Ein halbes Team geht. Fünf, sechs Neue kommen. So hat sich der FC Bayern seinen Umbruch mal vorgestellt. Der Saisonstart aber zeigt: Viele alte Gesichter prägen das neue Team. Eines ganz besonders.
Franz Beckenbauer. Sepp Maier. Lothar Matthäus. Oder Oliver Kahn. All diese großen Namen haben mit dem FC Bayern München viele Trophäen gewonnen. Aber niemand von ihnen hat für den erfolgreichsten deutschen Fußball-Club so viele Bundesliga-Spiele bestritten wie Thomas Müller.
Beim 3:2 (1:0) am ersten Spieltag in Wolfsburg kam der 34-Jährige zum 474. Mal für die Bayern in der höchsten deutschen Spielklasse zum Einsatz und stellte damit einen Vereinsrekord auf. Zum Profi mit den meisten Bayern-Spielen in allen Wettbewerben will Müller dann am kommenden Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) aufsteigen, wenn er gegen den SC Freiburg zum 710. Mal in Bundesliga, DFB-Pokal oder Champions League für den deutschen Rekordmeister auflaufen kann und die Torwart-Legende Sepp Maier dann auch in diesem Ranking von der Spitze verdrängen würde.
Ob er dafür auch eine Statue vor der Münchner Arena haben wolle, so wie es sie für Gerd Müller bereits gibt und für Franz Beckenbauer bald geben soll? „Wir leben in einer so modernen Zeit, unsere Erfolgsgeneration braucht keine Statuen. Für uns gibt es wahrscheinlich irgendwann mal eine Datei, eine Cloud oder einen QR-Code“, sagte Müller in einem „Kicker“-Doppelinterview mit ihm und dem 80-jährigen Maier.
Dass Müller auch in seinem vielleicht letzten Profijahr noch immer einen großen Einfluss auf das Bayern-Spiel nehmen kann, war in Wolfsburg gut zu sehen. Als der Routinier in der 65. Minute für den Franzosen Sacha Boey eingewechselt wurde, stand es aus Sicht der Münchner 1:2. Nur 17 Minuten später hieß es dann standesgemäß 3:2 und der Siegtorschütze Serge Gnabry sagte hinterher beim Internet-Sportsender DAZN über Müllers Vorarbeit: „Manchmal macht der Sachen mit seinem Body, das ist der Wahnsinn!“
Es war überhaupt eine der Szenen dieses Saisonstarts, als Müller auf das Spielfeld kam und auf einem kleinen Zettel die taktischen Anweisungen des neuen Trainers Vincent Kompany an Joshua Kimmich und Aleksandar Pavlovic weitergab. Kimmich spielt wieder im Zentrum, Müller „bringt eine richtig gute Energie rein“ (Sportdirektor Christoph Freund) – und das entscheidende Tor schießt am Ende der schon fast vergessene Gnabry (82. Minute).
Auch das zeigt: Der lange geplante, groß angekündigte und massiv forcierte Umbruch beim FC Bayern ist bisher praktisch ausgefallen. Nur ein Neuzugang (Michael Olise) spielte am Sonntag mit in Wolfsburg, während noch viele bekannte Gesichter da waren.
Müller dachte nur zweimal an Weggang
Und so rächt sich nun in München, dass die Kaderplanung der vergangenen fünf Jahre von fünf verschiedenen Trainern, drei Sportchefs und drei Vorstandsvorsitzenden mitbestimmt wurde. Leon Goretzka oder Kingsley Coman haben so gut dotierte Verträge, dass sie nur wenig Antrieb zum Vereinswechsel haben. Eric Dier oder Raphaël Guerreiro passten zwar zu den Vorstellungen von Thomas Tuchel, aber offenbar kaum zu denen von Kompany.
Mit dem ewigen Müller dagegen wollten immer alle zusammenarbeiten. Oder zumindest fast. In dem „Kicker“-Interview erzählte der Weltmeister von 2014, dass er nur zweimal in den vergangenen 15 Profijahren darüber nachgedacht habe, seinen FC Bayern zu verlassen.
„Als ich zum Beispiel unter Niko Kovac ins zweite Glied gerutscht bin“, sagte er: „Damals wäre ich für etwas weniger Vereinstreue offen gewesen.“ Oder als ihn Louis van Gaal unbedingt nach Manchester holen wollte: „United war 2015 sehr finanzstark, sie hätten ein saftiges, seriöses Angebot vorbereitet. Ich hätte überlegt, zu meinem Förderer zu gehen. Aber Bayern hat sofort Nein gesagt, damit war das Thema erledigt.“