Soldaten wechseln immer wieder ihre Stützpunkte, das hat Auswirkungen auf die Beziehung. Muss sich ein Ehepaar über Zukunftspläne unterhalten? Oder reicht es, mit seinem Vorgesetzten zu sprechen?
Sehr geehrte Frau Peirano,
Ich bin 28 und seit vier Jahren sehr glücklich mit einem Soldaten verheiratet. Nun kam es aber zu einer für mich sehr traurigen Situation: Mein Mann ist aktuell für zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet. Die Trennung ist nicht immer einfach gewesen, aber wir haben es geschafft und letztes Jahr bin ich dann sogar mit an seinen Standort gezogen. Es tut uns richtig gut, dass wir uns jeden Abend sehen können.
Allerdings habe ich gestern von einem Kameraden und sehr guten Freund meines Mannes „mal eben so“ bei einem Essen erfahren, dass mein Mann mit seinem Chef gesprochen hat. Er hatte ihn gefragt, ob er schon auf Berufssoldat verlängern kann, sprich: Er will bis zur Rente bei der Bundeswehr bleiben. Der Chef habe ihm nur gesagt: „Nein, das kann ich noch nicht versprechen. Ich weiß nicht, ob ich Sie in acht Jahren noch brauchen kann.“ So.
In einer Beziehung muss man doch über so eine Entscheidung reden, oder?
Mich zermürbt, dass mein Mann über so etwas nicht mit mir redet. Das habe ich ihm auch so gesagt, weil ich immer den Eindruck hatte, dass wir über alles reden können. Darauf hat er sich unter Tränen entschuldigt und gesagt, dass ihm das Leid tue. Er sagte, dass ich Recht hätte, aber das ser mir einfach keine Angst machen wollte, weil ich oft sehr emotional reagieren würde.
Was meinen Sie? Ist das gerechtfertigt? Ich meine, die meisten Männer sagen ja, dass wir Frauen emotionaler reagieren. Und vermutlich ist das wahr, weil irgendein Teil unseres Gehirns anders ausgeprägt ist oder so …
Aber es sind doch noch acht Jahre und wir könnten als Paar sicher gemeinsam Lösungen finden für den Fall, dass er nicht übernommen wird. Aber spricht es nicht für ein gewisses Misstrauen, wenn seine Angst vor meiner Reaktion größer ist, als der Wunsch so etwas mit mir als Partnerin zu teilen?
Herzliche Grüße
Mirja R.
Liebe Mirja R.,
ich freue mich für Sie und Ihren Mann, dass Sie ein glückliches Paar sind!
Und gleichzeitig finde ich es sehr gut, dass Sie hier an diesem Punkt, wo ein erster Vertrauensbruch passiert ist, einmal innehalten und sich fragen: Wie schlimm ist das eigentlich? An wem liegt es? Und wie bekommen wir das in den Griff?
Genau das machen Sie jetzt, und ich kann Ihnen meine Sicht von außen und meine Erfahrung als Psychotherapeutin mitteilen. Ich kann gut verstehen, dass es Sie verletzt und verunsichert, dass Ihr Mann Ihnen nicht von seinen Plänen erzählt hat, bis zur Rente bei der Bundeswehr zu bleiben. Diese Pläne betreffen Sie ja sehr stark!
Einerseits emotional, weil Sie als Frau eines Soldaten mit räumlichen Trennungen und möglicherweise sogar lebensgefährlichen oder traumatisierenden Einsätzen in Kriegs-oder Krisengebiete rechnen müssen. Diese Veränderungen wirken sich ja auch auf Ihr Gefühlsleben aus: Ob Sie Angst um Ihren Mann haben müssen, ob Sie Sehnsucht nach ihm haben oder sich einsam fühlen, ob Sie den regelmäßigen Kontakt im Alltag zu ihm haben.
Und andererseits bestimmt der Standort Ihres Mannes ja auch Ihren Standort, jedenfalls wenn Sie ihn regelmäßig sehen wollen. Und das kann bedeuten, dass Sie Ihr eigenes Leben nach ihm ausrichten (Beruf, Freundschaften, Kontakt zu ihrer eigenen Familie) und dorthin ziehen, wo er stationiert ist.
Deshalb ist die Entscheidung, wie lange Ihr Mann bei der Bundeswehr ist, eine Entscheidung, die Ihr Leben maßgeblich beeinflusst.
Ich finde, dass man das in Partnerschaften sehr präzise im Auge haben muss, welche Entscheidungen den Partner tangieren und welche nicht. Wenn ich die Wände in meiner Praxis in Neonpink streichen möchte, geht das meinen Mann nichts an, weil es meine Praxis ist. Wenn ich unser Wohnzimmer in Neonpink streichen wollen würde, müsste ich es mit ihm besprechen (und ich habe so eine Ahnung, dass er dagegen wäre). Ich kann aber nicht einfach das Wohnzimmer schnell mal streichen, ohne ihn zu fragen, und ihm hinterher sagen: Ich habe dich nicht gefragt, weil ich Angst hatte, dass du das nicht willst.
Ihr Mann hat nicht nur mit dem Gedanken gespielt, bis zur Rente bei der Bundeswehr zu bleiben, sondern er hat auch schon seinen Vorgesetzten gefragt und seinem Kollegen davon erzählt. Aber eben nicht Ihnen. Und damit hat er eine kleine Wand hochgezogen (oder einfach pink gestrichen) und Sie ausgeschlossen, und zwar von sehr wichtigen Entscheidungen, die auch Ihr gemeinsames Leben betreffen.
Es ist völlig richtig, an dieser Stelle aufzubegehren und zu sagen, dass Sie das nicht in Ordnung finden. Schließlich müssen Sie in Ihrer Beziehung klären, wie Sie miteinander umgehen, und wie Sie das Vertrauen pflegen und schützen wollen, das nun einmal die wichtigste Basis einer Beziehung ist.
Die Erklärung, dass Frauen emotionaler reagieren würden als Männer, und er es Ihnen deshalb nicht erzählt hat, würde ich mal genauer untersuchen.
Erstens ist es totaler Humbug, dass Frauen emotionaler sind als Männer. Die Unterschiede im Verhalten von Männern und Frauen liegen nicht an einem anderen Gehirn, sondern an unterschiedlichen Rollenbildern, die die Gesellschaft geformt hat. („Jungs können besser Mathematik als Mädchen“, „Jungen weinen nicht“, „Mädchen macht es nichts aus, ihre eigenen Interessen zurückzustellen und sich um andere zu kümmern“).
Wir leben (leider) im Patriarchat und sind es durch patriarchalische Prägungen gewohnt, dass die Gefühle der Männer berechtigt sind, während die Gefühle der Frauen oder anderer Personen hysterisch oder übertrieben oder „zu“ emotional sind. Und diese Sichtweise wird gepflegt und aufrecht erhalten, zum Leidwesen beider Geschlechter!
Männer dürfen beim Fußball herumbrüllen oder sich prügeln, das ist gesellschaftlich akzeptiert. Ich habe einige Patienten, die ihre Konflikte „lösen“, indem sie sich mit ihren Kumpels bis zur Bewusstlosigkeit betrinken, obwohl sie zu Hause Familie und kleine Kinder haben. So was machen Männer eben, lautet die Erklärung dafür.
Der 60-jährige Partner einer Freundin ruft sie regelmäßig nachts an, wenn er sich einsam fühlt oder Bauchschmerzen hat. Und in der Politik, die Männer machen, läuft auch einiges nicht ganz so rund aufgrund der Emotionen und dem Machtstreben der Männer (Putin, Trump, Berlusconi usw.).
Aber den Frauen wird erzählt, dass sie „zu emotional“ sind, wenn sie Gefühle haben und z.B. tagelang am prämenstruellen Syndrom leiden, weinen, wenn etwas sie verletzt hat oder Missstände und Ungerechtigkeiten in ihren sozialen Beziehungen aufzeigen. Ich würde Ihnen raten, das mal zu hinterfragen und Gegenbeispiele zu suchen.
Denn die Sichtweise, dass Frauen „zu“ emotional oder „falsch“ emotional sind, macht Frauen klein.
Die Argumentation Ihres Mannes, dass er Ihnen nichts erzählt hat, WEIL Sie zu emotional sind, verdreht auch vieles. Sie bekommen die Verantwortung für seine Entscheidung oder Unterlassung in die Schuhe geschoben. Das beobachte ich oft auch beim Thema Geheimnisse oder Eifersucht, dass die Täter-Opfer-Rollen vertauscht werden.
Dann heißt es: Ich konnte dir ja nichts von meiner neuen attraktiven Kollegin erzählen, weil du immer so überreagiert. Oder wenn ein Seitensprung aufgeflogen ist: „Ich kann dir nicht mehr vertrauen, weil du an mein Handy gegangen bist.“
Ich hoffe, dass diese Situation dazu führt, dass Sie beide offener und transparenter miteinander umgehen und Ihre Beziehung gestärkt wird. Ich würde Ihnen gerne Mut machen, zu sich zu stehen und Ihre Bedürfnisse nach Ehrlichkeit und Transparenz in der Beziehung klar zu vertreten. Und auch deutlich zu machen, dass Sie ein Recht darauf haben, gemeinsam mit Ihrem Mann zu planen, wohin der Weg geht. Sie sind schließlich stark betroffen von den Entscheidungen!
Lassen Sie sich bitte an diesem Punkt nicht verwirren oder klein machen, indem Sie sich einreden lassen, Sie seien zu emotional, um einbezogen zu werden.
Herzliche Grüße
Julia Peirano