Skandale: Eine Razzia, zwei Urteile und andere Katastrophen – die Chaos-Woche der AfD

Immer neue Ermittlungen, Entscheidungen und Enthüllungen bringen die AfD kurz vor den Europa- und Kommunalwahlkämpfen in Bedrängnis. Warum diese Woche selbst für die skandalgeübte Partei besonders wild lief.

Der Plenarsaal des Bundestags, am Donnerstagmorgen, 9:30 Uhr: Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, nebenbei Justiziar der Fraktion, beugt sich zu seinen beiden Vorsitzenden und redet auf sie ein. Während Tino Chrupalla stoisch zuhört, fasst sich Alice Weidel mit der Hand an die Stirn und schüttelt dann den Kopf.

Die Nachrichten sind, wieder einmal, ziemlich mies für die AfD. Der zuständige Ausschuss hat empfohlen, die Immunität des Abgeordneten Petr Bystron aufzuheben, also jenes Mannes, der auf Platz 2 der Europawahlliste der Partei steht. Die Abgeordneten im Plenarsaal stimmen mit großer Mehrheit dafür. Nur die AfD enthält sich ebenso wie zuvor im Ausschuss. 

AfDler Gnauck Immunität aufgehoben 19:18

Der Moment ist für die AfD der negative Klimax einer Woche, wie sie die Partei seit Längerem nicht mehr erlebt hat: Während die Europawahlen (und die Kommunalwahlen in neun Bundesländern) immer näher rücken, wird das Berliner Büro eines ihrer wichtigsten Kandidaten durchsucht. Der Anfangsverdacht der Generalstaatsanwaltschaft München lautet auf Bestechlichkeit und Geldwäsche, die Razzia trifft auch Objekte in Bayern und auf Mallorca. Doch dabei wird es nicht bleiben.

Begonnen hatte die Katastrophenwoche für die AfD in einem Verhandlungssaal des Oberverwaltungsgerichts Münster. Dort sprach am Montagmorgen der Vorsitzende Richter, Gerald Buck, diesen Satz: Seine Kammer habe „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür gefunden, dass die Politik der AfD „gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip“ gerichtet sei. Deshalb sei es auch völlig in Ordnung, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gesamtpartei als sogenannten Verdachtsfall eingestuft habe. „Die wehrhafte Demokratie ist kein zahnloser Tiger“, resümierte Buck. 

Verzögerungstaktik der AfD ist gescheitert

Weidel konterte mit maximalem Furor. „Ein Verfassungsschutz, der parteipolitisch ausgenutzt wird, um gegen die politische Konkurrenz durchzuladen, ist selbst verfassungsfeindlich“, sagte sie. 

Doch das Scheitern der AfD-Strategie konnte sie damit nicht überdecken. Schließlich hatte die Partei mit immer neuen Anträgen versucht, eine Entscheidung vor dem Europawahltermin am 9. Juni zu verhindern. Vergeblich: Das Image bleibt lädiert. Und der Verfassungsschutz darf die Bundespartei weiterhin mit einem Teil seiner nachrichtendienstlichen Mittel überwachen.

Apropos, Verfassungsschutz: Sogar ihr gesamtes Instrumentarium kann die Behörde gegen die Thüringer AfD einsetzen. Bereits seit März 2021 ist der Landesverband als „gesichert rechtextremistische Bestrebung“ eingestuft und gilt damit als „Beobachtungsfall“. Dies liegt vor allem am Landesvorsitzenden Björn Höcke – der, und das war dann am Dienstag die nächste miese Nachricht für die Partei, vom Landgericht Halle zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt wurde. Aus Sicht des Gerichts verstieß er vorsätzlich gegen den Strafgesetzparagrafen 86a, der die Verwendung von Kennzeichen früherer NS-Organisationen verbietet, als er auf einer AfD-Kundgebung die SA-Parole „Alles für Deutschland“ rief.

Neue Vorwürfe gegen Krah

Und das war noch nicht alles. Ebenfalls am Dienstag veröffentlichten das ZDF und der „Spiegel“ neue Erkenntnisse zu Maximilian Krah. Der EU-Spitzenkandidat der AfD war zwischenzeitlich vom Wahlkampf suspendiert worden, weil die Bundesanwaltschaft seinen Mitarbeiter Jian G. beschuldigt, Spionage für China betrieben zu haben. Jian G. sitzt deshalb in Untersuchungshaft. Nun wird berichtet, dass Krahs Brüsseler Büro einem gewissen Janusz N. den Zutritt zum Europaparlament besorgt habe. Der Pole soll laut der Staatsanwaltschaft Warschau für den russischen Geheimdienst gearbeitet haben.

Am Mittwoch verbreitete die „Zeit“ dann ein Interview des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, in dem er das Instrument des Partei-Verbots ausdrücklich verteidigte. Die bundesdeutschen Parteien, sagte Stephan Harbarth, seien nun mal im internationalen Vergleich stärker als in den meisten anderen Ländern. „Deshalb ist auch das Bedrohungspotenzial, das eine verfassungsfeindliche Partei in Deutschland entwickeln kann, größer als in anderen politischen Systemen.“

Natürlich wiederholte Harbarth, was die juristische Mehrheitsmeinung ist – nämlich, dass ein Verbot nur „die völlige Ultima Ratio“ sein könne. „Es darf keine politische Auffassung einfach mundtot gemacht werden, weil sie den Herrschenden nicht passt“, sagte er.  

Und dennoch: Allein, dass ein Parteiverbot wieder diskutiert wird, ist für die AfD unangenehm. Zwar stärkt die Debatte ihre Opfererzählung, die in Ostdeutschland, wo im September drei Landtage gewählt werden, zur Mobilisierung genutzt werden kann. Doch bei den jetzt anstehenden Europawahlen kommt es vor allem auf den Westen an, wo nun mal 80 Prozent der Wahlberechtigten wohnen. Und dort muss die Partei nach wie vor Reste eines bürgerlichen Images wahren.

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Und was kommt noch?

Umso verheerender waren denn auch die Entwicklungen des Donnerstags für die Partei. Noch während Staatsanwälte und Polizeibeamte Bystrons Büros und Wohnungen durchsuchten, stimmte der Bundestag dafür, die Immunität des AfD-Abgeordneten Hannes Gnauck aufzuheben. Es geht dabei um ein Disziplinarverfahren aus seiner Bundeswehr-Zeit. 

Auch Gnauck ist wichtig in der Partei. Als Vorsitzender der „Jungen Alternative“, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird, steht er mit an der Spitze der nächste AfD-Generation. In seinem Fall votierte die Fraktion denn auch trotzig gegen die Aufhebung der Immunität – was freilich nichts am Ergebnis änderte. Das Verfahren gegen den Abgeordneten kann beginnen. 

Wie üblich, wird in der AfD in allen möglichen Variationen eine angebliche Kampagne von Justiz, Politik und Medien beklagt. Die Urteile seien falsch und die Ermittlungen unbegründet, heißt es zumeist. 

Vor allem aus den Mitteilungen von Chrupalla und Weidel lässt sich andererseits auch Vorsicht herauslesen. Denn was ist, wenn demnächst der Audio-Mitschnitt zu hören ist, der beweisen soll, dass Bystron Bargeld aus russischen Quellen entgegennahm? Und was ist, wenn die Gelder, die vom mutmaßlichen Spion Jian G. an Krahs Abgeordnetenbüro gegangen sein sollen, aus China stammen?   

Immerhin ist ja erst Freitag.