US-Korrespondent Marc Etzold hat den Großteil des Schweigegeld-Prozesses gegen Donald Trump aus dem Gericht in New York verfolgt, traf dort auf besondere Beobachter – und fühlte sich ein bisschen wie in der Kirche.
Am ersten Tag bin ich gescheitert, ausgerechnet zum Auftakt des Prozesses.
Um kurz vor sechs Uhr morgens stand ich in der Schlange vor dem Strafgericht in 100 Center Street in New York. Drei Stunden wartete ich gemeinsam mit dutzenden Kollegen, doch dann waren alle Plätze vergeben, ich stand immer noch draußen und war bedient. Die Juryauswahl begann ohne mich. Das war mir eine Lehre, am zweiten Tag bin ich um vier Uhr aufgestanden, um eine Stunde früher am Gericht zu sein – das reichte, um einen der begehrten Plätze zu ergattern.
Je weiter vorne man sitzt, desto besser sieht man Trumps Gesicht
In der ersten Woche waren die Plätze besonders umkämpft, weil im Gerichtssaal selbst die potenziellen Mitglieder der Jury saßen. Nebenan vom Hauptsaal, im sogenannten „overflow room“, in den der Prozess übertragen wird, gibt es mehr Platz. Auf drei großen Monitoren kann man dort das Geschehen verfolgen. Ein Ausschnitt zeigt den Richter, ein weiterer die Staatsanwaltschaft – und der dritte Donald Trump und seine Anwälte. Je weiter vorne man sitzt, desto besser sieht man Trumps Gesicht.
Die Wochen im Gericht haben mich an meine Zeit als Messdiener in der katholischen Kirche erinnert. Die Sitzbänke aus Holz sind hart und irgendwer ermahnt einen ständig. Die Sicherheitsvorkehrungen in dem Gerichtsgebäude sind streng. Journalistinnen und Journalisten dürfen im „overflow room“ zwar Laptops und Smartphones benutzen, aber wer ein Foto macht oder das Geschehen aufzeichnen will, fliegt raus.
STERN PAID 22_24 Trump Prozess 6:16
In der zweiten Woche, nach einem langen Tag im Gericht, machte eine amerikanische Kollegin ein Foto mit ihrem Handy. Donald Trump war da schon weg, wir warteten darauf, den Gerichtssaal verlassen zu dürfen. Ein Gerichtspolizist bemerkte das sofort und verwies sie des Saales. Es war ihr furchtbar unangenehm und offenbar keine böse Absicht. Aber mit US-Gerichtspolizisten sollte man lieber nicht spaßen. Nach dem Vorfall habe ich die Kollegin nicht mehr im Gericht gesehen, sie wurde für die Dauer des Verfahrens ausgeschlossen.
Lautes Lachen ist nicht erlaubt
In den Wochen des Prozesses habe ich einige tolle Kollegen von US-Medien kennengelernt. Einer davon ist Norm Eisen, der als Rechtsexperte für CNN arbeitet. Norm ist – und das meine ich nicht despektierlich – schon etwas älter. An einem Tag saßen wir nebeneinander auf einer der harten Holzbänke. Er fragte mich, für welches Medium ich arbeiten würde – zu meiner Verwunderung kannte er den stern. Eisen war früher US-Botschafter in Tschechien, berufen von Barack Obama. Als ein Gerichtspolizist einen Kollegen anpampte, er solle seine Tasche nicht auf den Sitz neben sich legen, scherzte Norm, die Polizisten seien eher „Gefängniswärter“. Lautes Lachen ist übrigens auch nicht gestattet.
Der Gerichtssaal und der „overflow room“ liegen im 15. Stock des Strafgerichts. In Saal 1530, wo Trump Woche um Woche zubringt, wurde einst auch gegen Harvey Weinstein verhandelt. Trump wendet sich jeden Tag an die Presse, meistens morgens und am späteren Nachmittag nach dem Verhandlungstag, nur selten zwischendrin.
Trump gab seine Statements direkt vor der Herrentoilette ab
Für seine Statements hat sich das Gericht etwas Besonderes überlegt. Es gibt einen Bereich, der extra für ihn reserviert wird. Trump steht da vor einer Metallabsperrung, wie sie für gewöhnlich bei Konzerten genutzt wird. Seine Einlassungen dauern meist zwischen fünf und 15 Minuten. Rechts hinter ihm ist der Eingang zur Herrentoilette. Details möchte ich Ihnen an dieser Stelle wirklich ersparen. Aber wenn es irgendwie geht, sollte man diesen Ort meiden.
Trump-Prozess – war Merchan fair? 6:47
Je länger der Prozess dauerte, desto mehr Unterstützer brachte Trump mit. Vergangene Woche hatte ich einen Platz direkt im Gerichtssaal, zwei Reihen hinter Donald Trump. (Die Frisur ist tatsächlich ein Phänomen, aber wir wollen nicht zu unpolitisch werden an dieser Stelle.) Zur Entourage gehörte auch Sebastian Gorka, ein ehemaliger Mitarbeiter von Trump im Weißen Haus. Dieser Zeit trauert er offenkundig nach. Gorka führte eine Aktentasche aus Metall mit sich, die das Siegel des US-Präsidenten trägt. Erst dachte ich, er habe womöglich den Koffer mit den Codes für die Atomwaffen mitgehen lassen. Es stellte sich aber raus, dass man solche Koffer als Souvenir kaufen kann.
Trump verbringt die Pausen in der Regel im Gerichtsgebäude. Mal haben seine Leute Mittagessen bei McDonalds besorgt, mal gab es Pizza. Fotografen lichteten Mitarbeiter des Ex-Präsidenten ab, wie sie entsprechende Tüten und Kartons ins Gerichtsgebäude brachten. Ob Trump irgendwas davon gegessen hat, kann ich Ihnen nicht mit Gewissheit sagen. Wenn dem so gewesen sein sollte, würde das zumindest erklären, warum er hier und da mit der Müdigkeit zu kämpfen hatte.
In der Warteschlange mit Rudy Giulianis Sohn
Apropos müde: Vergangene Woche stand ich mal wieder etwas übernächtigt frühmorgens in der Warteschlange. Dort kam ich mit einem Kollegen ins Gespräch, den ich noch nicht kannte. Er stellte sich als Andrew vor, bemerkte schnell meinen Akzent und berichtete davon, dass er seine Anzüge gerne bei Zara in Europa kaufe. Auch seine blauen Schuhe pries er an. die seien wasserfest.
Ein etwas sonderbarer Typ, dachte ich mir, aber das Gespräch half dabei, die Wartezeit zu überbrücken. Später sah ich, wie er mit Trump-Fans Fotos vor dem Gericht schoss. Andrew hat den Nachnamen Giuliani, stellte sich heraus. Er ist der Sohn von Rudy Giuliani, kandidierte 2022 erfolglos für das Gouverneursamt in New York und berichtet nun für seine Follower auf X von dem Prozess. „Es gibt keinen anderen Weg als einen Freispruch“, sagte Giuliani dort kürzlich. Am Dienstag, wenn die Schlussplädoyers gehalten werden sollen, sehen wir uns bestimmt wieder.