Tausende feiern den 650. Geburtstag von Solingen. Plötzlich schlägt die ausgelassene Stimmung um: Ein Angreifer sticht auf Menschen ein, mehrere sterben. Die Polizei spricht von einem Anschlag.
Ein Angreifer hat am Freitagabend auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet. Nach bisherigen Erkenntnissen gibt es zudem fünf Schwerverletzte. Die Polizei stufte die Tat als Anschlag ein – wegen des zielgerichteten Vorgehens.
Der Täter war nach Mitternacht weiter auf der Flucht. „Wir haben derzeit keinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort“, sagte ein Polizeisprecher. Zum Aussehen des flüchtigen Verdächtigen gebe es keine gesicherten Informationen.
„Ich glaube, das ist unser Riesenproblem. Wir haben noch nicht so viele Angaben zum Täter“, erklärte Alexander Kresta, Sprecher der Polizei Wuppertal. Zeugen, die in unmittelbarer Nähe zum Geschehen waren, stünden unter Schock. „Die werden von uns im Augenblick professionell betreut und wir vernehmen diese natürlich, um da jetzt genauere Angaben zu bekommen.“
Allerdings könnten die Ermittler derzeit davon ausgehen, dass es sich um einen einzelnen Täter handelt, sagte Kresta weiter. Alle Zeugenaussagen, die die Polizei bislang aufnehmen konnte, wiesen darauf hin. „Von weiteren Personen ist uns nichts bekannt.“
Täter entkam im Tumult nach dem Angriff
Dem Täter sei es gelungen, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik nach der Tat zu entkommen, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Der Angreifer habe sehr gezielt auf den Hals seiner Opfer eingestochen. Bei ihnen handele es sich um Besucher des Festes. Derzeit finde die Spurensicherung statt. Die Toten lägen noch am Tatort und seien bislang nicht identifiziert. Tatort ist der Fronhof – ein Marktplatz in der Innenstadt von Solingen.
Ein Polizeisprecher riet: Wer Verdächtiges beobachte, solle nicht eigeninitiativ handeln, sondern den Notruf 110 wählen. Die Polizei in Wuppertal rief via Facebook dazu auf, die Solinger Innenstadt zu meiden.
Unterdessen traf NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in der Nacht am Tatort ein. Er war sichtlich betroffen. „Aus dem Nichts sticht jemand wahllos auf Menschen ein“, sagte Reul. Bei den Toten handele es sich um eine Frau und zwei Männer.
Die Stadt hat das ursprünglich für drei Tage geplante Fest komplett beendet. Auch die für diesen Samstag und Sonntag geplanten Programmpunkte werden abgesagt, wie es in einer Mitteilung hieß.
Wahllos auf Passanten eingestochen
Laut Polizei stach der Angreifer gegen 21.37 Uhr wahllos auf Passanten ein. Kurz darauf wurde Großalarm ausgelöst. Mindestens ein Hubschrauber ist in der Luft, zahlreiche Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Rettungswagen sind unterwegs, Straßen weiträumig abgesperrt. Bewaffnete Beamte sichern den Einsatzort. Es gibt Absperrungen in der ganzen Stadt. Sichtschutzwände sind aufgebaut. Tatort ist der Fronhof – ein Marktplatz in der Innenstadt von Solingen.
Laut „Solinger Tageblatt“ folgten tausende Besucher der Aufforderung, den Platz ruhig zu verlassen und nicht in Panik zu verfallen. „Die Menschen sind geschockt, aber friedlich vom Platz“, wurde Philipp Müller zitiert, einer der Mitorganisatoren des Festes.
Eine Reporterin des „Solinger Tageblatts“ schilderte: „Die Stimmung ist gespenstisch.“ Binnen weniger Minuten sei die ausgelassene Feierstimmung in Schock umgeschlagen, ihr seien tränenüberströmte Besucherinnen und Besucher entgegengekommen.
Oberbürgermeister spricht von Attentat
Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach reagierte erschüttert. „Heute Abend sind wir alle in Solingen in Schock, Entsetzen und großer Trauer“, schrieb der SPD-Politiker auf der Facebook-Seite der Stadt. „Es zerreißt mir das Herz, dass es zu einem Attentat auf unsere Stadt kam. Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich an diejenigen denke, die wir verloren haben. Ich bete für alle, die noch um ihr Leben kämpfen.“
Ministerpräsident Hendrik Wüst bezeichnete den Anschlag als „Akt brutalster und sinnloser Gewalt“. Die Tat habe „unser Land ins Herz getroffen“, schrieb er auf der Plattform X. Nordrhein-Westfalen sei in Erschütterung und Trauer vereint. „In diesen dunklen Stunden sind die Menschen unseres Landes und darüber hinaus mit ihren Herzen und Gedanken in Solingen“, schrieb der CDU-Politiker weiter. Und: „Ein großer Dank gilt den vielen Rettungskräften und unserer Polizei, die in diesen Minuten um Menschenleben kämpfen.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb auf der Plattform X: „Hoffentlich gelingt es den Rettungskräften, die noch lebenden Verletzten zu retten und der Polizei, den feigen und erbärmlichen Täter auf der Flucht zu fassen.“
Aus Anlass des 650. Geburtstags der Stadt Solingen hatte am Freitag ein „Festival der Vielfalt“ begonnen. Es sollte bis Sonntag dauern. In der Ankündigung hieß es: „Solingen Mitte wird dabei zur großen Festmeile: Vom Neumarkt über den Fronhof bis zum Mühlenplatz wird gefeiert.“ In den Straßen erwarte die Besucher ein Programm mit Musik, Kabarett, Akrobatik, Kunsthandwerk, Unterhaltung für Kinder und vielem mehr.
Faeser kündigte erst kürzlich Verschärfung des Waffenrechts an
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte angesichts der Zunahme von Messerangriffen erst kürzlich eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. In der Öffentlichkeit sollen Messer demnach nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser soll es ein generelles Umgangsverbot geben.
Mitte Juni war ein 27-jähriger Afghane in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt von Beamten erschossen worden, nachdem er zunächst einen 23-Jährigen erstochen und dann auf einer privaten EM-Gartenparty mehrere Menschen verletzt haben soll. In Mannheim hatte am 31. Mai ein Afghane fünf Mitglieder der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Beamten mit einem Messer verletzt. Der Polizist starb später.