Frauen verdienen nicht nur weniger als Männer, sie bekommen auch niedrigere Abfindungen. Eine Expertin erklärt, wie Frauen mehr herausholen können und was sie zur Verhandlung unbedingt mitbringen sollten.
Frauen verdienen selbst bei ähnlicher Tätigkeit und ähnlicher Vita im Schnitt weniger als ihre männliche Kollegen. Dieser sogenannte Gender Pay Gap, also die Gehaltslücke, ist inzwischen ziemlich bekannt – doch nicht nur beim Gehalt gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern: Wie eine aktuelle Erhebung zeigt, bekommen Frauen fast ein Drittel weniger an Abfindung als Männer: Der Abfindungsunterschied ist damit fast doppelt so hoch wie der unbereinigte Verdienstunterschied, der seit 2020 bei 18 Prozent liegt. Mit Vorbereitung und einer guten Strategie können Frauen ihre Verhandlungsposition aber verbessern.
Vorbereitung und Verhandlungsgeschick gefragt
Wenn Frauen das Unternehmen verlassen, erhalten sie im Durchschnitt eine Abfindung von rund 6.300 Euro, Männer von 9.100 Euro – ein Unterschied von 31 Prozent, zeigt die Auswertung der Rechtsanwaltskanzlei Chevalier aus dem Jahr 2023.
Der Grund dafür liege auch im Gender Pay Gap, sagt Nina Rummel, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Chevalier Capital. Denn die Abfindungshöhe werde zunächst auf Basis des Bruttomonatsgehalts berechnet, das bei Frauen laut Statistischem Bundesamt 2023 im Schnitt 18 Prozent niedriger war als das von Männern. Einfluss auf die Höhe der Abfindung nehmen außerdem individuelle Vertragsvereinbarungen, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Position im Unternehmen.
STERN PAID Equal Pay Gender Pay Gap
So können die Abfindungen bei längerer Betriebszugehörigkeit oder betriebsbedingten Kündigungen höher ausfallen. Auch Führungs- und höhere Managementpositionen sind oft mit besseren Abfindungen verbunden. Wer gute Argumente vorbringen könne, für den sei es oft möglich noch zu verhandeln, sagt Rummel. Auch Frauen sollten sich nicht automatisch mit dem ersten Angebot zufriedengeben und sich gut auf die Verhandlung vorbereiten. Ratsam sei etwa Folgendes:
Relevante Dokumente bereithalten, die die eigene Position stärken können, zum Beispiel Arbeitsvertrag, Leistungsbeurteilungen, Nachweise über besondere Erfolge oder Beiträge zum Unternehmen und die Korrespondenz zur Kündigung.Über übliche Abfindungspraktiken in der jeweiligen Branche und Position informieren, um Anhaltspunkte für eine realistische Forderung zu haben. Mit den gesetzlichen Bestimmungen vertraut machen: Gibt es im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung beispielsweise einen Sozialplan mit festgeschriebener Abfindung?
Generell gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. „Im Gesetz wird diese Möglichkeit überhaupt nur an einer einzigen Stelle angedeutet, nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet“, sagte Alexander Bourzutschky, Anwalt für Arbeits- und Sozialrecht bei der Kanzlei Rödl und Partner, kürzlich im Capital-Interview. „Da kommt die sogenannte Faustformel mit einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr her. Die kann der Arbeitgeber freiwillig anbieten, wenn der Beschäftigte im Gegenzug darauf verzichtet, seinen Arbeitsplatz einzuklagen.“
Rummel hält es vor allem für wichtig, dass Frauen in der Verhandlung den ersten Vorschlag machen, um so einen Ankerpunkt zu setzen. Außerdem sollten sie berücksichtigen, dass der Arbeitgeber selten direkt ‚ja‘ zu einem Angebot sagen wird. „Er wird in der Regel nachverhandeln und die Summe drücken wollen“, sagt die Fachanwältin. „Daher sollte man sich vorher überlegen, welche Summe adäquat wäre und sodann höher in die Verhandlungen einsteigen.“ Dazu sei es ratsam das gesamte Paket der Abfindung zu betrachten, zu dem etwa auch Fortbildungsangebote, Empfehlungsschreiben oder Unterstützung bei der Jobsuche gehören können.
Laut Bourzutschky orientieren sich bei der Höhe der Abfindung viele an einem halben Monatsgehalt pro Berufsjahr – allerdings gelte diese Faustformel nur bei normalen Beschäftigten. „Führungskräfte landen dann in ganz anderen Sphären“, berichtet er aus Erfahrung.
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Frauen haben seltener die guten Argumente
Zur Wahrheit gehört aber, dass Frauen seltener in Führungspositionen waren als Männer. Denn wie die Analyse zum Gender Pay Gap Jahr für Jahr zeigt, erreichen Frauen seltener leitende Positionen, arbeiten dazu insgesamt in schlechter bezahlten Berufen und arbeiten dreimal häufiger in Teilzeit, was bezogen auf den Bruttomonatsverdienst Treiber für Verdienstungleichheit und somit auch Abfindungsungleichheit ist.
„In Branchen, die von niedrigeren Löhnen und einer hohen Fluktuation geprägt sind, sind auch die Abfindungen tendenziell niedriger“, sagt Rummel und meint damit etwa das Gastgewerbe, den Einzelhandel oder die Pflege. „Frauen, die in diesen Sektoren häufig in Teilzeit oder in weniger sicheren Anstellungsverhältnissen arbeiten, könnten geringere Abfindungen erleben.“
Besser sehe es hingegen im Finanzsektor aus, in der Pharmaindustrie und der IT-Branche, weil die Branchen zum einen generell höhere Gehälter bieten und die Abfindung vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels auch als Teil des Anreizsystems sehen. Doch genau das sind Branchen, in denen weniger Frauen arbeiten.