Landesfest: Hessentag-Kosten weiter umstritten

Neben vielen Besuchern und Bekanntheit bringt der Hessentag den Gastgeber-Städten regelmäßig Millionen-Defizite. Auch in diesem Jahr sorgen die Kosten für Diskussionsstoff.

Debatten um hohe Kosten für die Hessentage haben eine fast so lange Tradition wie das Landesfest selbst. Auch zum diesjährigen Hessentag im nordhessischen Fritzlar erneuerte der Bund der Steuerzahler seine Kritik an den finanziellen Belastungen für die ausrichtenden Städte. Doch die wollen sich das Fest nicht nehmen lassen und schauen neben den Zahlen auch auf andere Faktoren: Bekanntheit und Imagegewinn, Investitionen, mehr Tagesausflügler und ein gestärktes Gemeinschaftsgefühl, weil das Event gemeinsam gestemmt wurde – unterm Strich seien die Hessentage ein Gewinn auch für die Gastgeber-Städte, heißt es von Befürwortern.

„Mit zehn Tagen und rund 20 Millionen Euro Kosten für die öffentliche Hand ist der Hessentag das längste und teuerste Landesfest Deutschlands“, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hessen, Joachim Papendick. Die Grundidee, Menschen aus allen Landesteilen zusammenzubringen, sei nicht verkehrt und 1961 habe man auch bescheiden mit einem Wochenende begonnen. Inzwischen sei daraus aber ein ausuferndes Unterhaltungsevent mit Millionenkosten geworden. Für kleinere Kommunen bedeute dies eine hohe Belastung.

„Der Hessentag dürfte daher nur eine Zukunft haben, wenn man sich auf die Ursprungsidee besinnt und kürzer und/oder seltener gefeiert wird – so wie es alle übrigen Bundesländer vormachen“, erklärte Papendick. Niedersachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz kämen inzwischen mit einem dreitägigen Fest alle zwei Jahre aus. „Dass Fritzlar als diesjähriger Ausrichter vorangegangen ist und den Kostentreiber Hessentags-Arena gestrichen hat, ist ein unmissverständliches Signal: Das bisherige Konzept ist nicht mehr zeitgemäß“, erklärte Papendick. Die neue CDU/SPD-Landesregierung müsse das Fest auf ein vernünftiges Maß reduzieren.

Doch in Wiesbaden weist man die Kritik zurück. „Ein kürzerer Hessentag wäre nicht wesentlich günstiger als das aktuelle Format mit zehn Tagen“, erklärt der Chef der Hessischen Staatskanzlei, Benedikt Kuhn (CDU), auf Anfrage. Dies liege vor allem an den Fixkosten für Infrastruktur, Sicherheit und Werbung. Der Hessentag sei die Festwoche des Landes, das größte und älteste Landesfest Deutschlands. „Darauf sind wir stolz, und diese gute Tradition wollen wir erhalten“, erklärte Kuhn. Das Landesfest sei Identitätsstifter und Investitions- und Wachstumsmotor für die gesamte Region. „Der Hessentag dauert zehn Tage, wirkt aber für Jahre“, erklärte Kuhn.

Vorfreude beim nächsten Gastgeber

Auch für Bad Vilbel als nächste Gastgeber-Stadt steht der Nutzen außer Frage – auch wenn sich die Stadt schon mal auf ein Millionen-Defizit einstellt. „Zum einen lohnt sich der Hessentag, weil Bad Vilbel zehn Tage im öffentlichen Fokus Hessens steht. Viele Menschen werden das erste Mal nach Bad Vilbel kommen, und wir möchten den nachhaltigen Effekt erzielen, dass sie danach gern und häufig wiederkommen“, erklärt ein Stadtsprecher.

Zudem habe man viele Investitionen anstoßen können und Förderungen für Maßnahmen erhalten, die die Stadt andernfalls nicht oder erst viel später hätte realisieren können. Wie schon 2020, als Bad Vilbel den Hessentag pandemiebedingt absagen musste, rechne man mit rund 11,5 Millionen Euro Kosten, die sich aus den Fördersummen zusammensetzen: 6,5 Millionen Euro für investive Maßnahmen, 2 Millionen Euro für den Defizitausgleich im Veranstaltungsbereich sowie ein städtisches Defizit von höchstens 3 Millionen Euro.

Auch der Hessische Städte- und Gemeindebund spricht von einem Gewinn für die Städte und fürs soziale Miteinander. „Der Hessentag bringt alljährlich Hunderttausende zusammen, friedlich und fröhlich. Sein Grundgedanke: Menschen zusammenbringen, Verständnis für einander wecken und Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft stiften: Das ist noch so aktuell wie beim ersten Hessentag vor über 60 Jahren“, erklärt Geschäftsführer David Rauber.

Ausbau der Infrastruktur

Zwar seien erhebliche finanzielle Lasten zu stemmen. „Viele frühere Hessentagsstädte resümieren aber: Für uns hat es sich insgesamt bezahlt gemacht.“ Durch den Ausbau der Infrastruktur bleibe Positives hängen und die ausrichtenden Städte würden auch als Ausflugsziele bekannter. „Man hört es ja auf dem Hessentag nicht selten: „Hier kommen wir nochmal hin““.

Mit Blick auf die Kosten lohnt aus Raubers Sicht dennoch ein genauer Blick. So könne der Verzicht auf die erfahrungsgemäß kostspielige Hessentagsarena wie in diesem Jahr in Fritzlar ein „interessanter Ansatz“ sein, erklärte er. „Auf den ganz großen Halligalli mit ganz vielen ganz großen Namen verzichten. Wenn das Fest in Fritzlar dann trotzdem gelingt, wäre das schon eine wichtige Erkenntnis für kommende Hessentage.“ Das Fest müsse grundsätzlich auch für finanziell nicht so starke Städte und Gemeinden zu bewältigen sein, wenn es wirklich die Vielfalt des Landes und seiner Regionen abbilden solle.

Verzicht aus Geldmangel

Die hohen Kosten sorgen schon lange für Diskussionsstoff. So hatte Hanau Anfang 2013 aus Geldmangel beschlossen, auf eine Bewerbung zu verzichten, bereits zwei Jahre zuvor zog sich das nordhessische Vellmar zurück und auch Alsfeld musste aus finanziellen Gründen für das Landesfest im Jahr 2010 abwinken. Im südhessischen Pfungstadt blieb im vergangenen Jahr ein Defizit von mehr als zehn Millionen Euro. Die Verhandlungen darüber, inwieweit sich das Land hier beteiligt, dauern nach Mitteilung der Stadt an. Es sei deutlich geworden, dass die Konzeption verbesserungsfähig sei, teilte Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch (SPD) auf Anfrage mit.

Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sieht den Hessentag als „eine hervorragende Idee, die in seiner Grundrahmung bis heute als verbindendes, identitätsstiftendes Ereignis steht“ – doch müssten auch die Rahmenbedingungen für so eine Großveranstaltung immer wieder neu bewertet werden. „Vor allem durch Energiekrise, Inflation, Kräfte- und Fachkräftemangel und vieles mehr sind die Veranstaltungskosten gestiegen. Ob der Hessentag zehn Tage dauert und ob internationale Künstler bei dem Fest auftreten sollen, sei zu diskutieren. Für Hanau kann sich Kaminsky gut vorstellen, nach 1963 erneut Gastgeber-Stadt für den Hessentag zu sein – „wenn die finanziellen Rahmenbedingungen abbildbar sind“, so der OB.