sogar jeder dritte stationär erfolgte Eingriff, sagte Klein. In der Regel liegen die Kosten für ambulante OPs laut Barmer bei 60 Prozent eines Eingriffs, der mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden ist.
„Wenn mehrere zehntausend Krankenhausbehandlungen umgeleitet werden können, bekommt man eine Vorstellung davon, wie viel Personal dadurch für andere vollstationäre Behandlungen eingesetzt werden könnte“, sagte sie. Andere Länder wie Dänemark seien weit voraus. Als Beispiel nannte sie Gebärmutterentfernungen. Während 2019 in Deutschland keine einzige solche OP ambulant vorgenommen worden sei, wären es beim nördlichen Nachbarn bereits 57,7 Prozent gewesen.
Nicht zuletzt aufgrund des Kostendrucks und angesichts des Personalmangels in der Pflege müsse im Rahmen der Krankenhausreform genau in den Blick genommen werden, welche Standorte unverzichtbar seien und welche wichtigen Funktionen sie künftig als regionale Versorgungszentren mit einem Schwerpunkt für ambulante Operationen übernehmen könnten, forderte Klein.