Er konnte mit den Ängsten seines Publikums spielen wie kein Zweiter: Alfred Hitchcock gilt als unerreichter Meister des Kinos. Seine Filme haben auch heute nichts von ihrer Wirkung verloren.
Sein Name ist 125 nach seiner Geburt noch immer ein Synonym für spannende Unterhaltung: Alfred Hitchcock beherrschte wie kein Zweiter das Spiel mit den Emotionen seines Publikums, das er mit immer neuen menschlichen Abgründen konfrontierte. Heute gilt er als der größte Regisseur aller Zeiten, Generationen von Filmemachern haben ihn verehrt und anhand seiner Werke ihr Handwerk gelernt.
Privat führte Hitchcock dagegen ein von außen betrachtet ruhiges Leben: 54 Jahre lang – bis zu seinem Tod – war er mit der Cutterin Alma Reville verheiratet, die er bereits 1921 kennengelernt und 1926 geehelicht hatte. Zwei Jahre später kam seine Tochter Patricia auf die Welt.
Hitchcocks Vater ließ ihn ins Gefängnis einsperren
Dass er trotz dieser bürgerlichen Fassade so tief in die menschlichen Abgründe herabsteigen konnte, lag neben dem strengen Glauben in seiner Kindheit begründet. Um ihn zu bestrafen, soll ihn sein Vater einmal für einige Stunden in ein Gefängnis eingesperrt haben. In diesem Erlebnis dürfte der Ursprung liegen für ein immer wiederkehrendes Motiv in Hitchcocks Werk: der unschuldig Verfolgte.
Ein guter Filmemacher braucht jedoch nicht nur Visionen, sondern auch das technische Vermögen, diese auf die Leinwand zu bringen. Und das konnte keiner so perfekt wie der am 13. August 1899 bei London Geborene. Er lernte das Filmgeschäft von der Pike auf. Schon als Zwanzigjähriger schrieb er Zwischentitel für Stummfilme, später lernte er das Regieführen in den Babelsberger Ufa-Studios – damals den modernsten der Welt.
Kreativer Zenit in den 50er Jahren
Seinen ersten eigenen Film drehte er 1922: „Number 13“ blieb jedoch unvollendet. Mit „Der Mieter“ aus dem Jahr 1926 hatte Hitchcock sein Genre gefunden, das ihn berühmt machen sollte: den Thriller. Der Film wurde sein erster großer Erfolg. 1929 vollzog er mit „Erpressung“ erfolgreich den Umstieg auf den Tonfilm. In den 30er Jahren gelangen ihm einige frühe Höhepunkte seines Gesamtwerks: die Spionagethriller „Die 39 Stufen“, „Der Mann der zuviel wusste“ (von dem Hitchcock in den 50er Jahren ein US-Remake drehte) und „Eine Dame verschwindet“. Hitchcocks Ruf als bester britischen Regisseur seiner Zeit sprach sich bis nach Hollywood herum. Und so holte ihn der legendäre Produzent David O. Selznick („Vom Winde verweht“) 1940 in die USA. Hitchcock zog mit seiner Familie nach Los Angeles – und sollte dort vier Jahrzehnte bis zu seinem Tod leben.
Gleich seine erste Zusammenarbeit mit Selznick bekam den Oscar: „Rebecca“ wurde 1941 als bester Film ausgezeichnet. Da dieser Preis an den Produzenten vergeben wird, ging Hitchcock leer aus – und sollte bis zum Lebensende keinen Oscar gewinnen. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft: So großen Filmemachern wie Stanley Kubrick oder Ernst Lubitsch ist dieser Ritterschlag ebenfalls verwehrt geblieben.
Seinen kreativen Zenit erreichte „Hitch“ in den 50er Jahren, wo er in kurzer Folge so einflussreiche Filme wie „Das Fenster zum Hof“ (1954), „Über den Dächern von Nizza“ (1955), „Vertigo“ (1958), „Der unsichtbare Dritte“ (1959) und „Psycho“ (1960) drehte. Allein die Filme aus diesen sechs Jahren reichen aus, um ihm einen Platz im Filmolymp zu sichern.
Alfred Hitchcock holte sich stets die Besten
Hitchcock drehte im Laufe seiner Karriere mit nahezu allen großen Schauspielern seiner Zeit: James Stewart, Cary Grant, Henry Fonda, Grace Kelly, Sean Connery, Paul Newman, Anthony Perkins, Joseph Cotten, Charles Laughton, Ingrid Bergman, Doris Day, Gregory Peck oder Julie Andrews, um nur einige zu nennen. Auch deutsche Schauspier kamen in den Genuss einer Zusammenarbeit: Neben Marlene Dietrich zählen dazu Günter Strack, Hansjörg Felmy und Wolfgang Kieling.
Auch in anderen Bereichen holte sich Hitchcock stets die Besten der Zunft: Techniker, Kameramänner, selbst bei der Gestaltung der Vorspänne arbeitete er nur mit Profis zusammen. Berühmt geworden ist auch die Musik zu vielen seinen Filmen: Lange Jahre arbeitete er mit dem Komponisten Bernhard Hermann zusammen, der ein kongenialer Partner war und dessen Scores einen großen Anteil an der Wirkung der Filme hatten.
Blondinen bevorzugt
Hitchcocks Lieblingsblondine Tippi Hedren (1536542)Hitchcock besetzte die weiblichen Hauptrollen bevorzugt mit blonden Frauen. Lange war er auf den Typ der kühlen, unnahbaren Blondine fixiert, Grace Kelly war für ihn der Prototyp. Doch nachdem diese Fürst Rainier von Monaco geheiratet und sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hatte, musste er sich neue Schauspielerinnen suchen. Er fand Kim Novak, Eva Marie Saint, Janet Leigh und Tippi Hedren. Doch in seinen späten Jahren wurde er im Umgang mit diesen Frauen immer obsessiver. Er mischte sich in das Privatleben der Schauspielerinnen ein, bestimmte deren Garderobe und Styling auch jenseits des Filmsets und unternahm in einigen Fällen Annäherungsversuche.
Auch vor der Kamera verlor Hitchcock irgendwann jegliches Maß. Bei dem berühmten Duschmord in „Psycho“ ließ er Janet Leigh vor der Kamera brutal hinrichten. Tippi Hedren quälte er bei den Dreharbeiten zu „Die Vögel“: In einer Szene sollte sie in einen Raum gehen, der vollbesetzt war mit Vögeln. Zwei Männer in Schutzanzügen schleuderten lebendige Vögel in ihre Richtung. Diese Szene wurde eine ganze Woche lang gedreht. Immer wieder hackten Vögel nach ihr. Ein Vogel verfehlte ihr linkes Auge nur knapp und verpasste ihr eine tiefe Fleischwunde. Danach erlitt sie einen Nervenzusammenbruch.
Trotzdem drehte sie einen weiteren Film mit dem Regisseur: In „Marnie“ machte der Regisseur sie 1964 zum Opfer einer brutalen Vergewaltigung – eine solche Szene hatte es im Film bis dato nicht gegeben. Immer stärker flossen Hitchcocks eigene sexuelle Obsessionen in seine späteren Filme ein. Sein Alkoholkonsum nahm überhand. Auch sein letzter Triumph „Frenzy“ aus dem 1972 zeichnete sich durch extrem brutale Frauenmorde aus, denen die Kamera lustvoll zuzusehen scheint.
Im Jahr 1979 wurde Alfred Hitchcock doch noch eine der größten Ehrungen der Filmbranche zuteil: Das American Film Institute zeichnete ihn mit dem AFI Life Achievement Award aus. 13 Monate später, am 29. April 1980, war er tot. Seine Filme werden dagegen noch heute gesehen.
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