Nach neun Jahren veröffentlicht David Gilmour wieder eine Platte. Auf „Luck And Strange“ ist ein alter Pink-Floyd-Kollege zu hören. Auch seine Frau und seine Tochter haben an dem Album mitgewirkt.
Ein neues Album von David Gilmour ist genauso ein seltenes Ereignis wie Tourneen des virtuosen Musikers, der einst als Gitarrist von Pink Floyd berühmt wurde. So gesehen ist das Jahr 2024 ein besonderes, denn Gilmour veröffentlicht heute „Luck And Strange“, sein erstes Soloalbum seit neun Jahren. Und ab Oktober gibt der 78-Jährige wieder Konzerte.
Ein Studio auf der Themse
Um über sein musikalisches Comeback zu sprechen, hat Gilmour in sein Studio auf dem Hausboot „Astoria“ geladen, in dem Pink Floyd einst „The Division Bell“ aufnahmen. Das Boot liegt in Richmond upon Thames, im Südwesten von London, verankert. Es ist ein idyllischer Ort. Auf der Themse schwimmen Enten. Manchmal machen sie Platz für ein langsames Motorboot oder ein paar Ruderer.
„Ich verbringe hier momentan gar nicht so viel Zeit“, sagt Gilmour im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Wir nehmen hier nichts auf. Wir haben hier nur die Abmischung für dieses Album gemacht. Aber wir haben in fünf oder sechs verschiedenen Studios aufgenommen.“ Darunter war auch Mark Knopflers renommiertes Tonstudio British Grove.
Arbeitswoche eines Rockmusikers
Die neuen Songs komponierte Gilmour erneut mit seiner Frau, der Schriftstellerin und Lyrikerin Polly Samson, an einem dafür geschaffenen Arbeitsplatz in London. „Ich hatte mir ein kleines Studio eingerichtet, ein klitzekleiner Raum“, erzählt Gilmour. „Polly hatte ein weiteres Zimmer in dem Haus zum Schreiben. Montag bis Freitag sind wir zur Arbeit gegangen. Das haben wir letztes Jahr mehrere Monate gemacht.“
Dann holte Gilmour den Produzenten Charlie Andrew dazu, den er nach Recherchen seiner Frau über Instagram kontaktiert hatte. Beim ersten Treffen spielte er Andrew seine Demos vor. „Er hat gesagt, dass sie ihm gefallen und er gern daran arbeiten würde“, sagt Gilmour. „Mehr brauchte es nicht. Ich wusste in etwa, wie er arbeitet. Ich musste ihm keine Anweisungen geben. Er kam mit allen möglichen Ideen, wie wir das machen sollten.“
Gilmour will keine Ja-Sager um sich
Besonders imponierte dem Gitarristen und Sänger, dass sich der mehr als 30 Jahre jüngere Produzent bei der Arbeit nicht um Gilmours ruhmreiche Vergangenheit kümmerte. Zu oft, findet der Pink-Floyd-Virtuose, habe er es mit Ja-Sagern zu tun. „So ist das in meiner Welt, die meiste Zeit wollen mir die meisten Leute nicht widersprechen. Das ist eine Gefahr. Es ist schade.“
Charlie Andrew habe einen anderen Ansatz gewählt und auch mal Dinge infrage gestellt. „Muss jeder Song ausgeblendet werden? Braucht es hier ein Gitarrensolo?“ Gilmour ließ sich darauf ein. „Die meisten Vorschläge von ihm waren gut und haben mir sofort gefallen.“
Mit einem Vorschlag habe er allerdings erst warm werden müssen, gibt Gilmour zu. Sein Song „A Single Spark“ wurde völlig verändert. Die ursprüngliche Version ist zum Vergleich als Bonustrack auf dem Album enthalten. „Die könnt ihr euch mal anhören, das ist interessant.“ Man merkt Gilmour die Begeisterung an, wenn er darüber spricht.
Aufnahme mit verstorbenem Pink-Floyd-Kollegen
Auch der knapp 14-minütige Jam, aus dem der Titelsong „Luck And Strange“ hervorging, soll veröffentlicht werden. „Dann können die Leute hören, was wir jetzt haben und wo es herkam“, sagt der 78-Jährige, der jünger wirkt. „Ich finde das faszinierend.“
Das Besondere an dem Titelsong ist, dass darauf der 2008 gestorbene Pink-Floyd-Keyboarder Richard Wright zu hören ist. Die Aufnahmen fanden ein Jahr vor Wrights Tod in Gilmours Scheune mit Musikern aus seiner Tour-Band statt. „Ich habe einfach so gespielt und alle haben mitgemacht. Es gab keine zweite Aufnahme. Es gibt nichts anderes. Das ist der Song.“ Nur der Gesang kam noch dazu.
Harmonisches Album zum Zurücklehnen
David Gilmours erst fünftes Soloalbum ist über weite Strecken eine wunderbar entspannte Angelegenheit. Das wird schon bei den ersten Gitarrenklängen des atmosphärischen Instrumental-Openers „Black Cat“ klar. „Luck And Strange“ ist ein Album zum Zurücklehnen und Genießen, auf dem die Musik so harmonisch fließt wie die Themse.
Der Song „Between Two Points“ ist eine Coverversion. Das Original stammt vom britischen Indie-Pop-Duo The Montgolfier Brothers und ist 25 Jahre alt. „Wir haben das eines Tages zufällig gehört und Polly schlug vor, dass ich das covere.“ Als er damit anfing, kamen Gilmour Zweifel. „Ich habe gedacht: Das bin ich nicht. Ich kann diese Worte nicht singen. Die sind zu zerbrechlich für mich.“ Deshalb singt seine Tochter Romany das Lied.
Highlights sind „Piper’s Call“ mit träumerischen Gitarrenklängen und „A Single Spark“, in dem Gilmour mit der Endlichkeit des Lebens hadert. Als einziger unter den zehn Songs auf dem neuen Album rockt „Dark And Velvet Nights“ etwas härter, bevor am Ende sogar Streicher zu hören sind. Schwächere Songs sucht man hier vergebens.
Verzicht auf Gitarrensoli möglich, aber unwahrscheinlich
Aber wie war das jetzt eigentlich mit den Gitarrensoli? Ist ein Album von David Gilmour ohne Gitarrensoli überhaupt möglich? „Natürlich! Alles ist möglich. Aber es ist relativ unwahrscheinlich“, sagt er und grinst. „Ich spiele eben manchmal ganz gern Gitarre.“ Dann zählt er noch einmal schnell nach. „Ich glaube, es gibt nur einen Song auf dem neuen Album, der überhaupt kein Gitarrensolo hat.“
Im Oktober und November spielt David Gilmour jeweils mehrere Konzerte in Rom, London, Los Angeles und New York, die nach kurzer Zeit ausverkauft waren. Für 2025 stellt der britische Musikveteran weitere Shows in Aussicht.