Landtagswahlen: Sachsen nach der Wahl: Analyse und nächste Schritte

Was folgt für Sachsen aus dem Landtagswahlergebnis? Macht Ministerpräsident Kretschmer weiter? Und wenn ja, mit wem? Eines ist schon jetzt klar: Die Regierungsbildung wird kompliziert.

Nach der Landtagswahl beginnt in Sachsen die Suche nach einer tragfähigen Regierungsmehrheit für die nächsten fünf Jahre. Am Vormittag wollen die Landesvorsitzenden und Generalsekretäre der Parteien in Dresden Stellung zum Wahlausgang beziehen. Auch in Berlin werden Spitzenkandidaten sich zum Ergebnis äußern. Für den Abend haben einige Parteien die ersten Vorstandsitzungen angesetzt.

Nach dem vorläufigen Ergebnis wurde die CDU mit 31,9 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft. Die AfD kam mit 30,6 Prozent auf Rang zwei. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schaffte aus dem Stand 11,8 Prozent und dürfte bei der künftigen Regierungsbildung ein Wort mitreden. Die SPD erhielt 7,3 Prozent, die Grünen liegen bei 5,1 Prozent. Die Linken schafften es mit 4,5 Prozent nur in den Landtag, weil sie in Leipzig zwei Direktmandate holten – dann greift eine Klausel, wonach sie entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis ins Parlament einziehen, obwohl sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen. Die Wahlbeteiligung betrug 74,4 Prozent.

Die vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD bekommt 41 Sitze im Landtag (38), die CDU 42 Mandate (45). Das BSW stellt 15 Abgeordnete. Die SPD erhält 9 Sitze (10), die Grünen kommen auf 6 Sitze (12), ebenso wie Die Linke (14). Die Freien Wähler, die 2,3 Prozent erhielten, sind mit einem Abgeordneten im Parlament vertreten, der ein Direktmandat gewann. Die bisherige Koalition aus CDU, Grünen und SPD hat damit keine Mehrheit mehr.

Kretschmer: Regierungsbildung wird nicht einfach

„Das wird alles nicht einfach“, sagte der amtierende Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU bereits am Sonntag zur Suche nach einer neuen Koalition. „Aber eines gilt: Mit vielen Gesprächen und dem Willen, etwas für dieses Land zu tun, kann es gelingen, mit diesem Wahlergebnis Sachsen eine stabile Regierung zu geben, die dem Land dient und mit Demut vorangeht.“ 

Der sächsische AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban kündigte an, den Druck auf eine künftige Landesregierung als Oppositionspartei weiter aufrechterhalten zu wollen. „Wir werden das machen, was wir die ganzen Jahre hier im sächsischen Landtag gemacht haben: Wir werden diese Regierung vor uns hertreiben.“

BSW will kein „Steigbügelhalter“ für Ministerpräsidenten sein

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nannte das Ergebnis „historisch“ und stellte klar, nicht als „Steigbügelhalter für den derzeitigen Ministerpräsidenten“ zur Verfügung zu stehen. „Mit uns wird es nur einen Neustart geben. Wir werden nicht die Mehrheitsbeschaffer“, sagte Parteivorsitzende Sabine Zimmermann mit Blick auf mögliche Koalitionsgespräche. 

SPD-Chef Henning Homann bezeichnete das Ergebnis seiner Partei als Achtungserfolg. Nach den Umfragen hatte die SPD um ihren Wiedereinzug in den Landtag fürchten müssen. „Wir haben immer gesagt, uns geht es um Sachsen“, betonte er. Die sächsische SPD wolle sich nicht in Diskussionen über bundes- oder weltpolitische Themen verlieren, sondern sich auf den Freistaat konzentrieren. 

Nach Auffassung von Grünen-Chefin Christin Furtenbacher ist das Wahlergebnis nicht das, was die Menschen in Sachsen verdienten. Viele politische Kräfte hätten versucht, die Grünen mit aller Kraft niederzudrücken, sagte Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert. „Was haben wir gemacht? Wir sind oben geblieben.“ 

Linke-Chef fordert grundlegenden Neuanfang seiner Partei

Vor allem den Linken steht eine gründliche Aufarbeitung des Ergebnisses bevor. Denn ohne die gewonnenen Direktmandate wären sie aus dem Landtag verschwunden – erstmals in einem ostdeutschen Landesparlament seit der Wende. 

Landeschef Stefan Hartmann forderte einen grundlegenden Neuanfang der Partei. Mit ihrem Einzug in das Parlament über die Grundmandatsklausel sorgten die Linken dafür, dass ein Fortbestehen der aktuellen Koalition aus CDU, Grünen und SPD nicht mehr möglich ist – es sei denn, die Koalition wird von den Linken toleriert. 

Der Leipziger Politologe Hendrik Träger hielt am Wahlabend eine vom BSW tolerierte Minderheitsregierung von CDU und SPD für überlegenswert. „Solche Regierungsformate sind beispielsweise in skandinavischen Ländern üblich. Insofern ist es empfehlenswert, über den Tellerrand Deutschlands hinauszuschauen.“

Politikwissenschaftler Johannes Kiess sagte eine extrem schwierige Regierungsbildung in Sachsen und Thüringen voraus. Dazu habe auch der „Anti-Ampel-Wahlkampf“ der CDU beigetragen. Zudem gebe es mit dem BSW eine sehr unklare, neue Variable im Spiel. „Auch wenn sich das BSW für eine konstruktive Rolle entscheidet, ist fraglich, wie stabil diese Beteiligung im nächsten Jahr vor der Bundestagswahl ist“, sagte Kiess der Deutschen Presse-Agentur.

Wissenschaftler: Keine guten Nachrichten für politische Kultur 

Der Wissenschaftler sagte: „Die AfD und auch das BSW konnten in der derzeitigen gesellschaftlichen Stimmung ihr Potenzial mobilisieren, die Milieus von SPD und Grüne sind hingegen eher demobilisiert. Die CDU ist weit davon entfernt, nur mit einem Partner eine Koalition einzugehen. Das sind keine guten Nachrichten für die politische Kultur in Deutschland.“