Theater : „Der Diplomat“: Probenstart für Nibelungen-Festspiele

Ein kriegsmüder Held steht in diesem Jahr im Mittelpunkt der Nibelungen-Festspiele. Mit dem Textstudium beginnt anderthalb Monate vor der Premiere die heiße Phase.

Gut sechs Wochen vor der feierlichen Premiere der Nibelungen-Festspiele haben in Worms die Proben zum neuen Stück „Der Diplomat“ mit aktuellen weltpolitischen Zwischentönen begonnen. Das Ensemble, zu dem unter anderem Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer („Tatort“ Bremen) gehört, traf sich am Dienstag zum Textstudium. Dafür nahmen die etwa zwei Dutzend Teilnehmer Platz an Tischen, die zu einem großen Viereck im Veranstaltungszentrum zusammengestellt waren.

Der künstlerische Leiter Thomas Laue sprach von einer „bildstarken Inszenierung, die voll ins Herz“ der Nibelungengeschichte ziele. Die Premiere unter Intendant Nico Hofmann findet am 12. Juli statt. Die längst überregional bekannten Festspiele unter der Regie des Schweizers Roger Vontobel laufen bis zum 28. Juli an 15 Aufführungstagen.

Provokantes Stück

Im Mittelpunkt von „Der Diplomat“ steht der desillusionierte Held Dietrich von Bern als Vermittler zwischen verfeindeten Fronten. Er wird als Friedensbote zu den Burgundern geschickt, um für Hunnenkönig Etzel um Kriemhilds Hand anzuhalten. Gleichzeitig will er einen blutigen Krieg verhindern, den eigentlich keiner will – und der dennoch unvermeidbar scheint. In dem erstaunlich aktuell wirkenden Stück des Autorenduos Feridun Zaimoğlu und Günter Senkel gerät Dietrich in die Zwickmühle seiner persönlichen Geschichte und der drohenden Eskalation. „Das Stück ist provokant und legt den Finger in die Wunde, wie Diplomatie nicht funktioniert“, hatte Intendant Hofmann unlängst gesagt.

Zu Probenbeginn wurde die Szene gelesen, in der der tote Siegfried aufgebahrt vor dem Wormser Dom liegt. Blut quillt aus der Leiche des ermordeten Drachentöters. „Die Eiche fällt nicht von einem Streich, sie fällt von vielen Schlägen“, zitierte Bauer als Kriemhild. Unter den bühnenerfahrenen Mitgliedern des Ensembles sind auch etwa Franz Pätzold („Werk ohne Autor“) als Dietrich von Bern und Thomas Loibl („Toni Erdmann“) als Hagen. Laue sprach von einer „tollen Mischung“. Regisseur Vontobel sagte, er fühle sich bei den Nibelungen an die Verästelungen der „Star Wars“-Kinosaga oder der Marvel-Comic-Verfilmungen erinnert. „Dietrich von Bern trifft auf eine Welt, die ihm nicht folgen will oder kann“, meinte Vontobel.

Das Nibelungenlied, eine der Lieblingssagen der Deutschen, strotzt vor Gewalt und versinkt im Hass. Muss das intrigenreiche Heldenepos so enden? Diese Schicksalsfrage stellen sich die Festspiele auch in diesem Jahr. Seit 2002 erzählen die Veranstalter in einer der ältesten Städte Deutschlands das Spektakel um Siegfried und seinen Mörder Hagen immer wieder anders und stets auf Augenhöhe mit drängenden Themen der Gegenwart.

Historischer Boden

Im vergangenen Jahr hatte Worms mit 21.000 Besuchern eine Auslastung von 90 Prozent. Etwa 1400 Zuschauerinnen und Zuschauer passen jeden Abend auf die Tribüne vor dem Kaiserdom, die Tickets kosten je nach Vorstellung zwischen 29 und 139 Euro. Der Ort der Festspiele ist historischer Boden: Eine Schlüsselszene der Sage, der Streit der Königinnen, spielt auf der Nordseite des Doms.

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