Katholischer Kirchentag in AfD-Hochburg: Ein Halleluja im Reich der Antichristen

Ausgerechnet dort, wo die AfD extrem viele Anhänger hat, findet ab Mittwoch der 103. Katholikentag statt – in Erfurt, Thüringen. Dabei haben Rechtspopulisten für Kirchen vor allem eines übrig: Verachtung.

Himmelherrgott, wen soll der liebe Gott denn noch alles auffangen? Jetzt setzt auch noch der schwergewichtige EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah auf die Extremität des Allmächtigen. Der knallharte Rechtsaußen der AfD gab jüngst seinen erzwungenen Rückzug aus dem Parteivorstand beim Kurznachrichtendienst „X“ mit den weichlichen Eingangsworten bekannt: „Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand!“ 

Halleluja! 

Schon das Verwenden des Zitats ist eine Anmaßung. Es stammt aus einem Lied des Marinepfarrers Arno Pötsch, der 1941 den grenzenlosen Schrecken der Weltkriege, die er beide durchlitt, textlich verarbeitete. Schnösel Krah, eher bekannt für seine völkisch-nationalistischen Ergüsse, frömmelt dagegen aus taktischen Gründen. Er würde sich gern als Märtyrer seines unbeugsamem Polit-Credos feiern lassen. Dabei flog er wegen seiner schrägen Geschichtsanalyse aus dem Parteivorstand. Er hatte die Taten von Hitlers Mörderorganisation SS relativiert, was die französischen Rechtspopulisten um Marine Le Pen endgültig vergraulte.STERN PAID 22_24 AfD Durchmarsch 9:39

In Thüringen sind nur 7,6 Prozent der Einwohner katholisch

In wessen Hand Krah fällt, dürfte der AfD-Führung ziemlich schnuppe sein. Besonders der Parteispitze in Thüringen, in dessen Hauptstadt Erfurt am Mittwoch der 103. Deutsche Katholikentag beginnt. In diesem Bundesland sind gerade noch 7,6 Prozent der Einwohner katholisch, immerhin 20,8 Prozent evangelisch. Die AfD allein erreicht dagegen weit über 30 Prozent der Herzen. Ausgerechnet im Stammland der Reformation lässt sich besonders gut beobachten, wie die Rechtspopulisten zu Kirche und Religion stehen. Gläubige zählen sie zu ihren Widersachern – es sei denn, die ein oder andere Gottesseele lässt sich mit schrillen Thesen etwa zur Homosexualität als Wähler gewinnen.

Corinna Herold, AfD-Religionssprecherin im Thüringer Landtag und von Beginn an Mitglied des rechtsextremen AfD-„Flügels“ um Björn Höcke , formuliert ihre Ablehnung offen und klar. Sie kanzelt die Kirchen als „politisiert“ ab; sie gäben „das christlich-abendländische Erbe mehr und mehr preis“ und seien nur noch der „verlängerte Arm von Regierungen in Bund und Ländern“. Krah wiederum beschimpfte Papst Franziskus sogar als „absolute Katastrophe“: Er habe „in politischen und moralischen Fragen keinerlei Autorität“ .

Geschwister im Geiste: Afd-Religionsexpertin Corinna Herold mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke im Thüringer Landtag
© Karina Hessland

Noch stärker gerät das AfD-Gemüt in Wallung, wenn es um den „politischen Islam“ geht. Der, so AfD-Frau Herold, wolle „unsere öffentliche Ordnung im Sinne der islamischen Rechtsvorstellung (Scharia)“ umgestalten und müsse daher konsequent bekämpft werden. Die AfD werde „die Traditionen des christlichen Abendlandes in der säkularisierten Welt“ bewahren, weil sie „unsere Identität und unser Freiheitsbewusstsein entscheidend prägen.“ 

Die AfD als Retterin des christlichen Abendlandes. Halleluja!

STERN Spinnt der Papst -Streitgespräch 15.52

Das Gegenteil ist der Fall. Die AfD lässt sich wegen ihrer völkisch-nationalistischen Überzeugung und ihres offenen Rassismus nur als Antipode des christlichen Glaubens bezeichnen. Denn das Christentum ist – bei allen historischen Verfehlungen der Kirchenleitungen – im Kern weltoffen und grenzenlos. Bei der Katholischen Kirche ist diese DNA im Namen verankert. „Katholisch“ (griechisch) bedeutet „den ganzen Erdkreis umfassend“. Der Glaube sieht in allen Menschen Ebenbilder Gottes, egal welcher Herkunft, welcher Hauptfarbe, welchen Glaubens. Selbst in AfD-lern. Für den Glaubensstifter Jesus gab es keine Blutsgemeinschaften oder völkisch-arrogante Konstrukte. „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“, das ist der Ruf des Antichristen.

Auch beim Abtreibungsverbot verfolgt die AfD völkische Ziele

Leider steht zu befürchten, dass dennoch ein Teil der Gläubigen die AfD wählen wird. Weil manche Themen, die ihnen auf den Nägeln brennen, von der AfD vermeintlich verdaulicher serviert werden als von den anderen Parteien. Besonders deutlich, sagen Wahlforscher, zeigt sich das beim Streitthema Abtreibung, wogegen die AfD erbarmungslos wettert. Dabei geht es den Rechten überhaupt nicht um Gott, der nach christlicher Denkart allein über Leben und Tod entscheiden darf. Es geht ihr auch hier um völkische Ziele. So fordert die Partei schon länger, deutsche Frauen sollten mehr Kinder bekommen, um den Fachkräftemangel durch Deutsche auszugleichen – und die Einwanderung von Fremden zu stoppen. 

In Erfurt wird es dieses Jahr umso wichtiger sein, dass die Katholische Kirche, ja das gesamte Kirchenvolk, laut und deutlich verkündet: AfD-Ideologie und Christentum widersprechen sich. Der Anfang ist gemacht, die Veranstalter haben keine AfD-Mitglieder auf die Podien eingeladen. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), will Rassismus, Antisemitismus und sonstiger Menschenfeindlichkeit keine Bühne bieten. Das ist richtig und demokratisch legitim: Über die Menschenwürde, diese urchristliche, säkularisierte Idee, die in Paragraf 1 des 75 Jahre alten Grundgesetzes unlöschbar verankert ist, darf es keinerlei Diskussionen geben.

Zugleich darf aber auch bei allem Kampf gegen die menschenverachtenden Ideologen niemand Schwurblern wie Krah oder Herold mit dem Kreuz in der Hand die Menschenwürde absprechen. Auch wenn das gerade auf Kirchentagen manchen offenbar sehr schwer fällt. Christen dürfen es sich niemals so leicht machen, wie es Rechtspopulisten tun. Das ist ihr Programmauftrag. Amen (also: So sei es!)