Drogenhandel und Geldwäsche: Mit einer Null-Toleranz-Strategie gegen Clankriminalität

Binnen zwei Jahren werden in Stade drei Menschen getötet. Die Polizei rechnet alle Angriffe dem sogenannten Clanmilieu zu. Doch was ist Clankriminalität und was tun Niedersachsen und Bremen dagegen?

Sie stehlen, handeln mit Drogen und schießen auf offener Straße: Das Landeskriminalamt registriert immer mehr Fälle sogenannter Clankriminalität. Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens sieht trotzdem keine Hotspots in dem Bundesland. „Vielmehr verteilen sich die Taten über das ganze Land“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. 

Die Polizei und Justiz seien bei dem Thema sehr sensibel. Aus Sicht der Innenministerin handelt es sich um eine „nicht hinnehmbare Art von Kriminalität“, die oftmals in der Öffentlichkeit stattfindet und den Rechtsstaat verhöhnt. „Das können wir in einer Demokratie niemals akzeptieren.“ Sowohl Niedersachsen als auch Bremen setzen auf eine Null-Toleranz-Strategie. „Wir gehen mit allem, was wir rechtlich zur Verfügung haben, dagegen vor“, sagte Behrens. 

Drei Tote im Clanmilieu in Stade

Zuletzt hatten drei Vorfälle in Stade für bundesweites Aufsehen gesorgt: Im September 2022 zielte ein Mann ohne Vorwarnung mit einer Pistole auf einen Mitarbeiter eines Imbisses; das 23-jährige Opfer erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Mitte Januar dieses Jahres soll eine Gruppe einen 44-Jährigen am Bahnhofsparkplatz durch Schläge und Tritte so schwer verletzt haben, dass er später starb. Und nur zwei Monate später wurde ein 35-Jähriger bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Großfamilien in der Innenstadt lebensgefährlich verletzt. Auch er überlebte nicht. 

„Wenn ein so dramatischer Fall wie in Stade passiert, dann reagieren wir, indem wir die Polizeipräsenz im Streifendienst verstärken und die Ermittlungen forcieren“, sagte Behrens. Die Ermittler rechnen nach eigenen Angaben alle Angriffe dem Clanmilieu zu. „Durch intensive Aufklärungsarbeit, Prävention, Präsenz der Polizei und Stärkung der Interventionsfähigkeit sind wir bemüht, eine Weiterführung der Konflikte zu verhindern“, teilte ein Polizeisprecher mit.

Trotz der aufsehenerregenden Fälle habe man in Stade zuletzt keinen zunehmenden Anstieg der Kriminalität registriert. Seit 2021 sei die Zahl der Straftaten in dem Bereich konstant. Auch wenn Konflikte am helllichten Tage mitten in der Hansestadt ausgetragen würden, müssten sich Außenstehende keine Sorgen machen. Die Gefahr, zufällig in eine Auseinandersetzung verwickelt zu werden, sei „sehr gering“, versicherte der Polizeisprecher. „Ausschließen kann ich das jedoch nicht.“ Auch die Innenministerin möchte nicht von einer unsicheren Lage sprechen. „Niedersachsen bleibt ein Land, in dem man überall gut leben kann.“

Verhalten gegenüber Polizei respektlos und aggressiv

Für die Ermittler sei die Lage oft nicht einfach, stellte das niedersächsische Landeskriminalamt (LKA) fest. Das Verhalten der Kriminellen gegenüber der Polizei sei oft geprägt von Respektlosigkeit, Einschüchterungsversuchen, Aggressivität und Gewalttätigkeit.

Selbst bei nichtigen Anlässen komme es zu unangemessenen Eskalationen, was wiederum das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in Mitleidenschaft ziehe. Eine Sprecherin des LKA betonte, es sei zwingend erforderlich, die „materiellen Vorteile der jeweiligen Tat abzuschöpfen“ – um den Tätern den Ansporn zu nehmen. 

Zahl der Straftaten steigt

Nach Zahlen des LKA gab es 2022 fast 4000 Straftaten mit Clan-Bezug im Land; 2019 waren es erst 1585. Dazu zählen sogenannte Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit, die insgesamt fast auf ein Drittel der gesamten Fallzahlen kommen, aber auch Straftaten gegen das Leben, Diebstahl und Fälschungsdelikte. 

Laut LKA umfassen kriminelle Clanstrukturen in Niedersachsen eine mittlere dreistellige Anzahl von Familien. Denen wiederum werde eine hohe vierstellige Zahl an Angehörigen zugeordnet, teilte die Behörde mit. 

Clankriminalität bedeute aber nicht zwangsläufig organisierte Kriminalität, betonte die Behörde. In Niedersachsen ließen sich demnach 2022 bei insgesamt neun Verfahren der organisierten Kriminalität Bezüge zur Clankriminalität herstellen: in Fällen von Rauschgifthandel und –schmuggel sowie Wirtschafts- und Fälschungskriminalität.

Mehr als 800 Clanmitglieder in Bremen polizeibekannt

Auch Bremen hat mit Clankriminalität zu kämpfen. Die Ermittler registrierten 2022 nach eigenen Angaben mehr als 700 Taten, bei denen mindestens ein Clanmitglied beteiligt gewesen sein soll. Meistens handelte es sich um Raub, Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit oder um Vermögens- und Fälschungsdelikte.

Im kleinsten Bundesland leben laut Innenressort mehr als 4.600 Menschen aus Clanstrukturen, mehr als 700 Familien werden dem Milieu zugeordnet. Rund 18 Prozent – mehr als 800 Clanmitglieder – seien in Bremen polizeibekannt. 

Was sind kriminelle Clanstrukturen?

Laut dem Lagebild, das in Niedersachsen jährlich erstellt wird, ist ein Clan eine Gruppe von Menschen, die durch eine gemeinsame ethnische Herkunft, überwiegend auch durch verwandtschaftliche Beziehungen, verbunden ist. Kriminelle Clanstrukturen seien gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere.

Nach Angaben des LKA sind kriminelle Clanstrukturen in Niedersachsen präsent, sie fallen demnach jedoch „quantitativ sowohl in Bezug auf die Tatverdächtigen und Beschuldigten als auch in Bezug auf die Ermittlungsverfahren bei Betrachtung des Gesamtvolumens krimineller Handlungen in absoluten Zahlen kaum ins Gewicht“. Es bestehe ein deutliches Missverhältnis zwischen der statistischen Präsenz und der „zu widmenden Aufmerksamkeit“.

Aber auch das LKA räumt ein: Kriminelle Clanstrukturen beeinträchtigten etwa angesichts auf offener Straße ausgetragener Auseinandersetzungen das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Die Strafverfolgungsbehörden seien daher besonders gefordert. 

Begriff ist umstritten

Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert. „Wir sind der festen Überzeugung, dass dem nicht so ist“, sagte Behrens. „Kriminalität kann man nur bekämpfen, indem man sie erkennt, benennt und dann Konzepte dagegen entwickelt.“