Musik: Rios Sound für die Welt: Jazzlegende Sérgio Mendes gestorben

Aus Samba und Bossa Nova kreierte der begnadete Jazzmusiker seinen ganz eigenen Sound. Dabei schrieb er kaum eigene Lieder, sondern arrangierte vor allem alte Songs im neuen Stil.

Sérgio Mendes vermählte den Samba mit dem Bossa Nova und kreierte so seinen typischen Sound. Der Song „Mas que nada“ (etwa: „Was soll’s?“) des Jazzmusikers und Pianisten ist eine Hymne auf die Unbeschwertheit und die Leichtigkeit, die im größten Land Südamerikas fast jeder kennt. Doch das Lied trägt die Sonne der Copacabana und die Wellen des Strands von Ipanema auch hinaus in die ganze Welt. Jetzt ist die brasilianische Musiklegende im Alter von 83 Jahren in Los Angeles gestorben, wie seine Familie mitteilte.

In seiner 60-jährigen Karriere brachte er mehr als 35 Alben heraus, gewann drei Grammys und wurde 2012 für den Song „Real in Rio„, den Soundtrack zum Animationsfilm „Rio“, für einen Oscar nominiert. Noch im November 2023 trat er in Paris, London und Barcelona auf. In den vergangenen Monaten litt er allerdings nach Angaben seiner Familie an den Auswirkungen einer langwierigen Covid-Erkrankung. 

Mendes kam in Niterói – gegenüber von Rio de Janeiro – auf der anderen Seite der Guanabara-Bucht zur Welt. Sein Vater, ein erfolgreicher Arzt, hatte für ihn ebenfalls eine Karriere in der Medizin im Sinn. Aber Mendes lernte auch Klavier spielen, machte eine klassische Ausbildung, interessierte sich für Jazz.

Mendes genoss das vibrierende Nachtleben von Rio

Das vibrierende Nachtleben im Rio der 1950er und 1960er Jahre, die Musikbars der Stadt zogen Mendes früh an. Er spielte mit seinem Trio in der „Bottles Bar“ in Copacabana, die zusammen mit anderen Clubs der Gasse „Beco das Garrafas“ als Wiege des Bossa Nova gilt. Dort lernte er Bossa-Nova-Legenden wie Tom Jobim und João Gilberto kennen. Sie förderten ihn – und traten gemeinsam mit ihm auf.

„Ich war immer der Jüngste, beherrschte mein Instrument aber so gut wie die Alten“, erinnerte sich der Musiker mit dem markanten beigen Hut in einem Interview. In jener Zeit kommt der Bossa Nova als neue Stilrichtung auf, Mendes vermischt ihn mit Sambaklängen und kreiert so seinen ganz eigenen Stil. Jobim, der es mit „The Girl from Ipanema“ früh zu Weltruhm brachte, nahm Mendes schließlich mit in die USA

Mendes fällt der Abschied aus Brasilien nicht schwer, denn dort übernimmt 1964 das Militär die Macht. „Ich habe gefühlt, dass die Dinge hässlich werden würden“, sagte Mendes der Deutschen Presse-Agentur anlässlich seines 80. Geburtstags in einem Interview. „Und mein Glück im Ausland versucht.“

In den USA spielte er mit Frank Sinatra und trat in der Carnegie Hall auf. Mit der Gründung der Band Sérgio Mendes & Brasil ’66 und dem Vertrag bei der Plattenfirma A&M Records legte er den Grundstein für seine Karriere. Mit „Mas que nada“ landete er schließlich einen Welthit – ein Coversong nach der Ursprungsvariante von Jorge Ben Jor. Ohnehin textete Mendes kaum Songs selbst, sondern interpretierte vor allem alte Lieder neu.

„Ich habe keine Formel für nichts“

Immer wieder erfand sich der Musiker dabei selbst neu. Zum Crossover-Album „Timeless“ etwa versammelten er Black Eyed Peas-Sänger Will.i.am, Stevie Wonder, Justin Timberlake und Erykah Badu um sein Piano. Es entstand unter anderem eine Bossa-Nova-Hip-Hop-Variante von „Mas que nada“, die weltweit die Charts eroberte. „Ich weiß nicht, wie ich das mache“, sagte Mendes damals der dpa. „Ich mache die Musik, die mir gefällt, die ich fühle, das ist eine sehr spontane Arbeit. Ich habe keine Formel für nichts.“

Seit Jahrzehnten lebte er in den USA, aber immer wieder kehrte er nach Rio de Janeiro zurück, um die Sehnsucht zu stillen und sich neue Inspiration zu holen. „Die brasilianische Musik hat so viel Schönes und Magisches zu bieten“, sagte Mendes. „Man kann eine CD geschickt bekommen, aber den Geruch und den Klang von Rio kann man nicht verpacken.“