Funktionieren Sirenen, Handy-Apps und andere Systeme, um die Bevölkerung vor drohenden Gefahren zu warnen? Am Donnerstag wird das wieder bundesweit und auch in Hessen getestet.
Auch in Hessen wird am Donnerstag wieder Probealarm über verschiedene Kanäle ausgelöst. Ab 11.00 Uhr werden am sogenannten Warntag zahlreiche Sirenen heulen, Handy-Warnapps auslösen und auch Informationen über Radio, Fernsehen und Informationstafeln im gesamten Bundesland verbreitet werden. Die Entwarnung soll dann um 11.45 Uhr folgen. „Es ist wichtig, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger sensibilisieren, über welche Kanäle sie Informationen und Handlungsempfehlungen erhalten, um im Ernstfall schnell reagieren zu können“, erklärt Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU).
„Stresstest“ für die Warnsysteme
Mit dem bundesweiten Warntag erreiche man viele Bürgerinnen und Bürger und könne auf das wichtige Thema aufmerksam machen. „Zudem unterziehen wir auch die technische Warninfrastruktur einem Stresstest, um das System immer weiter optimieren können.“ Gerade in Zeiten globaler Herausforderungen sei eine „effektive Warninfrastruktur von besonderer Bedeutung“.
Dabei sei Hessen das einzige Flächenland, das mit der Einführung der sogenannten Tetra-Sirenen-Alarmierung einen landesweiten Alarm auslösen kann, der innerhalb von ein bis zwei Sekunden alle über dieses System angesteuerten Sirenen zum Heulen bringen könne. Gleichzeitig würden rund 65.000 überwiegend ehrenamtliche Helfer der Feuerwehren und Hilfsorganisationen über sogenannte Pager alarmiert – im Volksmund auch „Piepser“ genannt. Nach dem Start 2020 laufe die Ertüchtigung der Sirenen durch die Umstellung auf Tetra-Digitalfunk noch, hieß es. Die vollständige Migration auf das System dürfte sich noch bis ins Jahr 2026 hinziehen.
Sirenen auch im Handy-Zeitalter wichtig
Warum werden in Zeiten von Smartphone und Co. überhaupt noch Sirenen ausgelöst? „Im Gegensatz zu den meisten anderen Warnmedien haben Sirenenanlagen einen 24/7-Weckeffekt“, erklärte das Ministerium. Vor allem in den Nachtstunden könne nicht davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung Handys oder Tablets eingeschaltet und in Hörweite habe.
Auch der Vogelsbergkreis beispielsweise erklärte, Sirenen seien nach wie vor unverzichtbar, „da sie auch dann funktionieren, wenn Mobilfunknetze ausfallen oder Stromversorgungen unterbrochen sind“. Sie böten eine direkte und laute Alarmierung, die auch Menschen ohne Zugang zu mobilen Endgeräten erreiche. Der Landkreis verfüge deshalb neben den digitalen Warnsystemen wie der „Katwarn“-App über ein flächendeckendes Sirenennetz, dessen Zustand regelmäßig überprüft werde. Aktuell würden einige Anlagen modernisiert, um sie auf dem neuesten Stand zu halten.
Behörden und Bevölkerungen sollten vorbereitet sein
Darüber hinaus seien neben Fahrzeugen und technischem Gerät auch regelmäßige Übungen und Schulungen der Einsatzkräfte und der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. „Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben dazu geführt, dass wir verstärkt auf Krisenszenarien vorbereitet sind und unsere Pläne entsprechend angepasst haben.“
Vorbereitung als A und O – das hat man auch im Landkreis Groß-Gerau im Blick. Das betreffe sowohl die Bevölkerung als auch die Behörden, betont Kreisbrandinspektor Friedrich Schmidt. Für letztere gelte es, alle Szenarien durchzuspielen, mögliche Gefahrenquellen zu identifizieren, deren Eintrittswahrscheinlichkeit einzuschätzen und mögliche Gegenmaßnahmen zu benennen. Aber auch die Einwohner sollte präpariert sein – vor allem, indem sie sich ausreichend informieren, sagte Schmidt.
Warnungen wahrzunehmen und richtig deuten zu können, gehöre ebenso dazu wie Handlungsempfehlungen zu kennen, sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben und damit die im Krisenfall eingeschränkten Kapazitäten von Helfern weiter zu belasten. Hinzu kämen Vorbereitungen zur Selbsthilfe und zum Selbstschutz, etwa über das Einlagern von Sandsäcken für den Fall von Überflutungen oder eines Grundvorrates an Lebensmitteln. Empfehlungen dazu gibt etwa das Bundesamt für Bevölkerungsschutz.
Besonderer Alarm im Industriepark Höchst in Frankfurt
In Frankfurt werden vom Land Hessen und der Zentralen Leitstelle der Feuerwehr Frankfurt aus die Sirenen der Industrieparks Fechenheim und Höchst ausgelöst. „Dieses Jahr gib es eine Besonderheit“, erklärte ein Sprecher der Feuerwehr. Um die modernisierten Sirenen im Industriepark Höchst ausgiebig zu testen, werde das Signal dort dreimal statt nur einmal ausgelöst.
Die Sirenen in den beiden Industrieparks seien derzeit die einzigen im Frankfurter Stadtgebiet. Der Magistrat beabsichtige jedoch die Installation eines flächendeckenden Sirenennetzes, heißt es. Dafür seien etwa 150 Sirenen erforderlich.
Lehren aus Flutkatastrophe
In die Vorbereitungen auf den Warntag fließen auch Erfahrungen aus zurückliegenden Notfällen ein, wie ein Sprecher des Landkreises Darmstadt-Dieburg deutlich macht. „Nicht zuletzt die Ereignisse im Rahmen der Starkregenereignisse im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen 2021 zeigten Mängel auf beiden Seiten auf.“ Diese habe es sowohl seitens der zuständigen Behörden bei der Anwendung der Warnmittel gegeben als auch aufseiten der Bevölkerung: Die Menschen hätten teils die Warnungen nicht interpretieren können. „Daher muss aus unserer Sicht jede Möglichkeit zur Sensibilisierung und Aufklärung genutzt werden“, so der Sprecher.
Nach Ansicht des Deutschen Roten Kreuzes geht es in der Warnkette letztlich vor allem darum, dass die Bevölkerung die Inhalte versteht und entsprechend handelt. Der Warntag biete zudem eine gute Gelegenheit, um sich über die eigene Notfallvorsorge Gedanken zu machen. „Habe ich genug Trinkwasser oder Lebensmittelvorräte zu Hause? Wo liegt meine Dokumentenmappe mit wichtigen Kopien, falls ich meine Wohnung verlassen muss?“, erläutert Hagen Schmidt vom DRK-Landesverband Hessen.