Die Deutsche Bahn hat einen Medienbericht, sie wolle aus Kostengründen die Digitalisierung von Zugstrecken stoppen, rundweg zurückgewiesen. Der Bericht des SWR „ist falsch“, teilte der Konzern am Freitag mit. „Richtig ist: Die Deutsche Bahn hält an der Digitalisierung von Bahnstrecken fest.“
Mit der Digitalisierung des Bahnknotens Stuttgart laufe derzeit das größte Digitalisierungsprojekt der Schiene in Europa, betonte die Deutsche Bahn (DB). „Auch am aktuellen Vergabeverfahren für die serienmäßige Ausrüstung digitaler Stellwerke lässt sich erkennen, dass die DB die Digitalisierung vorantreibt.“
Der SWR hatte unter Berufung auf interne Pläne der DB-Tochter Infrago berichtet, die Bahn wolle den Ausbau der digitalen Stellwerkstechnik und der digitalen Schieneninfrastruktur stoppen. Mehrere Insider, darunter die Landesverkehrsminister aus Baden-Württemberg und aus Schleswig-Holstein, Winfried Hermann (Grüne) und Claus Ruhe Madsen (CDU), hätten dem Sender die Existenz dieser Pläne bestätigt.
Alte und marode Stellwerke sollen laut Bericht nicht durch neue digitale ersetzt werden, sondern vorerst durch herkömmliche elektronische Technik. Der Ausbau des neuen digitalen europäischen Zugsicherungssystems, des European Train Control System (ETCS), solle stark reduziert werden. Beides ermöglicht mehr Zugverkehr und soll die Pünktlichkeit bei der Bahn verbessern.
DB-Personalvorstand Martin Seiler hatte zudem erst kürzlich betont, dass der Konzern auch mit Blick auf den Arbeitskräftemangel in Deutschland die Digitalisierung vorantreibe – so dass die DB „mittel- bis langfristig mit weniger operativem Personal auskommen“ könne. Die DB will in den kommenden fünf Jahren mit 30.000 Stellen weniger auskommen.
Gegenüber dem SWR erklärte die DB am Donnerstag, sie rüste Strecken und Knoten in den kommenden Jahren „Stück für Stück von den bestehenden nationalen Zugsteuerungssystemen auf ETCS um“.
Laut dem SWR-Bericht will die Bahn aber weniger Geld in die Digitalisierung stecken als ursprünglich geplant, um mehr Geld für die Sanierung ihrer Haupttrassen zu haben. Die DB Infrago, zuständig für die Modernisierung der Schienen-Infrastruktur, habe dies im „Arbeitskreis Bahnpolitik“ den Vertreterinnen und Vertretern der Länder und des Bundes präsentiert.
Dem SWR lag das Präsentationspapier der DB vor; demnach soll ein „Sofortprogramm“ bis 2028 fehleranfällige Alt-Stellwerke mit „schnell verfügbarer Technik“ ertüchtigen – Bahnexperten zufolge ist dies Technik aus den 90er Jahren, berichtete der Sender. In einer „zweiten Welle“ will die DB dann ihre „ETCS-Ausrüstungsverpflichtungen“ erfüllen – laut SWR also nur dort, wo sie vertraglich dazu verpflichtet ist. Erst in einer „dritten Welle“ ab 2030 sollten „zukunftsfähige Technologien zur Steigerung von Kapazität und Interoperabilität“ genutzt werden.
Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Madsen erklärte gegenüber dem SWR zu den Plänen: „Dies sendet ein falsches Signal hinsichtlich der Modernisierung und Zukunftsfähigkeit des Schienennetzes in Deutschland.“ Der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann nannte die Pläne „alarmierend“.
Laut SWR ist das Konzeptpapier zur Digitalen Schiene Deutschland noch nicht umgesetzt, es müsste vom Aufsichtsrat der DB beschlossen werden. Der Eigentümer Bund könne eingreifen. Laut Bericht könnte das Papier ein „Versuch der Bahn sein, den Bund zu einer stärkeren Finanzierung der digitalen Modernisierung beim Zugverkehr zu bringen“. Die Haushaltsverhandlungen im Bundestag beginnen kommende Woche.