Unbesiegbaren-Besieger Leipzig zeigt in Leverkusen, dass mit dem Team in dieser Saison zu rechnen ist. Der Trainer sollte an seiner Selbstbeherrschung arbeiten.
Lois Openda schoss genüsslich ein Sieger-Selfie auf dem Rasen des nicht mehr unbezwingbaren Bayer Leverkusen, Xavi Simons wollte am liebsten die ganze Welt umarmen. „Das sind mehr als drei Punkte“, sagte der Spielmacher von RB Leipzig nach dem 3:2 beim Meister und Pokalsieger. „Ich bin so stolz auf das Team, aber wir dürfen uns jetzt nicht ausruhen. Lasst uns weitermachen.“
Unbesiegbaren-Besieger könnten sie sich in Leipzig nun auf T-Shirts drucken lassen, schließlich gaben sie dem Double-Sieger nach 35 Spieltagen in der Fußball-Bundesliga ein fast schon vergessenes Gefühl zurück. Openda könnte sich durch seine zwei Tore – dank Unterstützung von Bayer-Torwart Matej Kovar – als Matchwinner feiern lassen, doch das würde die starke Teamleistung untergraben.
Kampl lobt die Willensstärke
Trainer Marco Rose stellte in der Abwehr überraschend auf eine Dreierkette um mit dem 19 Jahre alten El Chadaille Bitshiabu als zentralen Verteidiger im gegnerischen Ballbesitz. Das passte in der ersten Halbzeit selten, Leverkusens führte nur 2:0. „Da gab es auch Situationen, die wir sehr glücklich überstanden haben“, drückte es Sportdirektor Rouven Schröder diplomatisch aus. Und fügte dann den entscheidenden Satz an: „Trotzdem war uns klar, dass wir zuschlagen können – das hat uns am Leben gehalten.“
Der Anschluss von Kevin Kampl in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit darf als Knackpunkt angesehen werden. Im positiven Sinn vor allem für die Leipziger Psyche. „Wir haben daran geglaubt, das 0:2 drehen zu können. Dass es dann geklappt hat, liegt am großen Willen“, sagte der Torschütze. „Wir wussten, dass es extrem schwer werden würde, hier zu gewinnen. Denn was Leverkusen spielt, ist außergewöhnlich.“
„Unglaubliches Potenzial“
Leverkusen war vor allem außergewöhnlich darin, Chancen zu vergeben und die neue Leipziger Defensive ohne den rotgesperrten Kapitän Willi Orban wurde mit jeder Minute selbstbewusster und besser. Letztlich war der Erfolg tatsächlich mehr wert als drei Punkte: In einem Spitzenspiel ohne den Abwehrchef anzutreten, bei einem übermächtigen Gegner 0:2 zurückzuliegen, nach einer halben Stunde Trainer Marco Rose durch Gelb-Rot zu verlieren – und am Ende doch noch als Sieger dazustehen.
Davon kann die Mannschaft die nächsten Wochen zehren. Und im Gegensatz zu den vergangenen Spielzeiten steht man nach zwei Spieltagen mit sechs Punkten bestens da, rennt nicht den eigenen Ambitionen hinterher. „Das gibt uns einfach ein gutes Gefühl, vor allem für die vielen neuen und jungen Spieler. Es ist auch ein Zeichen: Wir müssen an uns glauben, denn wir haben unglaubliches Potenzial“, sagte Schröder.
Rose gelobt Besserung
Nicht nur Potenzial, sondern bereits eine gewisse Reife. Das zeigte sich vor allem in der Schlussphase, die weitestgehend abgeklärt weg verteidigt wurde. Diese Besonnenheit mag man auch Trainer Rose wünschen. Der 47-Jährige hatte nach seiner Beschwerde nach einem harmlosen Foul an Openda bereits die Gelbe Karte gesehen, aber hörte mit der Motzerei einfach nicht auf. Nun muss Rose beim nächsten Spiel gegen Union Berlin (14. September) von der Tribüne aus zuschauen.
„Der ein oder andere mag sagen, der Rose ist unbelehrbar. Aber ich sage auch, ich habe jetzt niemanden geschlagen oder irgendwas“, sagte Rose im ZDF. Die Entscheidung sah er dennoch als richtig an: „Das geht ganz klar auf mich.“ Der Coach gelobte Besserung – nicht zum ersten Mal. In der vergangenen Saison hatte Rose nach vier Gelben Karten bereits in Heidenheim aussetzen müssen. Er wird sich an seinen Worten messen lassen müssen.