Justiz: Fast 22.000 Verfahren belasten Verwaltungsgerichte

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat einen neuen Präsidenten. Frank-Thomas Hett ist gegen den Abbau von Richterstellen – zu groß sei der Berg an Verfahren, die man vor sich herschiebe.

Die sieben Verwaltungsgerichte in Niedersachsen hatten Ende 2023 einen Bestand von 21.880 Verfahren, die zusätzlich zu den neu eingehenden bearbeitet werden müssen. „Wir hatten in den Jahren 2016 bis 2018 mit der Flüchtlingsbewegung aus Syrien extrem hohe Eingänge im Asyl- und Ausländerrecht und schieben immer noch einen hohen Bestand vor uns her“, sagt der neue Präsident des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG), Frank-Thomas Hett, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Der ehemalige Justizstaatssekretär und CDU-Mitglied ist seit April in Lüneburg, er folgte auf Thomas Smollich (SPD).

„Ich würde mir wünschen, dass wir keine Richterstellen abbauen müssen“, betont der 63 Jahre alte Jurist aus Hannover. Von fast 220 Stellen inklusive des OVG sei ein Teil nur befristet. „Wir haben es immer mit Wellenbewegungen zu tun und können oft nicht so schnell reagieren.“ So sei die 75-jährige Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch ein Spiegel der Gesellschaft. Sei es in der Vergangenheit um Themen wie Kriegsdienstverweigerung, Numerus Clausus an Universitäten, Verfahren gegen Kernkraftwerke und Atommüll-Endlager sowie im Nachgang zum Volkszählungsurteil gegangen, hätten in den 1990er Jahren mit der Fluchtbewegung aus Rest-Jugoslawien erstmals die Verfahren im Asyl– und Ausländerrecht massiv zugenommen.

„Die Entwicklung hält bis heute an, etwa 45 Prozent der Eingänge in der ersten Instanz sind Verfahren von geflüchteten Menschen vor allem aus Syrien, Georgien, Irak, Türkei, Afghanistan und Kolumbien“, erläutert Hett.

Für ihn ist die unabhängige Richterschaft ein extrem hohes Gut: Das habe sich in der Corona-Pandemie gezeigt, als das OVG einige unbequeme Urteile auch gegen politische Entscheidungen getroffen habe. „Dass wir so glimpflich davongekommen sind, hat auch damit zu tun, dass Entscheidungen der Politik von Bürgern hinterfragt werden können“, sagte er. „So etwas gibt es in China oder anderen totalitären Staaten nicht“.

Eine große Herausforderung sei die Digitalisierung an den Verwaltungsgerichten. Zwar gebe es bis Ende des Jahres flächendeckend die elektronische Akte und es könne viel flexibler auch im Homeoffice gearbeitet werden, was besonders von den jüngeren Kolleginnen und Kollegen geschätzt würde. „Die Rechtsprechung ist aber auch ein sozialer Beruf. Liege ich richtig mit meiner Einschätzung ist eine Frage, die ich immer gern mit Kollegen der Kammer vor Ort diskutiert habe“, erzählt der promovierte Jurist.