Der Tourismus spielt in Thüringen wirtschaftlich eine große Rolle. Die meisten Gäste bleiben aber nur kurz. Ist das gut oder schlecht für die Branche im Freistaat?
Im Schnitt 2,6 Nächte für Kultur und Natur – dann sind die meisten Thüringen-Touristen wieder weg. Das geht aus Zahlen des Statistischen Landesamtes für 2023 hervor. Thüringen liege damit im bundesweiten Reisetrend und bei der Aufenthaltsdauer im Mittelfeld der Bundesländer, gleichauf mit Bayern und Rheinland-Pfalz, sagte eine Sprecherin der Thüringer Tourismus GmbH auf dpa-Anfrage in Erfurt. „Das wirtschaftliche Potenzial bei Kurzurlaub ist hoch“, so die Einschätzung der Tourismusexperten.
Kurzurlauber wichtig für Thüringen-Tourismus
Eine über ein Jahr geführte Gästebefragung der Thüringer Tourismus GmbH (TTG) mit 3700 Teilnehmern im Zeitraum von Mai 2023 bis Mai 2024 habe ergeben, dass mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) ein bis drei Nächte im Freistaat blieb. Etwa ein Drittel verbrachte danach vier bis sieben Nächte in Thüringen. Kurzreisen seien somit das wichtigste Segment im Thüringer Tourismus.
Die Reisen seien vor allem durch das Bedürfnis nach Erholung und Entspannung motiviert, gefolgt von Kunst- und Kulturerlebnissen sowie Naturaktivitäten, darunter oft Wandern im Thüringer Wald. Mit Kampagnen und Highlights wie der Wartburg in Eisenach, dem Rennsteig, dem klassischen Weimar oder der historischen Innenstadt von Erfurt knüpfe die TTG, die für die touristische Vermarktung des Freistaats zuständig ist, daran an, äußerte Geschäftsführer Christoph Gösel. Es gehe auch um eine Profilierung Thüringens als Kultur- und Städteziel. Beispielsweise Erfurt könne in diesem Jahr wahrscheinlich die Marke von einer Million Übernachtungen knacken.
Ellinger: Anreize, länger zu bleiben
Nach der Befragung kommen 13 Prozent der Gäste aus Thüringen. Einen größeren Anteil haben zudem mit jeweils 11 Prozent Besucher aus Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Laut TTG kommen rund 90 Prozent der Thüringen-Urlauber aus Deutschland.
Der Geschäftsführer des Thüringer Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Dirk Ellinger, sagte, es sei ein Erfolg, dass Thüringen mit Tagungen, Messen, Kongressen, Festivals, Ausstellungen, Konzerten und Sportevents wie dem Rennsteiglauf und seinem Waldreichtum viele Menschen anziehe. Er plädierte aber auch dafür, dass das Land seinen Gästen mehr Anreize für längere Aufenthalte bietet. Eine Aufenthaltsdauer von im Schnitt unter drei Tagen sei zu wenig. „Wir müssen noch interessanter werden“, sagte Ellinger der dpa.
Dazu gehörten spezielle Angebote für junge Leute, für Familien mit Kindern, für Biker oder Wassertouristen. „WIr sollten mehr Pakete packen, als Angebot für Gäste.“ Dafür müssten sich die verschiedensten touristischen Anbieter stärker zusammentun. Paketangebote könnten seiner Meinung nach etwa bei den Rennsteigläufern funktionieren, die nach dem Sportereignis dadurch möglichst mit ihren Familien noch einige erlebnisreiche Tage in Thüringen verbringen. Ellinger hofft, dass Thüringen in diesem Jahr wieder die vor der Corona-Pandemie erzielte Zahl von 10 Millionen gebuchten Übernachtungen erreicht.
TTG: Wenig bis kein Massentourismus
Der Dehoga-Chef verwies angesichts in vielen Bereichen gestiegener Kosten auf eine hohe Preissensibilität vieler Gäste. „Bei touristischen Abgaben ist Entlastung nötig“, so Ellinger. Er verwies auf Kurtaxe, Bettensteuer oder einen Tourismusbeitrag, den die Unternehmer zahlten.
Laut TTG ist die Lage Thüringens mitten in Deutschland und eine gute Erreichbarkeit mit Auto und Bahn ein Hauptfaktor für die hohe Bedeutung als Kurzreiseziel. Hinzu kämen kurze Wege zwischen Stadt- und Naturerlebnissen, viele Kulturangebote und „wenig bis kein Massentourismus“.
Regionale Unterschiede
Die klassischen Ressorts oder Hotels für eine längere Aufenthaltsdauer gebe es vorrangig in den Thüringer Kurorten und Reisegebieten wie dem Thüringer Wald, der Rhön oder dem Weimarer Land. In diesen Gebieten sei die Aufenthaltsdauer landesweit mit 3,5 bis 4,2 Tagen am höchsten. Durch die langen Kuraufenthalte ergebe sich für die Heilbäder und Kurorte eine durchschnittliche Übernachtungsdauer von 5,2 Tagen. Camper blieben im Durchschnitt 2,5 Tage. Riesige Hotelanlagen – sogenannte „Bettenburgen“ – oder All-Inklusive-Ferienparks spielten im Thüringen-Tourismus keine Rolle.