Er gehörte zu den bekanntesten Hamburgern. Nun ehrt seine Heimatstadt den 2019 verstorbenen Modedesigner Karl Lagerfeld und benennt eine Straße nach ihm. Warum sie Lagerfeld mit Sicherheit so gar nicht gefallen hätte, erklärt stern-Modechef Marcus Luft.
„Hamburg ist das Tor zur Welt. Aber eben nur das Tor.“ Diesen Satz seiner Mutter zitierteKarl Lagerfeld zu Lebzeiten gerne, wenn man mit ihm über seine Heimat sprach. Zwar wurde er einst hier geboren, doch für sonderlich weltbürgerlich hielt er die Hansestadt nie. Wahrscheinlich würde sich der 2019 gestorbene Designer bestätigt fühlen, wenn er noch miterleben würde, dass Hamburg nun eine Straße nach ihm benennt. Oder besser gesagt: ein 155 Meter langes Teilstück des „Alster-Wanderwegs“. Es liegt zwischen der Adolphsbrücke und dem Ende der Luxusmeile Neuer Wall, wo auch Chanel eine Boutique betreibt. Hier soll Ende Mai die „Karl-Lagerfeld-Promenade“ eröffnet werden.
Zwar klingt der Name erst einmal repräsentativ, doch wer mit großen Erwartungen am Alsterfleet entlangspaziert, wird enttäuscht. Ein grauer Asphaltweg, schmucklose Fassaden, dazu ein riesiges Abrissgelände auf der gegenüberliegenden Uferseite. Eine Promenade so chic wie ein schlechtsitzendes Kostüm. Tagsüber wird hier geangelt, nachts bieten Dealer ihre Substanzen an. So erzählen es zumindest die Verkäufer der umliegenden Luxus-Boutiquen, deren Hintereingänge zur künftigen Karl-Lagerfeld-Promenade führen. Zigarettenstummel auf dem Boden verraten, dass sie hier tagsüber auch mal eine kurze Pause einlegen. Wenn der Wind schlecht steht, was in Hamburg häufig vorkommt, ziehen unangenehme Gerüche aus Richtung des nahegelegenen Brückendurchgangs.
So chic wie ein schlechtsitzendes Kostüm: der schmucklose Alsterkanal in der Hamburger Innenstadt, der nun „Karl-Lagerfeld-Promenade“ heißen wird
© Marcus Luft
Dabei klang der Vorschlag, Karl Lagerfeld mit einer Straße zu ehren, anfangs so gut. Die Idee stammt von Vivian Hecker, Event- und Marketingchefin des Hamburger Abendblatt, und Robert Eberhardt, Teilhaber von Lagerfelds Lieblingsbuchhandlung Felix Jud. Zusammen sprachen sie 2019 bei Ralf Neubauer vor, dem Chef des Bezirksamts Hamburg-Nord. Auch ihm gefiel die Idee, denn schließlich steht der Name Lagerfeld für alles, was die Hansestadt so gerne wäre: elegant und weltoffen.
Karl Lagerfeld: 2017 brachte er Glamour in die Hansestadt
Dabei ist sie vor allem eins: pragmatisch. Da es in Hamburg Jahre dauern kann, bis Straßen umbenannt werden, ist es meist einfacher, einen Abschnitt zu finden, der noch keinen Namen hat. So wie in einem Neubau-Gebiet, etwa der Hafencity oder der neuen Mitte in Altona. Dort gibt es sogar eine Domenica-Niehoff-Twiete, benannt nach Deutschlands bekanntester Prostituierten. Da Karl Lagerfeld 2017 seine Chanel-Show in der Elbphilharmonie zeigte und das Event weltweit Beachtung fand, hätte sich die Hafencity als Standort für eine nach ihm benannte Straße angeboten. Doch die Beamten sahen das anders und entschieden: Wir nehmen das Teilstück des Alsterwanderwegs.
Auch der Bezirksausschuss und der Senat winkten das Projekt begeistert durch. „Mit den neuen Straßenbenennungen setzen wir wichtige Erinnerungspunkte im öffentlichen Raum“, sagte Carsten Brosda, Senator der Hamburger Behörde für Kultur und Medien. „Mein Dank gilt auch den Bezirken, die sich vor Ort intensiv mit der Benennung von Verkehrsflächen und ihrer geschichtlichen Bedeutung auseinandersetzen.“
Tristesse statt Glamour: Zwar verläuft parallel zur Karl-Lagerfeld-Promenade die Shoppingmeile Neuer Wall, doch von Luxus ist auf dem Alsterfleet nichts zu sehen.
© Marcus Luft
Ich habe Karl Lagerfeld mehrmals getroffen und kannte ihn zumindest so gut, dass ich weiß: Er mochte keine Ehrungen – und die ausgewählte Promenade hätte ihm wohl erst recht nicht gefallen. Zwar gibt es kein offizielles Statement von Chanel, hier hält man sich mit Kommentaren elegant zurück. Lediglich hoch gezogene Augenbrauen mancher Gesprächspartner lassen erahnen, was die Luxusmarke von dieser Aktion hält. Am 30. Mai wird Chanel dennoch mit den Initiatoren ein Mittagessen veranstalten. Die Geste zählt. Eine Begrünung der neuen, aber grauen Flanier-Promenade ist übrigens vorerst nicht geplant. Dafür hat die Stadt eine „Sonderreinigung“ für den Asphaltweg in Auftrag gegeben. Einmal schnell durchkärchern – ganz pragmatisch eben.