Justiz: Finale im Trump-Prozess: Verteidigung fordert Freispruch

Ist Trump schuldig, Schweigegeld für einen Pornostar verschleiert zu haben? Die Schlussplädoyers sind die letzte Möglichkeit, die Geschworenen zu beeinflussen. Für die Verteidigung ist die Sache klar.

Im Finale des historischen Prozesses gegen Donald Trump in Zusammenhang mit Schweigegeld für einen Pornostar hat die Verteidigung die Unschuld des ehemaligen US-Präsidenten beteuert. Trump habe kein Verbrechen begangen und die Staatsanwaltschaft habe ihre Vorwürfe nicht belegen können, sagte Verteidiger Todd Blanche bei seinem Schlussplädoyer zu den zwölf Geschworenen in New York.

Dem erneuten Präsidentschaftsbewerber droht bei einer Verurteilung eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. Er hat auf nicht schuldig plädiert.

Blanche griff übereinstimmenden Medienberichten zufolge erneut die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen an: „Sie können Präsident Trump auf Grundlage der Aussagen von Michael Cohen nicht zweifelsfrei eines Verbrechens verurteilen.“ Der ehemalige persönliche Anwalt Trumps habe wie so oft zuvor auch bei seiner Zeugenaussage gelogen, beharrte Blanche. Es handelt sich um den ersten Strafprozess gegen einen ehemaligen US-Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Vor Gericht in Downtown Manhattan geht es um mutmaßliche Dokumentenfälschung in 34 Fällen.

Drei Trump-Kinder unterstützen Vater im Gerichtssaal

Seit Mitte April wurden mehr als 20 Zeuginnen und Zeugen gehört. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Trump, dass er seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels habe verbessern wollen. Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dies habe die Zahlungen zu illegaler Wahlkampf-Finanzierung gemacht.

Die Schlussplädoyers sind die letzte Möglichkeit in dem weltweit beachteten Prozess, die Meinung der zwölf Geschworenen zu beeinflussen. Die Jury wird sich nach den letzten Vorträgen der Verteidigung sowie der Anklage zur Urteilsfindung zurückziehen – dies wird für Dienstag oder Mittwoch erwartet. Normalerweise dauern diese Beratungen zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen. Richter Juan Merchan instruierte die Geschworenen: „Sie und Sie allein sind in diesem Fall die Richter der Tatsachen.“

Trump erschien am Dienstag wie an jedem Sitzungstag in einem dunkelblauen Anzug. Er trug eine rote Krawatte und hatte teils handgeschriebene Notizen vor sich liegen, auf denen stand, dass der Prozess eingestellt werden müsse. Neben mehr als einem Dutzend Personen in Trumps Entourage waren auch drei seiner Kinder anwesend: Donald Trump Junior, Eric Trump und Tiffany Trump. Seine Ehefrau Melania blieb dem Prozess, in dem es um viele Details zur angeblichen Untreue Trumps ging, stets fern.

Sex-Details wie in einer Reality-Show

Tatsächlich war die Aussage von Pornostar Daniels ein Höhepunkt des Prozesses, auch weil sie peinlich genau erzählte, wie sie Sex mit Trump hatte. Den ehemaligen Präsidenten ließ das nicht besonders gut aussehen und einen Reporter im Prozess veranlasste es dazu, das Verfahren mit einer Reality-Show zu vergleichen. Blanche schärfte den Geschworenen in Bezug auf ihre denkwürdige Zeugenaussage ein, dass es in dem Fall um die Echtheit von Dokumenten gehe, nicht um eine etwaige Begegnung Trumps mit Daniels.

Vor allem Cohen hatte Trump bei seiner Aussage belastet: Dieser habe die Rückerstattung des – kurz vor seinem Wahlsieg bei der Präsidentenwahl 2016 gezahlten – Schweigegeldes als Anwaltshonorar an Cohen verschleiert. Bei einem harten Kreuzverhör durch Trump-Anwalt Blanche wurde zwar deutlich, wie oft der Kronzeuge in der Vergangenheit öffentlich gelogen hat, trotz der teils provokanten Fragen behielt der 57-Jährige aber die Contenance. Vor allem die Prozesstage rund um Cohens Aussage wurden zum Schaulaufen von Trumps politischen Unterstützern im Gerichtssaal – darunter auch jene, die als Kandidaten für die Vize-Rolle an Trumps Seite bei den Wahlen im November gesehen werden.

Zum Ende des Verfahrens verlor Richter Merchan ein Mal die Fassung, als er sich durch einen Trump-nahen Entlastungszeugen in seiner Autorität untergraben sah. Merchan ließ den Saal vorübergehend räumen und drohte damit, den Mann aus dem Zeugenstand zu entfernen.

Einstimmiges Urteil nötig

Das Urteil dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken – die Frage ist bloß: wie stark und zu wessen Vorteil. Trump versucht die Anschuldigungen in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert. Amtsinhaber Joe Biden scheint von der Prozessarie gegen seinen Herausforderer bislang nicht erkennbar zu profitieren.

Im Falle einer Verurteilung durch die Jury wird Richter Merchan das Strafmaß an einem gesonderten Termin festlegen. Sollten die Geschworenen sich auch nach längerer Beratung nicht einigen können, ist der Prozess geplatzt. In diesem Fall hätte die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, das Verfahren mit einer neuen Jury erneut aufzurollen.

Trump: Mal interessiert, mal mit geschlossenen Augen

Der Prozess findet unter beispiellosem medialem Interesse und strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Downtown Manhattan statt. Trump war bei den Sitzungen stets anwesend und variierte die Farbe seiner Krawatte von Tag zu Tag. Für den kurzen Fototermin zu Beginn der Sitzung setzte er regelmäßig ein grimmiges Gesicht auf. Einige Zeugen-Befragungen schien Trump interessiert zu verfolgen, an anderen Tagen waren sich US-Medien sicher, dass er die Augen über längere Zeit geschlossen hielt, weil er eingedöst war. Beim Weg aus und in den Gerichtssaal grüßte er manchmal Reporter oder Besucher, die er wiedererkannte.

Trump nutzte den Prozess und den Medienauflauf für den Wahlkampf: Während er sich im Gerichtssaal selbst ruhig verhielt, trat er im Flur vor Saal 1530 – in dem übrigens schon Ex-Filmmogul Harvey Weinstein verurteilt wurde – täglich vor die Kameras, antwortete selten auf Fragen und monologisierte häufig darüber, dass das Verfahren gegen ihn politisch motiviert sei. Dabei schaffte er es im Verlauf des Prozesses immer besser, sich an die Anweisung von Richter Merchan zu halten, sich nicht über Prozessbeteiligte zu äußern.