Nach Todesfall: Sprung vom Zehn-Meter-Turm: Worin die Gefahr liegt und wie man am sichersten springt

Der Sprungturm gehört zum Freibad, wie die Achterbahn auf die Kirmes. Aber je größer die Höhe, desto gefährlicher ist der Wassersprung.

Der Zehn-Meter-Turm im Schwimmbad ist für manche ein absolutes No-Go, für andere ist der Sprung eine Mutprobe oder gar die Möglichkeit, sich zu profilieren. Die Ehrfurcht vor der Höhe kommt nicht von Ungefähr, der Sprung vom Zehner ist mit einem Risiko verbunden. Gerade Unerfahrene können sich dabei schwere Verletzungen zuziehen, die im schlimmsten Fall tödlich enden. Am Montag ereignete sich in Bremen ein solcher Badeunfall mit Todesfolge. Der 23-Jährige hatte sich bei seinem Sprung vermutlich innere Verletzungen zugezogen, wie die Polizei mitteilte.

Was macht den Sprung vom Zehn-Meter-Turm so gefährlich? Welche Sprungvariante ist die sicherste? Und wie kann man sich auf einen solchen Sprung vorbereiten? Ein Überblick über die wichtigsten Punkte.

Was passiert mit dem Körper beim Sprung vom 10-Meter-Turm?

Ist doch nur Wasser? Von wegen! „Aus dieser Höhe ist das Wasser hart wie Beton“, weiß Joachim Rödig, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Mönchengladbacher Klinikum Maria Hilf. Im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ (RP) warnt er: „Bei einem Sprung von einem Zehn-Meter-Turm entwickelt sich eine extreme Wucht.“ Komme man falsch aufs Wasser auf, könne man sich starke Verletzungen zuziehen – „ähnlich wie bei einem Motorradunfall“. Knochen könnten brechen, die Haut platzen, auch innere Verletzungen und Brustkorbprellungen seien möglich.

Wie häufig kommt es zu Verletzungen durch Sprünge ins Wasser aus großer Höhe?

Zahlen dazu gibt es nicht. Eine Statistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zeigt aber, dass es 2023 zu mindestens 378 Badeunfällen mit Ertrinkungstod gekommen ist, noch einmal 23 mehr als im Jahr zuvor. Die meisten Fälle (90 Prozent) ereigneten sich in Binnengewässern – unter anderem in Seen (138) und Flüssen (135). Die DLRG warnt daher davor, in unbewachten Gewässern zu baden. In Schwimmbädern kam es am seltensten zu Todesfällen. 2023 waren es acht.ertrinken FAQ 17.55

Wer sollte nicht vom Zehn-Meter-Turm springen?

Wer sprungunerfahren ist, sollte nicht direkt vom Zehn-Meter-Turm springen. „Sich selbst zu überschätzen, ist gefährlich“, so Roland Scheidemann von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Gespräch mit der „RP“. Wer unsicher sei, solle vernünftig sein und zurückklettern. Einen Zehn-Meter-Sprung mache jeder Springer auf eigene Verantwortung. Auch wenn Aufsichtspersonen darauf achten könnten, dass das Becken frei sei und immer nur einer auf dem Turm stehe, sei es laut Scheidemann dennoch „lebensgefährlich, wenn jemand einen Kopfsprung versucht, der nicht routiniert ist“. 

Wie bereitet man sich auf einen Sprung vom Zehner am besten vor?

Matti Büchner ist Abteilungsleiter Wasserspringen beim Berliner TSC und trainiert als Bundesstützpunkttrainer die Profis. Die Dpa hat bei ihm nachgefragt, wie man den ersten Sprung vom Zehn-Meter-Turm am besten angeht. Er empfiehlt ein langsames vortasten – vom Ein-Meter-Brett zum Drei-Meter-Brett und so weiter. Eine Strategie, die auch bei Leistungssportlern angewandt werde und zwar so lange, bis diese genügend Körperspannung für ein gerades Eintauchen hätten. Er erklärt: „Von einem Zehn-Meter-Turm sind es etwa 50 km/h mit dem man ins Wasser einschlägt, da ist eine Wucht.“

Welche Körperhaltung ist die sicherste beim Sprung?

Am sichersten ist der Sprung, wenn er gerade und mit Körperspannung ausgeführt wird: Arme fest am Körper, die Beine geschlossen, die Zehen gestreckt. Damit bietet man am wenigsten Widerstand beim Aufprall aufs Wasser. Grundsätzlich aber gilt: ein Sprung, egal in welcher Variante muss sauber ausgeführt werden, um möglichst risikoarm zu sein. Ein Bauch- oder Rückenklatscher tut auch schon vom Ein-Meter-Brett weh.

Wie gefährlich sind andere Sprungvarianten?

Wie hart Wasser sein kann, ist schon ab niedrigen Höhen spürbar – vor allem, wenn man statt eines eleganten Kopfsprungs einen Bauchplatscher hinlegt. Eine ungünstige Landung auf der Wasseroberfläche kann schnell schmerzhaft werden. Beim Sprung ins Wasser gilt, je kleiner die Körperfläche desto besser. Aber was ist am ungefährlichsten? Ein US-Forschungsteam der Cornell University hat getestet, welche Kräfte auf den Körper wirken und mit welchen Verletzungen zu rechnen ist, wenn man mit dem Kopf, den Händen oder den Füßen zuerst ins Wasser eintaucht. Für den Versuch wurden Dummys per 3D-Druck angefertigt, die ins Wasser „geschossen“ wurden. Sensoren ermittelten, welche Kräfte beim Aufprall wirkten. Hochgeschwindigkeitskameras dokumentierten das Experiment.Freibad 11.53

Die sicherste der drei Sprungvarianten? Keine Überraschung: die „Kerze“, also der gerade Sprung mit den Füßen voran. Erst ab einer Höhe von 15 Metern steigt der Studie zufolge das Risiko für Verletzungen, wenn man diese Sprungvariante wählt. Gefährlich wird es dann vor allem für die Knie. Wer Hautverletzungen vermeiden möchte, sollte die Zehen strecken und nicht mit flachen Fußsohlen auf die Wasseroberfläche „aufschlagen“. Beim klassischen Kopfsprung, bei dem die Handflächen über dem Kopf zusammengelegt werden, steigt das Risiko für Verletzungen ab zwölf Metern. Ab dieser Höhe sind demnach Schlüsselbeinbrüche möglich. Um Schulterverletzungen zu vermeiden, Arme und Schultern beim Eintauchen kräftig anspannen. Am gefährlichsten sind Sprünge mit dem Kopf voran, die Arme dicht am Körper angelegt. Die Ergebnisse der Forschenden legen nahe, dass ein solcher Sprung aus bereits acht Metern Höhe zu beträchtlichen Verletzungen führen kann. Demnach könnten Nacken und Rückenmark gefährlich beeinträchtigt werden. Das zeigen Vergleiche mit Druckkräften, von denen bekannt ist, dass sie Knochen- und Muskelläsionen verursachen.

Macht es einen Unterschied, ob man von der Turmplattform oder einem Brett springt?

Ein Turmplattform ist fest, Bretter sind beweglich. Das bedeutet, dass besonders viel Körperspannung in der Körpermitte vonnöten ist. Sowohl die Bauch- als auch die Rückenmuskulatur sollten beim Sprung vom Brett angespannt sein. Ansonsten kann es passieren, dass man „zusammensackt“, was sich wiederum negativ auf die Sprungausführung auswirken kann – der Springer beispielsweise in Seit- oder Vorlage gerät.

Kann man durchs Anlaufnehmen zu weit fliegen und auf dem Beckenrand landen?

Ein Zehner-Sprungbecken muss von der Kante des Sprungturms mindestens 13,5 Meter breit sein. Um diese zu überspringen müsste die Anlaufgeschwindigkeit 30 km/h betragen. Dennoch ist die Gefahr aus der Höhe groß, vor allem wenn man die Körperbeherrschung verliert und mit einer ungünstigen Körperlage aufs Wasser aufschlägt. Außerdem sollte man beim Anlaufnehmen immer darauf achten, dass niemand im Wasser ist, auf den man springen könnte. Einmal in der Luft, lässt sich der Sprung nicht rückgängig machen. Am besten lässt man sich von jemandem ein Zeichen geben, wenn das Wasser frei ist. Experte Büchner rät gänzlich davon ab, mit Anlauf von einem Sprungbrett zu springen. „Die haben eine fiese Anti-Rutsch-Beschichtung, da kann man sich ordentlich etwas aufschürfen, wenn man fällt“, erklärt er.  Stattdessen solle man sich lieber vorne ans Brett stellen und wie auf dem Trampolin zwei-, dreimal auf der Stelle springen – mit entsprechender Körperspannung versteht sich – bevor man ins Wasser hüpft. 

Warum können manche Menschen aus großen Höhen springen, ohne sich zu verletzen?

Technik! Ob nun professionelle Turmspringer oder abenteuerlustige Klippenspringer, Körperspannung ist alles. Dadurch ist der Körper kompakter. Auch eine geschulte Eintauchposition ist wichtig. Die größte dokumentierte Höhe, aus der ein Mensch jemals gesprungen ist, liegt bei 58,8 Metern. Der Extremsportler Laso Schaller war es, der von einem Wasserfall im Tessin sprang. Als er ins Wasser eintauchte, hatte er eine Geschwindigkeit von 123 km/h. Schaller landet in schäumendem Wasser, das war weniger hart als eine glatte Oberfläche, er holte sich dabei aber dennoch einen Innenbandanriss.

Wie gefährlich ist das Eintauchen nach dem Sprung?

Ein professionelles Sprungbecken ist fünf Meter tief. Ein Becken im Freibad kann flacher sein. Daher empfiehlt Experte Büchner, vor dem Sprung die Tiefe zu checken. Bei einer Beckentiefe von fünf Metern werde der Körper beim Eintauchen in der Regel genug gebremst, bei geringerer Wassertiefe empfiehlt er, nachzuhelfen. Arme und Beine dafür etwas vom Körper abspreizen, um den Widerstand zu vergrößern. Aber Vorsicht: Erst unter Wasser. 

Quelle: Science Advances, Deutscher Schwimm-Verband, DLRG, NZZ, Galileo, mit Material der Dpa