Netanjahu mit Hakenkreuz – dafür vergibt die Berliner TU-Präsidentin ein Like. Jetzt bittet sie um Entschuldigung. Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank erklärt, was den Post antisemitisch macht.
Die Präsidentin der Technischen Universität, Geraldine Rauch, hat für das Liken umstrittener Posts im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza eigene Fehler eingeräumt. „Ich habe auf der Plattform X einige Tweets „geliked“, welche die Situation in Gaza und Rafah aufgreifen, die aber antisemitischen Inhalts oder Ursprungs sind“, sagte die Wissenschaftlerin laut Mitteilung. Sie nehme die Vorwürfe gegen sich ernst und wolle sich von den antisemitischen Inhalten oder Autoren der Tweets ganz klar distanzieren. Sie versprach, im Falle einer Besetzung der TU ähnlich wie an der HU Berlin entsprechend zu handeln.
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra hatte Rauch zuvor zu einer öffentlichen Klarstellung aufgefordert. „Es darf zu keiner Zeit einen Zweifel daran geben, dass sich die Berliner Hochschulen von jeglicher Gewalt und Antisemitismus distanzieren und für demokratische Werte einstehen“, erklärte die SPD-Politikerin.
Ein Herzchen für ein Bild von Netanjahu mit Hakenkreuz
Rauch nimmt in ihrer Stellungnahme Bezug auf einen Beitrag mit Fotos von Demonstranten, die ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten. Der Urheber des Tweets, gibt an, dass auf den Bildern türkische Demonstranten zu sehen seien, die einen Waffenstillstand im Gazastreifen forderten und die Operation in Rafah verurteilten. „Für mich stand das schriftliche Statement mit dem Wunsch für einen Waffenstillstand im Vordergrund“, sagte Rauch.
Sie habe den Tweet wegen seines Textes geliked und das darunter gepostete Bild zu dem Zeitpunkt nicht genauer betrachtet. Für diesen Fehler wolle sie sich aufrichtig entschuldigen. „Ich möchte ganz ausdrücklich betonen, dass ich den Tweet nicht geliked hätte, wenn ich die antisemitische Bildsprache aktiv wahrgenommen hätte oder wenn ich mich mit dem Account des Verfassers beschäftigt hätte.“ Rauch soll außerdem Beiträge auf X mit „Gefällt mir“ markiert haben, in denen unter anderem der Krieg in Gaza als Völkermord oder Israel als Kriegsverbrecher bezeichnet wird. Zunächst hatte die „Jüdische Allgemeine“ darüber berichtet. Der X-Account der Hochschulpräsidentin ist mittlerweile gelöscht.
Kritik von Bildungsstätte Anne Frank, der TU und Felix Klein
Präsidiumsmitglieder der TU bezeichneten den Tweet als „eindeutig antisemitisch“. „Das ist ein inakzeptabler Fehler. Von dieser Handlung und von jeglichem Antisemitismus distanzieren wir uns entschieden.“
Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main erklärt, was ihr Verhalten antisemitisch macht. „Ein Post, in dem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuz dargestellt wird, relativiert den Holocaust. Das müsste auch Frau Rauch wissen“, erklärt der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel. „Gerade Hochschulprofessoren sollten den Studierenden zeigen, wie man sich in den sozialen Medien verantwortlich verhält und sich der möglichen Konsequenzen ihres Handelns bewusst sein.“ Die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main setzt sich für den Kampf gegen Antisemitismus ein.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kann nachvollziehen, dass jüdische Studierende „und alle, die Antisemitismus auf dem Campus nicht akzeptieren wollen“, von Rauchs Verhalten schockiert sind, wie er der „Bild“ sagte. „Wie sollen jüdische Studierende einer Universitätspräsidentin ihre Sicherheit anvertrauen, wenn diese Aussagen liked, die genau den Antisemitismus wiedergeben, wegen dessen viele Hochschulen eben keine sicheren Orte für Jüdinnen und Juden mehr sind?“, sagte er der Zeitung.
Auch neuer Antisemitismusbeauftragter steht in der Kritik
Die TU steht derzeit auch wegen der Ernennung des neuen Antisemitismusbeauftragten der Technischen Universität Berlin, Uffa Jensen, in der Kritik. Der Zentralrat der Juden nannte die Besetzung in einer Presseerklärung „eine Enttäuschung“ und warf dem Historiker unter anderem vor, Gegner der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zu sein. Jensen entgegnete in einer Stellungnahme, dass er die Definition, „wie viele meiner jüdischen Kollegen“, begründet kritisiert habe.
Vereinzelt wird der letzte Satz der IHRA-Defintion kritisiert, eigentlich zulässige Kritik an israelischer Politik als antisemitisch zu diskreditieren. Die IHRA stellte dazu aber ausdrücklich klar: „Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden.“ Es gibt auch andere Antisemitismus-Definitionen wie etwa die Jerusalemer Erklärung, der aber wiederum eine Verharmlosung oder sogar Negierung von israelbezogenem Antisemitismus vorgeworfen wird.
Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank hält wenig davon, wenn Wissenschaftler ideologisch der einen oder anderen Definition von Antisemitismus einen Treuschwur leisteten. „Das ist eher ein Teil des Problems und führt zur Lagerbildung. Wir müssen als Wissenschaftler in der Lage sein, die unterschiedlichen Definitionen anzuwenden, um Antisemitismus ganzheitlich zu verstehen.“
Artikel Jüdische Allgemeine