Hinter den Kulissen läuft an der Grenze eine spezielle deutsch-französische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Nach einem Vierteljahrhundert ist es Verantwortlichen zufolge Zeit für Änderungen.
Seit gut 25 Jahren arbeiten Deutsche und Franzosen an ihrer gemeinsamen Grenze bei der inneren Sicherheit diskret und geräuschlos zusammen. Beamte der Bundes- und der Landespolizei sowie des Zolls tauschen dazu in einem unscheinbaren Großraumbüro in Kehl rund um die Uhr Daten und Informationen mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich aus.
„Wir waren der Vorreiter“, sagte der deutsche Koordinator des sogenannten Gemeinsamen Zentrums, Maxime Fischer. Vorher habe es kein Zentrum dieser Art in Europa gegeben. Mittlerweile seien es rund 60 Einrichtungen.
„Es ist ein ureuropäisches und gleichzeitig sehr praktisches Projekt“, sagte Fischer der Deutschen Presse-Agentur in der badischen Grenzstadt im Ortenaukreis. Sein französischer Kollege Alain Winter fügte hinzu: „Für unsere Arbeit soll die Grenze verschwinden. Das ist das Ziel.“
Das Zentrum öffnete am 10. Mai 1999 im badischen Offenburg, wie das Landesinnenministerium mitgeteilt hatte. 2002 zog die Einrichtung dann nach Kehl – vom Hafenviertel hat man einen Blick auf das Straßburger Münster auf der anderen Rheinseite. Heute wollen Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) und die Präfektin der ostfranzösischen Großregion Grand Est, Josiane Chevalier, bei einem Treffen die Bedeutung des Zentrums für die grenzüberschreitende Partnerschaft in Sicherheitsfragen hervorheben.
Ansprechpartner für Sicherheitsbehörden
Die Einrichtung ist eine vor allem eine Drehscheibe für Informationen. Die rund 60 Beschäftigten aus beiden Ländern sind Ansprechpartner für die Sicherheitsbehörden, aber nicht für Bürgerinnen und Bürger. Auch Kontrollen, beispielsweise an der nahe gelegenen Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg, gehören nicht zum Aufgabenbereich.
„Wir beschäftigten uns vor allem mit kleiner und mittlerer Kriminalität“, resümierte Fischer. Er nannte Ermittlungsverfahren und Fahndungen, die das Grenzgebiet betreffen. Aber auch bei großen Sicherheitslagen wird das Zentrum einbezogen. Das betraf etwa die Brandanschläge auf mehrere Anlagen des französischen Bahnnetzes Ende Juli – unmittelbar zu Beginn der Olympischen Spiele in Paris.
Hilfe beim Wohnwagen-Diebstahl
Wenn ein Wohnwagen, der mit einem GPS-Ortungsgerät ausgestattet ist, auf der deutschen Seite des Rheins gestohlen wird, ruft der Besitzer zunächst bei der Polizei an. Diese kontaktiert dann in der Regel die Kehler Schaltstelle. „Der deutsche Kollege gibt es dann über den Tisch an den französischen Kollegen, um eine Fahndung in Frankreich einzuleiten“, berichtete Fischer. „Die Fahrzeuge können dann per GPS-Signal geortet werden, oft auf der Autobahn.“
Der französische Polizeioffizier Winter erzählte von einem anderen Fall, der deutlich komplizierter war und schon in Richtung Krimi ging: „Wir hatten auf der französischen Seite die Entführung eines Kindes. Der Vater holte es am Ausgang der Schule ab und fuhr dann in Richtung Dänemark.“ Es habe einen Dauerkontakt mit den Dienststellen in Frankreich und Deutschland gegeben. „Wir hatten nur das Kennzeichen des Autos vom Vater. Der Mann wurde schließlich an einer Autobahn-Tankstelle festgenommen.“
Anfrage auch aus Martinique
Im vergangenen Jahr gingen über 21.000 Anfragen bei der deutsch-französischen Dienststelle ein. „Die kommen sogar aus Martinique, wenn es dort Probleme mit Deutschen gibt“, sagte Winter mit Blick auf die französische Karibikinsel. Die meisten Bitten aus seinem Heimatland kommen demnach gar nicht mehr aus den grenznahen Départements, sondern aus dem ganzen Land – Überseegebiete inbegriffen.
Auch deswegen werde unter der Federführung der Innenministerien beider Länder verhandelt, das Mondorfer Abkommens von 1997 zur engeren Zusammenarbeit von Polizei und Zoll zu reformieren. Es ist nach den Worten Fischers ein sehr alter Polizeivertrag. „Berlin und Paris haben verstanden, dass wir nicht nur an der Grenze arbeiten, sondern auch im gesamten Staatsgebiet“, bilanzierte sein französischer Kollege Winter. Wann es einen neuen Vertrag geben werde, sei bisher aber offen.
Koordinator: „Hier spricht man Französisch und Deutsch“
Sprachliche Hürden soll es in Kehl nicht geben – die Mitarbeiter sind entsprechend ausgebildet. „Zwischen Paris und Berlin spricht man häufig auf Englisch“, meinte Winter. „Ici, on parle en français et en allemand“ („Hier spricht man Französisch und Deutsch.“), sagte er mit einem gewissen Stolz.
In dem Großraumbüro gebe es zwar einen deutschen und einen französischen Bereich. Doch ein Denken in klassischen Zuständigkeiten sei oft nicht mehr praktikabel. „Jeder macht alles“, so lautet das Motto.
Gerade nachts oder an Wochenenden kann etwa eine Anfrage von der Bundespolizei von einem Landesbeamten oder einem Zöllner bearbeitet und dann an einen französischen Gendarmen weitergereicht werden. Die Gendarmerie gehört im Nachbarland zu den Streitkräften, nimmt aber auch Polizeiaufgaben wahr. Das Zentrum hat Koordinator Fischer zufolge eine Vermittlerrolle, die inzwischen weit über das Tagesgeschäft hinausreicht. „Könnt Ihr uns Informationen geben?“ – so oder ähnlich lauten Fragen aus Deutschland, falls es in Frankreich Attentate und Unruhen gibt.