Joe Biden ist weg, Donald Trump schwächelt, Kamala Harris und Tim Walz begeistern mit guter Laune. Die neue Leichtigkeit bei den US-Demokraten mündet sogar in Schlüpfrigkeiten.
Penis-Witze hatte der Vortragskünstler Barack Obama bislang nicht im Repertoire. Doch in den USA steht es Spitz auf Knopf, und dieser Präsidentschaftswahlkampf ist ohnehin beispiellos. Allein, weil sich der Amtsinhaber nur halb freiwillig zugunsten seiner Vizepräsidentin zurückgezogen und damit der Euphorie wieder Tür und Tor geöffnet hat. Und natürlich wegen des konservativen Dauerkandidaten Donald Trump und dessen Obsession mit aller Arten von Mengen.
Seiner ist nur so groß
„Da sind die kindischen Spitznamen, die verrückten Verschwörungstheorien – und diese seltsame Besessenheit mit Veranstaltungsgrößen“, sagte ein sichtlich amüsierterObama, der dabei seine Hände in trumptypischer Akkordeon-Manier hin und herbewegte und dann bei ein paar Zentimetern Abstand anhielt. Die Menge im Chicagoer United Center verstand die Geste sofort und johlte vergnügt.
Nun ist dank Trumps früherer Liebschaft Stormy Daniels mehr über Donalds Donald bekannt, als den meisten lieb sein dürfte – und auch dessen Leidenschaft für Publikumsmassen ist eigentlich nicht neu. Außer vielleicht, dass er mittlerweile jedes Maß verliert: So behauptete er jüngst, dass seine Rede am 6. Januar 2021 vor ein paar Tausend Leuten mehr Zuschauer angelockt habe, als Martin Luther Kings legendäre „I have a dream“-Ansprache, bei der mindestens 250.000 Menschen zugegen waren.
Demokraten können auch sinken
Derlei Angeberei ihres Ex-Präsidenten sind die meisten Amerikaner gewohnt. Nicht so sehr jedoch, dass die regierenden Demokraten inzwischen häufiger ihre vornehme Zurückhaltung aufgeben und auf ähnlichem Niveau zurückkeilen – wie nun Ex-Präsident Obama. Zum Teufel mit dem edlen Motto seiner Frau Michelle: „When they go low, we go high“ – je tiefer sie sinken, desto höher steigen wir.
Auch Tim Walz, der Vizekandidat von Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, hat schon seinen leicht schlüpfrigen Dad-Joke-Moment gehabt. „Ich kann es kaum erwarten mit ihm zu debattieren. Also, falls er von der Couch hochkommt und erscheint“, sagte der Gouverneur von Minnesota Anfang August vor einem begeisterten Publikum in Philadelphia mit breitem Grinsen und einer „Ihr wisst Bescheid“-Geste.
Das Couch-Gerücht um J.D. Vance
Der Demokrat Walz spielt damit auf eine bizarre Fake-News an, nach der sein republikanischer Vize-Kontrahent J.D. Vance einst eine Couch begattet haben soll. Tatsächlich ist nichts davon in seinem berühmten Buch „Hillbilly Elegie“ zu lesen, dennoch klebt das Gerücht nun an Vance wie lästiges Bonbonpapier.
PAID Tim Walz auf Rally mit Harris 8:27
Walz, der frühere Lehrer und Football-Trainer, war es auch, der für das Team Trump-Vance das Wort „weird“ in den Wahlkampf einführte – und damit einen echten Hit landete. „Weird“ bedeutet so viel wie sonderbar oder seltsam. Dabei ist es nicht aggressiv, aber klar ausgrenzend. Niemand möchte „weird“ sein, selbst „Weirdos“ nicht, die Sonderlinge. Seit Walz den Begriff erstmalig benutzt hat, hat er eine unwahrscheinlich sanfte Wucht entwickelt, auf die selbst der selten um Worte verlegene Trump keine Entgegnung findet.
Donald Trump schwächelt
Der fröhlich-verächtliche Ton, der unter den Demokraten gegenüber Donald Trump Einzug hält, hat nicht mehr viel zu tun mit den arrogant-verächtlichen Worten, die Hillary Clinton 2016 wählte, um Trump zu bekämpfen. Oder dem väterlich-staatstragenden Sound, den Joe Biden pflegt. Bislang war es der Republikaner, der mit seinen düsteren wie selbstmitleidigen und bizarren Äußerungen den Wahlkämpfen seinen Stempel aufdrücke. Doch Trump, für jeden spürbar, schwächelt.
Genau deshalb funktioniert die neue und mitunter schlüpfrige Leichtigkeit der Demokraten: Der alte Ballast ist weg (Joe Biden), die Konkurrenz verheddert sich im Gestrüpp aus immer gleichem Gejammer mit immer unglaubwürdigeren Angebereien, während das Demokraten-Duo aus Harris und Walz mit ihrer sehr, sehr guten Laune Optimismus verbreitet.
Barack Obama schüttet Wasser in den Wein
Manche fühlen sich sogar an die Euphorie des Jahres 2008 erinnert, als Barack Obama die halbe Welt entzückte und US-Präsident wurde. Manches erinnert aber auch an das Jahr 2016, als Donald Trump als peinliche Witzfigur durch den Wahlkampf stolperte und trotzdem US-Präsident wurde. Obama hat das nicht vergessen und schüttete etwas Wasser in den Wein demokratischer Beschwingtheit: „Täuscht Euch nicht: Dies wird ein Kampf, denn die Wahl wird ein enges Rennen in einem scharf gespaltenen Land.“
Quellen: NPR, North Jersey.com, Rolling Stone.com, AFP, Reuters