China ist der wichtigste Investor in Afrika – und das soll auch so bleiben. Nach dem Willen von Xi Jinping soll das Geschäft mit grüner Technologie einen größeren Platz in den Beziehungen einnehmen.
Vertreibungen, verlorenes Land, Nötigungen. Kurz vor dem diesjährigen Gipfeltreffen afrikanischer Staatschefs mit der Pekinger Regierungsspitze prangern Klimaschützer mit Blick auf Uganda eine der Schattenseiten chinesischer Investitionen in Afrika an. In einem Küstengebiet des Albertsees litten Menschen unter dem geplanten Bau einer ölverarbeitenden Anlage im Zusammenhang mit einem Ölförder- und Pipeline-Projekt des chinesischen Konzerns CNOOC. Die Organisation Climate Rights International erhebt schwere Vorwürfe gegen Regierungstruppen des afrikanischen Landes. Das Projekt sei „nicht nur eine gefährliche Kohlenstoffbombe, sondern auch eine Katastrophe für die Menschenrechte“, erklärte Direktor Brad Adams.
Es sind nicht die ersten Vorwürfe dieser Art und werden wohl auch nicht die letzten sein. Dass Chinas Engagement in Afrika häufig schlechte ESG-Noten erhält, weil die Wahrung von Auflagen für Umwelt- und Arbeitsschutz oder soziale und Governance-Belange – etwa hinsichtlich betroffener Gemeinden – nicht so ernst genommen wird, hat erst kürzlich eine Studie des Global Development Policy Center (GDPC) an der University of Boston herausgearbeitet.
Sie untersuchte in Ägypten, Äthiopien und Nigeria einige von China finanzierte Projekte für Energie-Infrastruktur und industrielle Sonderwirtschaftszonen – beides bevorzugte Investitionsziele –, und befand, diese hätten zwar Jobs gebracht und Wachstum gefördert, es gebe bei der Compliance jedoch „beträchtlich Luft nach oben“. Im Zuge laxer oder wenig beachteter Umweltregulierung beeinflusste Chinas Engagement auf dem Kontinent auch die Emissionsbilanz von Treibhausgasen negativ: Gelder flossen überwiegend in Kohlestrom sowie in arbeits- und ressourcenintensive verarbeitende Industrien, Rohstoffgewinnung und Bau.
Nun vollzieht die Staatsführung in China – zu Hause schon länger auf Klimaneutralität bedacht – auch im Verhältnis zu Afrika einen Schwenk und stellt grüne Technologien in den Wirtschaftsbeziehungen weit oben auf die Agenda. Ohnehin waren Investments in Infrastrukturbauten oder Greenfields im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative in den vergangenen Jahren schon rückläufig. Bei dem am Donnerstag beginnenden Gipfel in Peking will die Volksrepublik mit Afrika das Geschäft mit erneuerbaren Energien und E-Mobilität ankurbeln. Schließlich haben chinesische Autobauer und Fabriken von Solar- und Windtechnologie bedeutsame Überkapazitäten aufgebaut, die sie nicht mehr ohne Gegenwehr in EU- und US-Märkte pumpen können.
Mehr als 20-jährige Bilanz wird gefeiert
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Afrika haben sich seit Anfang der 2000er-Jahre so deutlich intensiviert, dass die Volksrepublik heute der größte bilaterale Handelspartner und das wichtigste Exportziel für die meisten afrikanischen Länder ist. Peking ist seit 2013 der größte bilaterale ausländische Direktinvestor in Afrika – und auch der größte einzelne bilaterale Gläubiger. „Chinas vertiefte Wirtschaftsverbindungen und Investitionsströme nach Afrika sind“, so das Bostoner GDPC, „Gegenstand von Debatten über ihre Gestaltung, ihre Absichten und die Abwägung von Nutzen und Risiken – mit potenziellen Langzeitfolgen für die industrielle Entwicklung des Kontinents, die Modernisierung und den nachhaltigen wirtschaftlichen Wandel.“
STERN PAID 22_24 Zölle E-Autos 20.00
Das Weißbuch „China and Africa in the New Era: A Partnership of Equals“ aus der Feder des chinesischen Staatsrats bilanzierte 2021, chinesische Unternehmen hätten seit der Gründung des Forums für die Zusammenarbeit zwischen China und Afrika (FOCAC) im Jahr 2000 afrikanische Länder beim Bau oder der Modernisierung von mehr als 10.000 Kilometer Eisenbahnstrecken, knapp 100.000 Kilometer Autobahnen, rund 1000 Brücken, fast 100 Häfen und 66.000 km Stromübertragungs- und -verteilungsleitungen unterstützt. Nach Daten der Allgemeinen Zollverwaltung Chinas erreichte der chinesisch-afrikanische Handel 2023 ein Rekordhoch von 282 Mrd. Dollar.
Moderne grüne Technologie „made in China“
Wenn Staats- und Parteichef Xi Jinping nun den neunten China-Afrika-Gipfel eröffnet, will er unter dem Schlagwort der Modernisierung seine Gäste aus Ländern wie Gambia, Kenia, Nigeria, Simbabwe oder Südafrika nun dazu drängen, sich für eine emissionsärmere industrielle Entwicklung bevorzugt bei chinesischen Herstellern von Wind- und Solartechnik oder Elektrofahrzeugen zu bedienen. Zugleich möchte Peking seinen Zugang zu Rohstoffen verbessern, die für die Elektromobilität und künftige Speicherkapazitäten gebraucht werden, und die reichlich in Afrikas Boden schlummern – so wie Lithium, Kobalt und Kupfer in Botswana, Namibia und Simbabwe.
Schon im Vorfeld des Gipfels vereinbarten in Schanghai Regierungsbeamte und Experten beider Seiten eine „intensivere strategische Zusammenarbeit“, berichtete „China Daily“: zur Optimierung von Energiestrukturen sowie in den Bereichen emissionsarme Technologien, klimafreundliche Finanzierung und grüne Talentschmieden. Die Energiewende von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Quellen, so hieß es, sei entscheidend für den Klimaschutz und bedürfe erhöhter Investitionen in Technik und Infrastruktur.
Nach Auswertungen der Boston University ist die chinesische Darlehensvergabe für afrikanische Projekte längst auf grünere und mehr Hightech-Vorhaben eingeschwenkt. Statt mehr Brücken oder Straßen zu finanzieren, wurden Gelder für Solarfarmen, E-Auto-Fabriken oder 5G-Stationen für besseres Internet bereitgestellt. Von 4,2 Mrd. Dollar aus 13 Krediten 2023 an acht afrikanische Regierungen und zwei Regionalbanken wurden demnach 500 Mio. Dollar für Wasserkraft- und Solarprojekte angeboten.
Grüne Energiequellen versechsfachen
Seine Energiewende-Ambitionen hat Afrika zuletzt selbst in die Höhe geschraubt. Vor der Weltklimakonferenz 2023 verpflichtete sich die Afrikanische Union (AU) beim ersten Afrika-Klimagipfel, die Kapazität erneuerbarer Energien von derzeit rund 50 Gigawatt bis zum Jahr 2030 zu versechsfachen. Insofern könnten Chinas Exportziele bei den afrikanischen Staatsgästen durchaus auf fruchtbaren Boden fallen. Doch nehmen diese sich inzwischen auch stärker vor zusätzlicher Verschuldung in Acht.
Sein wachsendes Engagement für Klimaschutz in den internationalen Beziehungen betreibt China schon seit einigen Jahren. So wurde 2015 ein „South-South Climate Cooperation Fund“ gegründet, der Entwicklungsländern bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen soll. 2021 sagte Peking der AU zu, mehr Finanzmittel in saubere Energie und nicht mehr in Kohlekraftwerke zu stecken. In Kenia finanzierte Peking den Bau eines 50 Megawatt-Solarparks, der seit dem Start 2019 genug produziert, um mehr als 350.000 Personen in 70.000 Haushalten mit Strom zu versorgen.
Eine Luftaufnahme des 2019 ans Netz gegangenen Solarparks Garissa im Norden Kenias.
© Xinhua
Das World Resources Institute erinnert zudem daran, dass Peking bei seinen Zusagen zum Ausbau sauberer Energien künftig verstärkt auf „small and beautiful“-Projekte setzen will. So wird als erstes größeres Kooperationsprogramm der „Africa Solar Belt“ geplant, in dem bis 2027 rund 50.000 afrikanische Haushalte dezentral mit Solarstrom versorgt werden sollen. Solche Lösungen, wie etwa „Mini-grids“ kleinteiliger autonomer Netze, die meist auf Solarsystemen und lokalen Energiespeichern basieren, sind anfangs häufig unwirtschaftlich, so dass sich nur schwer private Investoren und Betreiber finden. Auch der chinesische „Solargürtel“ steckt noch in den Anfängen. Experten fordern, sowohl China wie der Westen müssten vor allem Engpässe in der Erstellung von Machbarkeitsstudien für Projektentwickler beseitigen helfen.
Strom aus Sonnenenergie gilt in vielen Teilen Afrikas als die billigste Energiequelle – gerade für Haushalte fern der zentralen Stromnetze. Experten der Internationalen Energie-Agentur (IEA) haben 2022 errechnet, dass allein das Budget für geplante chinesische Investitionen für Kohlekraftwerke in Afrika rund 50 Prozent der zur Versorgung benötigten neuen Photovoltaik-Anlagen abdecken könnte. Laut dem IEA-Nachhaltigkeitsszenario für Afrika könnten rund 80 Prozent der künftigen Stromerzeugungskapazitäten bis 2030 aus erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Wasserkraft und Erdwärme gewonnen werden.
Was den Schutz von Menschen- oder Landrechten angeht, sind aber auch grüne Projekte aufgefordert, größere Rücksicht zu nehmen. Rund um das genannte größte afrikanische Solarkraftwerk Garissa im Norden Kenias gab es zwar keine Proteste gegen Umsiedlungen oder gewalttätige Übergriffe wie wegen Ugandas Ölprojekt. Aber die Anrainer beklagen sich dennoch, dass Kleinbauern gern zur Bewässerung von dem Solarstrom profitiert hätten, aber nicht angeschlossen wurden. Wohl stimmte die Gemeinde seinerzeit dem Projekt zu und aufgegebenes Land wurde entschädigt – heute bedauern sie aber offenbar, dass sie ohne Not 200 Hektar Weideland abgegeben haben.