Umstrittener Deal: Warum Dänemark ausländische Straftäter in Gefängnisse im Kosovo schickt

Ein Abkommen regelt, dass Dänemark 300 Gefängnisplätze im Kosovo mietet – zur Unterbringung von Häftlingen, die abgeschoben werden sollen. Der Deal hat aber einen Beigeschmack.

Für einen Moment sah es so aus, als würde das Abkommen scheitern. Jahrelange Verhandlungen zwischen Dänemark und das Kosovo drohten umsonst gewesen zu sein und der Plan der dänischen Regierung, Gefangene im Kosovo unterzubringen, schien zu platzen.

Am Donnerstag hat das kosovarische Parlament schließlich das Abkommen verabschiedet – nach Monaten der Unsicherheit, ob es überhaupt zustande kommt. 86 Abgeordnete stimmten dafür, sieben dagegen. Zuvor hatte das dänische Parlament zugestimmt.

Die bereits 2022 beschlossene Abmachung war schon länger im kosovarischen Parlament festgefahren. Die Opposition im Balkanstaat hatte die Ratifizierung aller internationalen Abkommen blockiert, solange es keine Neuwahlen gibt. Eine Zweidrittelmehrheit war für die Annahme solcher Abkommen erforderlich.STERN PAID 36_22 Jugend im Kosovo wir wollen raus! 20.38h

300 Häftlinge für das Kosovo – und viele Millionen Euro

Mitte Mai dann der Rückschlag: Der Deal scheiterte aufgrund der Blockade der Opposition im Parlament und die Regierung wollte das Abkommen mit der dänischen Seite überarbeiten. Wenige Tage später legte die kosovarische Regierung den Abgeordneten genau denselben Gesetzentwurf vor, wie der stellvertretende Justizminister Blerim Sallahu Radio Free Europe erklärte. Diese Fassung ist nun in Kraft und gilt zunächst für fünf Jahre, mit Aussicht auf Verlängerung.

Die 18-seitige Vereinbarung sieht vor, dass Dänemark 300 Haftplätze im Gjilan-Gefängnis im Südosten des Landes anmietet. Dort sollen bis zu 300 zur Abschiebung verurteilte Ausländer ihre dänische Haftstrafe unter Bedingungen verbüßen können, die im Wesentlichen denen in dänischen Gefängnissen entsprechen. Das Gefängnis wird dafür umgebaut. Im Gegenzug erhält der kosovarische Staat mehr als 200 Millionen Euro. In etwa zwei Jahren soll das Gefängnis bezugsfertig sein. Ursprünglich war ein Start im Jahr 2023 geplant. Derzeit befinden sich rund 200 Häftlinge im Gefängnis von Gjilan. Sie sollen verlegt werden.Mega Knast El Salvador 11.50

Laut Abkommen werden Häftlinge, die wegen Terrorismus und Kriegsverbrechen verurteilt wurden, sowie psychisch kranke Gefangene nicht in den Kosovo überstellt. Das Modell, Verbrecher ihre Strafe im Ausland verbüßen zu lassen, ist nicht neu – zuvor hatten bereits Norwegen und Belgien Gefängniszellen in den Niederlanden angemietet.

Die Gefängnisse in Dänemark sind voll

Der Grund für das dänisch-kosovarische Abkommen ist die Überlastung der dänischen Gefängnisse. „Dies ist für uns von entscheidender Bedeutung, um mehr dänische Gefängnisplätze zu sichern, und wird dazu beitragen, unser stark belastetes Gefängnissystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen“, erklärte Dänemarks Justizminister Peter Hummelgaard.

Die Zahl der Häftlinge in Dänemark ist seit 2015 um fast 20 Prozent auf mehr als 4000 Anfang 2021 gestiegen – damit sind die Gefängnisse nach offiziellen Angaben zu mehr als 100 Prozent ausgelastet. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Gefängniswärter um 18 Prozent gesunken und diverse Strafgesetze wurden verschärft.

„Gleichzeitig sendet es ein klares Signal an kriminelle Ausländer, dass ihre Zukunft nicht in Dänemark liegt und sie daher ihre Strafe nicht hier absitzen sollten“, so Hummelgaard weiter. Das Abkommen sieht vor, dass zur Abschiebung verurteilte Straftäter vom Kosovo aus direkt in ihre Heimatländer geschickt werden können. Es ist ein Signal der Härte seitens der Regierung.

Sorge um Rechte der Häftlinge

Der Deal wird jedoch von vielen Seiten kritisiert. Hykmete Bajrami, Oppositionspolitikerin im Kosovo, schrieb laut der Zeitung „Koha“ auf Facebook: „Die Zustimmung zu diesem Abkommen ist ein Fehler und wir sollten das Kosovo nicht zu einem Ort machen, an den man Gefangene bringt.“

Der Ausschuss für Folter der Vereinten Nationen hat Bedenken geäußert und Dänemark aufgefordert, seine Gefängnispläne aufzugeben. Auch das dänische Institut gegen Folter (Dignity) äußerte sich besorgt. Auch wenn das Gefängnis so umgebaut werde, dass es den dänischen Standards entspreche, gebe es mehrere Aspekte des Abkommens, die Anlass zur Sorge gäben, sagte Therese Rytter, Rechtsdirektorin des Instituts der Nachrichtenagentur Ritzau. Unter anderem gebe es Probleme mit Menschenrechten, da körperliche Misshandlung „Teil der Gefängniskultur im Kosovo“ sei.

„Wir haben sehr glaubwürdige Beschwerden über körperliche Misshandlungen erhalten, wie beispielsweise Schläge und Tritte, während man in Handschellen gefesselt war.“

Darüber hinaus würden solche Vorfälle nicht von der dänischen, sondern von der kosovarischen Polizei untersucht. „Es besteht also die Gefahr, dass es keine Konsequenzen für Gefängniswärter gibt, die Straftaten begehen“, so Rytter. Justizminister Hummelgaard teilt diese Bedenken jedoch nicht und weist darauf hin, dass das Gefängnis unter dänischer Leitung stehen wird und kosovarische Gefängniswärter ausgebildet würden.

Es ist auch unklar, ob das Abkommen tatsächlich Wirkung zeigen wird. Die Gewerkschaft der dänischen Strafvollzugsbeamten glaubt jedenfalls nicht daran. „Natürlich wird die Belegungsrate dadurch ein wenig sinken“, sagte der Vorsitzende Bo Yde Sørensen dem dänischen Rundfunk. „Andererseits hat man sich in den letzten zehn Jahren darauf konzentriert, die Strafen zu verschärfen. (…) Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Dänemark weniger Gefangene haben wird, wenn wir 300 in den Kosovo schicken.“

Quellen: Nachrichtenagenturen AFP und Ritzau, Justizministerium Dänemark, Abkommen, Regierung Dänemarks, Vereinte Nationen, „Berlingske“, „Politiken“, Danmarks Radio, TV2