Die Grünen-Politikerin veröffentlicht ihr Nummer – und unsere Autorin fragt sich: Wer macht so etwas heute noch? Um das herauszufinden, half nur eines: anrufen.
Eigentlich stellt man seine privaten Kontaktdaten nicht einfach öffentlich ins Netz. Im Jahr 2024 weiß das jeder. Oder zumindest jeder, der beruflich und/oder privat täglich im Social Web unterwegs ist und um die Fallstricke der digitalen Welt weiß.
Wenn Nummern im Netz kursieren, habe ich Fragen. Und gleich doppelt so viele, wenn eine davon von Katrin Göring-Eckardt stammt. Die Grünen-Politikerin und Bundestagsabgeordnete postete am Montagvormittag im Onlinedienst X eine Handynummer mit der Aufforderung „ruf mal eben an“.
Erinnern Sie sich noch, als Adressen auf Facebook geteilt wurden?
Als ich den Post sah, musste ich instinktiv an ein Ereignis aus meiner Schulzeit denken: Die Schwester einer Klassenkameradin (wir waren damals 14 Jahre alt, unsere Geschwister wenige Jahre jünger) schmiss eine Hausparty. Der unglückliche Zufall wollte es, dass dabei auch die Wohnadresse auf Facebook öffentlich verfügbar wurde. Den Rest der Geschichte können Sie sich denken.
Das Netz war damals noch vergleichsweise jung, wir ebenso. Wir machten unsere ersten wackeligen Schritte auf Schüler VZ und Facebook. Dass Wohnadressen online geteilt wurden, passierte, gehört heute aber zu den Schrecken der frühen 2010er Jahre, die sich in den 2020ern ganz sicher nicht mehr und höchstens in begründeten Ausnahmefällen wiederholen dürften. Aus Erlebnissen wie diesen haben wir als Teenager und auch unsere Boomer-Eltern gelernt – müsste man meinen.
Katrin Göring-Eckardt meldet sich – allerdings etwas unpersönlich
Aber nun hatte eine Boomerin, Politikerin und damit ein Medienprofi ihre Nummer auf X geteilt. Wie konnte das passieren? Hatte Göring-Eckardt etwa den falschen Button erwischt, als sie jemandem schnell eine private Nachricht zukommen ließ? Peinlich wäre das. Die gute Frau müsste sich mindestens eine neue Simkarte besorgen, wenn sie den Anrufen wütender Bürger entgehen wollte.
Doch nun stand sie im Netz, die ominöse Nummer. Auf Telegram und WhatsApp war sie direkt auffindbar. Ausgedacht konnte sie schon mal nicht sein. Also: Anruf bei Katrin Göring-Eckardt.Trikots Macron und Steinmeier 16:04
Tatsächlich meldet sich die Grünen-Politikerin prompt: „Hallo, hier spricht Katrin Göring-Eckardt.“ Dafür, dass die Nummer bereits seit mehreren Stunden verfügbar war, hob die Politikerin ganz schön schnell ab. Konnte das wirklich sein? Wie viele Anrufe von unzufriedenen Bürgern mochte sie wohl schon erhalten haben? Und warum war sie so gut gelaunt?
Ehe ich dazu ansetzen konnte, mich vorzustellen und die Politikerin mit meinen Fragen zu überschütten, redete Göring-Eckardt auch schon weiter: „Am 1. September wird ja in Thüringen gewählt. Wählen Sie Bündnis 90/Die Grünen für Mensch, Natur und Thüringen. Und dafür, dass die AfD keine Blockademehrheit bekommt. Sorgen wir einfach gemeinsam dafür, dass unser schönes Thüringen stabil und verlässlich regiert wird. Vielen Dank und Tschüssi!“
Und damit legte sie auf.
Tja, das war’s dann wohl mit meinem kritischen Interview zum Thema Sicherheit im Netz. Wäre auch zu schön gewesen.
Ob diese kuriose Nummer den Grünen in Thüringen den Aufschwung gibt, den sie brauchen? Je nach Umfrage käme die Partei gerade einmal auf knapp drei Prozent. Die AfD bekäme zehnmal so viele Stimmen.
Auf X sorgt der Post immerhin für Unterhaltung. Manche wundern sich, andere sind begeistert. Eine Hürde hat Göring-Eckardt schon mal geschafft: Die Aufmerksamkeit ist da.