Seit zwei Jahren ist William britischer Thronfolger, oft aber steht er im Schatten von Vater Charles und Ehefrau Kate. Um Profil zu gewinnen, setzt der Enkel von Elizabeth II. auf ein soziales Thema.
Ein ehrgeizigeres Ziel könnte sich Prinz William kaum setzen. Die Obdachlosigkeit beenden – nicht weniger hat sich der ältere Sohn von König Charles III. auf die Fahne geschrieben. Vorbild ist Finnland, das in wenigen Jahren die Obdachlosigkeit drastisch gesenkt hat. Heute will der 42-Jährige eine Londoner Galerie besuchen, in der Bilder von Künstlern ausgestellt werden, die von Wohnungsnot betroffen sind.
Mit dem sozialen Thema versucht William auch, sein Profil zu schärfen. Seit dem Tod seiner Großmutter Queen Elizabeth II. am 8. September 2022 – vor fast genau zwei Jahren – ist er britischer Thronfolger. Doch obwohl seine Beliebtheitswerte hoch sind, steht er oft genug im Schatten seines Vaters König Charles III. und seiner Ehefrau Prinzessin Kate.
Die Ausstellung in der Saatchi Gallery mache Tragweite und Komplexität der Obdachlosigkeit ganz deutlich, teilt der Kensington-Palast vorab mit. Besucher sollten sich mit den Geschichten derjenigen auseinandersetzen, die das Problem selbst erlebt haben, um sie besser zu verstehen.
Das Thema liegt William sichtlich am Herzen, wie Royals-Experte Craig Prescott im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt. Mutter Prinzessin Diana habe ihn in eine Obdachlosenunterkunft mitgenommen, als er elf Jahre alt war. „Das hat dazu geführt, dass Prinz William einmal eine Nacht auf der Straße verbracht hat und als Verkäufer der Obdachlosenzeitung „Big Issue“ zu sehen war“, sagte der Verfassungsrechtler von der Royal Holloway University of London.
Seit gut einem Jahr laufen sechs Pilotprojekte von Williams Stiftung Royal Foundation in allen Teilen des Vereinigten Königreichs. „Obdachlosigkeit ist ein komplexes gesellschaftliches Problem, das das Leben von viel zu vielen Menschen in unserer Gesellschaft betrifft“, sagte William zum Jahrestag des Startschusses. „Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass man ihr ein Ende setzen kann.“
In seinem Herzogtum (Duchy) Cornwall, das William von seinem Vater Charles erbte, als dieser König wurde, hat er den Bau von 24 Unterkünften für Betroffene angekündigt. Im Herbst will der Sender ITV eine Dokumentation über Williams Einsatz ausstrahlen.
Tatsächlich ist Wohnungslosigkeit eines der drängendsten sozialen Probleme im Königreich. Schätzungen zufolge sind in England mehr als 300.000 Menschen ohne festes Obdach, knapp 4.000 leben demnach im größten britischen Landesteil ganz auf der Straße. Wohltätigkeitsorganisationen wie Shelter und Crisis warnen vor einem Anstieg. Die Gründe sind komplex: explodierende Lebenskosten, höhere Mieten, wenig bezahlbarer Wohnraum, niedrige Löhne und unsichere Arbeitsplätze sowie Fehler im Sozialsystem.
Nur ein PR-Coup?
Nicht alle sind angetan von Williams Projekt. Die Anti-Monarchie-Organisation Republic spricht von einem PR-Feldzug. Ihr Argument: Würde William sein Herzogtum aufgeben und die hohen Einnahmen – etwa durch Ländereien und Luxusimmobilien – der Regierung überlassen, wäre das eine viel schlagkräftigere Waffe gegen Obdachlosigkeit.
Experte Prescott betont hingegen, die Zahlen seien zwar gering. Aber der Bau von Sozialwohnungen auf Grundstücken des Duchy of Cornwall könne durchaus als Modell dienen. Im Gegensatz zu anderen Royals ziele William auf konkrete Projekte, sagt Prescott. Demnächst will sich der Prince of Wales, wie der offizielle Titel des Thronfolgers lautet, auch in dem namensgebenden Landesteil Wales zeigen. Hier könnte ein weiterer Ansatz liegen, um Schlagzeilen zu produzieren.
Bruder Harry sorgt für mehr Schlagzeilen
Für William ist das wichtig, denn er wirkt oft ein wenig langweilig im Vergleich zu seinem umtriebigen Vater Charles (75) und seiner glamourösen Ehefrau Kate (42), die beide in diesem Jahr eine Krebserkrankung öffentlich machten. Auch sein jüngerer Bruder Prinz Harry zieht mehr Interesse an. Zuletzt spekulierten manche britische Boulevardmedien, der 39-Jährige habe die Nase voll vom Leben in den USA, wohin er vor einigen Jahren ausgewandert war, und wolle nach Großbritannien zurückkehren. Überhaupt kein Thema, hieß es in anderen Berichten. Aber: Harry ist im Gespräch, William seltener.
Das liegt auch am zerrütteten Verhältnis zwischen den einst unzertrennlichen Brüdern. Harry und Ehefrau Herzogin Meghan machten der Royal Family in Interviews, Büchern und TV-Dokus schwere Vorwürfe. William sieht seine Familie zu Unrecht attackiert. Bei der Beisetzung ihres Onkels Robert Fellowes neulich hätten die Brüder nur wenige Meter entfernt gestanden, berichtete die Zeitung „Sun“. Aber nicht miteinander gesprochen.