Seit vier Jahren wird vor Gericht um Aussagen eines Bremer Pastors gerungen. Hat Olaf Latzel die Menschenwürde verletzt? Eine Antwort findet das Gericht nicht – kommt aber trotzdem zu einem Beschluss.
Der juristische Streit um Äußerungen des Bremer Pastors Olaf Latzel könnte bald ein Ende haben. Das Landgericht Bremen werde das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen den Mann einstellen, kündigte die Vorsitzende Richterin an. Der Theologe müsse dafür innerhalb von sechs Monaten 5.000 Euro an den gemeinnützigen Bremer Verein Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben zahlen.
Pastor sprach abfällig über queere Menschen
Dem Pastor der St. Martini-Gemeinde in Bremen wurden Äußerungen während eines Eheseminars im Oktober 2019 zum Verhängnis. In dem Seminar mit dem Titel „Biblische Fahrschule zur Ehe“ schimpfte er über „Genderdreck“ und „Verbrecher“ vom Christopher Street Day. Er warnte die Ehepaare vor der „Homo-Lobby, dieses Teuflische, kommt immer stärker, immer massiver, drängt immer mehr hinein“.
Die Aussagen gelangten als Audiodatei online und sorgten für massive Kritik. Bei den Ermittlern gingen nach eigenen Angaben mehrere Anzeigen ein. Latzel löschte daraufhin die Datei und entschuldigte sich online.
Auch vor dem Landgericht räumte der Pastor jetzt „schwere Fehler“ ein. „Diese sprachlichen Entgleisungen hätten nicht passieren dürfen“, betonte Latzel. Er habe das Gebot der Nächstenliebe verletzt und bitte die Betroffenen um Entschuldigung. Der Fall landete noch einmal vor Gericht, nachdem das Hanseatische Oberlandesgericht ein Urteil vom Mai 2022 aufgehoben hatte.
Juristischer Streit seit mehr als vier Jahren
Der Fall beschäftigt die Justiz schon seit mehr als vier Jahren. In einem ersten Verfahren im November 2020 hatte das Amtsgericht Bremen keine Zweifel: Olaf Latzel habe Menschen beschimpft, sie verächtlich gemacht und in ihrer Würde verletzt. Das Gericht verurteilte ihn wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro.
Der Pastor akzeptierte das Urteil nicht und legte Berufung ein. Er habe sich mit seinen Aussagen nur auf Textstellen des Alten und Neuen Testaments berufen, so seine Argumentation. Er lehne Homosexualität als Sünde ab, Homosexuelle seien – wie alle Sünder – in seiner Gemeinde willkommen.
Auch das Landgericht Bremen sah die Äußerungen durch die Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt und sprach Latzel im Mai 2022 frei. Daraufhin legte die Staatsanwaltschaft Revision ein, der Fall landete vor dem Hanseatische Oberlandesgericht. Das Urteil sei zu knapp und lückenhaft, kritisierten die Richter im Februar 2023 und hoben den Freispruch wieder auf. Die Religionsfreiheit komme an ihre Grenzen, wenn die Menschenwürde betroffen sei.
Landgericht Bremen findet keine klare Antwort
Hat Olaf Latzel mit seinen Worten Menschen in ihrer Würde verletzt? Oder hat er von seinem Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit Gebrauch gemacht? Das sei unter Juristen genauso umstritten wie innerhalb der Bevölkerung, sagte die Vorsitzende Richterin. Egal zu welchem Urteil das Landgericht käme, wäre eine Seite nicht einverstanden. Der juristische Streit könnte sich noch viele Jahre hinziehen.
Die Entschuldigung von Olaf Latzel sei authentisch, befand die Vorsitzende Richterin. Auch um ihm weitere Belastungen zu ersparen, stelle das Gericht das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage ein. Ein Hinweis gab die Richterin dann doch: „Wir sind der Ansicht, dass man seine Worte in der Öffentlichkeit stets mit Bedacht wählen sollte.“ Erst recht als Pastor, der eine Vorbildfunktion habe.
Noch nicht alle juristischen Fragen geklärt
Wenn Olaf Latzel das Geld rechtzeitig an den Verein zahlt, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Es gibt dann kein Urteil – und der 56-Jährige gilt weiterhin als unschuldig.
Das könnte auch für seine Zukunft als Pastor entscheidend sein. Denn gegen Olaf Latzel läuft noch ein Disziplinarverfahren. Die Bremische Evangelische Kirche hatte sich von ihm distanziert, ihn zeitweise suspendiert. Momentan darf Latzel unter Auflagen predigen, die Kirche wartete die Gerichtsentscheidung ab.
Noch an diesem Nachmittag wollen die Verantwortlichen über das weitere Vorgehen beraten, sagte ein BEK-Sprecher. Ob dann gleich eine Entscheidung falle, sei noch unklar.